agestellt. (Museo etrusco des Vaticans: der bekannte Mars von Todi; bUffizien in Florenz, zweites Zimmer der Bronzen, zweiter Schrank: mehrere kleine Figuren dieser Art; doch auch ein ganz kleiner ver- stümmelter Mars des schönen Typus.)
Die antike Mythologie gewährte der Kunst oft an einer und der- selben Gottheit viele Seiten und Charakterzüge, die sich darstellen liessen, je nachdem die verschiedenen Entwicklungsperioden des Grie- chenthums, auch wohl die localen Mythen, eine göttliche Gestalt ver- schieden hatten bilden helfen. Endlich aber pflegt sich die Kunst einer jener Seiten entschieden zu bemächtigen und die andern zu vergessen oder nur als Anklänge leise anzudeuten.
Reichlichen Beleg hiefür liefert Hermes. Ursprünglich ein unter- irdischer Gott des Gedeihens und des Seegens ward er später der Herr des Gewinns und Verkehrs, ein Bote der Götter, wandelnd vom Olymp bis zur Unterwelt, nach welcher er auch die Menschenseelen geleitet. Kaum eine Gottheit wurde häufiger gebildet; an allen Strassen begegnete man einem Pfeiler mit seinem bärtigen Haupt, sodass dergleichen Pfeiler mit Köpfen überhaupt den Namen "Her- men" erhielten, gleich viel wen sie darstellten.
Da er aber als Gott des Gedeihens auch der Schützer der Gym- nasien war, so wurde später aus dem raschen, rüstigen Götterboten das Ideal eines nur mit dem kurzen Mantel (Chlamys) bekleideten Jünglings der Ringschule, und bei diesem Typus hielt die Kunst stille. Von seiner Botenschaft her blieb ihm bisweilen ein Ansatz von Flü- geln an den Fussknöcheln, auch wohl am Haupt, so wie der Reise- hut; von seinem Heroldsamte bisweilen der Schlangenstab; von seiner Eigenschaft als Kaufmann der Geldbeutel in der Linken; -- allein auch ohne diess Alles ist und bleibt er Hermes und zwar gerade in den besten Beispielen.
c
Weit die erste Stelle nimmt unter diesen der vaticanische Hermes (Belvedere) ein; derselbe welcher früher unbegreiflicher Weise als "vaticanischer Antinous" bezeichnet wurde. Es ist ein ewig junges Urbild der durch Gymnastik veredelten Leiblichkeit, wie die breite, herrliche Brust, die kräftigen und doch feinknochigen Glie-
Antike Sculptur. Hermes.
agestellt. (Museo etrusco des Vaticans: der bekannte Mars von Todi; bUffizien in Florenz, zweites Zimmer der Bronzen, zweiter Schrank: mehrere kleine Figuren dieser Art; doch auch ein ganz kleiner ver- stümmelter Mars des schönen Typus.)
Die antike Mythologie gewährte der Kunst oft an einer und der- selben Gottheit viele Seiten und Charakterzüge, die sich darstellen liessen, je nachdem die verschiedenen Entwicklungsperioden des Grie- chenthums, auch wohl die localen Mythen, eine göttliche Gestalt ver- schieden hatten bilden helfen. Endlich aber pflegt sich die Kunst einer jener Seiten entschieden zu bemächtigen und die andern zu vergessen oder nur als Anklänge leise anzudeuten.
Reichlichen Beleg hiefür liefert Hermes. Ursprünglich ein unter- irdischer Gott des Gedeihens und des Seegens ward er später der Herr des Gewinns und Verkehrs, ein Bote der Götter, wandelnd vom Olymp bis zur Unterwelt, nach welcher er auch die Menschenseelen geleitet. Kaum eine Gottheit wurde häufiger gebildet; an allen Strassen begegnete man einem Pfeiler mit seinem bärtigen Haupt, sodass dergleichen Pfeiler mit Köpfen überhaupt den Namen „Her- men“ erhielten, gleich viel wen sie darstellten.
Da er aber als Gott des Gedeihens auch der Schützer der Gym- nasien war, so wurde später aus dem raschen, rüstigen Götterboten das Ideal eines nur mit dem kurzen Mantel (Chlamys) bekleideten Jünglings der Ringschule, und bei diesem Typus hielt die Kunst stille. Von seiner Botenschaft her blieb ihm bisweilen ein Ansatz von Flü- geln an den Fussknöcheln, auch wohl am Haupt, so wie der Reise- hut; von seinem Heroldsamte bisweilen der Schlangenstab; von seiner Eigenschaft als Kaufmann der Geldbeutel in der Linken; — allein auch ohne diess Alles ist und bleibt er Hermes und zwar gerade in den besten Beispielen.
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Weit die erste Stelle nimmt unter diesen der vaticanische Hermes (Belvedere) ein; derselbe welcher früher unbegreiflicher Weise als „vaticanischer Antinous“ bezeichnet wurde. Es ist ein ewig junges Urbild der durch Gymnastik veredelten Leiblichkeit, wie die breite, herrliche Brust, die kräftigen und doch feinknochigen Glie-
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Antike Sculptur. Hermes.
gestellt. (Museo etrusco des Vaticans: der bekannte Mars von Todi;
Uffizien in Florenz, zweites Zimmer der Bronzen, zweiter Schrank:
mehrere kleine Figuren dieser Art; doch auch ein ganz kleiner ver-
stümmelter Mars des schönen Typus.)
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Die antike Mythologie gewährte der Kunst oft an einer und der-
selben Gottheit viele Seiten und Charakterzüge, die sich darstellen
liessen, je nachdem die verschiedenen Entwicklungsperioden des Grie-
chenthums, auch wohl die localen Mythen, eine göttliche Gestalt ver-
schieden hatten bilden helfen. Endlich aber pflegt sich die Kunst
einer jener Seiten entschieden zu bemächtigen und die andern zu
vergessen oder nur als Anklänge leise anzudeuten.
Reichlichen Beleg hiefür liefert Hermes. Ursprünglich ein unter-
irdischer Gott des Gedeihens und des Seegens ward er später der
Herr des Gewinns und Verkehrs, ein Bote der Götter, wandelnd vom
Olymp bis zur Unterwelt, nach welcher er auch die Menschenseelen
geleitet. Kaum eine Gottheit wurde häufiger gebildet; an allen
Strassen begegnete man einem Pfeiler mit seinem bärtigen Haupt,
sodass dergleichen Pfeiler mit Köpfen überhaupt den Namen „Her-
men“ erhielten, gleich viel wen sie darstellten.
Da er aber als Gott des Gedeihens auch der Schützer der Gym-
nasien war, so wurde später aus dem raschen, rüstigen Götterboten
das Ideal eines nur mit dem kurzen Mantel (Chlamys) bekleideten
Jünglings der Ringschule, und bei diesem Typus hielt die Kunst stille.
Von seiner Botenschaft her blieb ihm bisweilen ein Ansatz von Flü-
geln an den Fussknöcheln, auch wohl am Haupt, so wie der Reise-
hut; von seinem Heroldsamte bisweilen der Schlangenstab; von seiner
Eigenschaft als Kaufmann der Geldbeutel in der Linken; — allein auch
ohne diess Alles ist und bleibt er Hermes und zwar gerade in den
besten Beispielen.
Weit die erste Stelle nimmt unter diesen der vaticanische
Hermes (Belvedere) ein; derselbe welcher früher unbegreiflicher
Weise als „vaticanischer Antinous“ bezeichnet wurde. Es ist ein
ewig junges Urbild der durch Gymnastik veredelten Leiblichkeit, wie
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/452>, abgerufen am 18.12.2024.
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