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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Villen und Gärten.

In Genua ist der Garten des Pal. Doria eine ziemlich altea
Anlage (seit 1529); die Treppen zum Theil mit Bogenhallen bedeckt;
die Gestalt der Hauptfontaine (mit der Statue des Andrea Doria als
Neptun) vielleicht der älteste erhaltene Typus dieser Art.

In Florenz entstand der Garten Boboli unter der Leitung desb
Bildhauers Tribolo und später des Architekten Buontalenti, schon
zur Zeit Cosimo's I. Die Wasserarmuth des Hügels, welche nur wenige
Fontainen und ein Becken in der Tiefe gestattete, wird vergütet durch die
Schönheit der Aussicht; das Motiv des Circus an der Stelle des Prunk-
gartens, mit der Umgebung von Eichen-Terrassen, ist grossartig und
glücklich als Fortsetzung der Seitenflügel des Hofes in's Freie ge-
dacht; zu den hintern, tiefliegenden Theilen mit Gian Bologna's Insel
führt jene steile Cypressenallee, die als solche kaum mehr ihres Glei-
chen hat, während es anderwärts viel schönere einzelne Cypressen
giebt. Sie ist ein wahrhaft architektonischer Gedanke.

Prachtgärten wurden eine mediceische Leidenschaft und der
schon genannte Buontalenti legte für Cosimo und Francesco deren
mehrere an, worunter der berühmte von Pratolino. Die ganze Gat-c
tung blieb, beiläufig gesagt, fortwährend ein Zweig der Baukunst und
eine Sache der Architekten, welchen sie auch von Rechtswegen ge-
hörte. (Wenn auch Ludwig XIV seinen besondern Gartenmeister Le
Notre hatte, so sind doch dessen Anlagen so architektonisch als irgend
welche jener Zeit; in Rom gehört ihm Villa Ludovisi, s. unten.)

Die berühmten Anlagen der letzten Herzoge von Ferrara sollen
sämmtlich untergegangen oder unkenntlich geworden sein.


Vom Ende des XVI. Jahrhunderts an bildet sich das System der
italienischen Gartenkunst vollständig aus. Das Bunte und Kleinliche
verschwindet oder wird versteckt und dann oft in grosser Masse an-
gewendet; die Wasserorgeln, Windstösse, Vexirstrahlen und was sonst
von dieser Art die Besitzer glücklich machte, bekommen ihre beson-
dern Grotten, der Garten aber wird harmonischer als früher den
grossen Linien und Perspectiven, den möglichst einfachen Contrasten
gewidmet. Auch in den Wasserwerken herrscht das Barocke nicht

B. Cicerone. 26
Villen und Gärten.

In Genua ist der Garten des Pal. Doria eine ziemlich altea
Anlage (seit 1529); die Treppen zum Theil mit Bogenhallen bedeckt;
die Gestalt der Hauptfontaine (mit der Statue des Andrea Doria als
Neptun) vielleicht der älteste erhaltene Typus dieser Art.

In Florenz entstand der Garten Boboli unter der Leitung desb
Bildhauers Tribolo und später des Architekten Buontalenti, schon
zur Zeit Cosimo’s I. Die Wasserarmuth des Hügels, welche nur wenige
Fontainen und ein Becken in der Tiefe gestattete, wird vergütet durch die
Schönheit der Aussicht; das Motiv des Circus an der Stelle des Prunk-
gartens, mit der Umgebung von Eichen-Terrassen, ist grossartig und
glücklich als Fortsetzung der Seitenflügel des Hofes in’s Freie ge-
dacht; zu den hintern, tiefliegenden Theilen mit Gian Bologna’s Insel
führt jene steile Cypressenallee, die als solche kaum mehr ihres Glei-
chen hat, während es anderwärts viel schönere einzelne Cypressen
giebt. Sie ist ein wahrhaft architektonischer Gedanke.

Prachtgärten wurden eine mediceische Leidenschaft und der
schon genannte Buontalenti legte für Cosimo und Francesco deren
mehrere an, worunter der berühmte von Pratolino. Die ganze Gat-c
tung blieb, beiläufig gesagt, fortwährend ein Zweig der Baukunst und
eine Sache der Architekten, welchen sie auch von Rechtswegen ge-
hörte. (Wenn auch Ludwig XIV seinen besondern Gartenmeister Le
Notre hatte, so sind doch dessen Anlagen so architektonisch als irgend
welche jener Zeit; in Rom gehört ihm Villa Ludovisi, s. unten.)

Die berühmten Anlagen der letzten Herzoge von Ferrara sollen
sämmtlich untergegangen oder unkenntlich geworden sein.


Vom Ende des XVI. Jahrhunderts an bildet sich das System der
italienischen Gartenkunst vollständig aus. Das Bunte und Kleinliche
verschwindet oder wird versteckt und dann oft in grosser Masse an-
gewendet; die Wasserorgeln, Windstösse, Vexirstrahlen und was sonst
von dieser Art die Besitzer glücklich machte, bekommen ihre beson-
dern Grotten, der Garten aber wird harmonischer als früher den
grossen Linien und Perspectiven, den möglichst einfachen Contrasten
gewidmet. Auch in den Wasserwerken herrscht das Barocke nicht

B. Cicerone. 26
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[401/0423] Villen und Gärten. In Genua ist der Garten des Pal. Doria eine ziemlich alte Anlage (seit 1529); die Treppen zum Theil mit Bogenhallen bedeckt; die Gestalt der Hauptfontaine (mit der Statue des Andrea Doria als Neptun) vielleicht der älteste erhaltene Typus dieser Art. a In Florenz entstand der Garten Boboli unter der Leitung des Bildhauers Tribolo und später des Architekten Buontalenti, schon zur Zeit Cosimo’s I. Die Wasserarmuth des Hügels, welche nur wenige Fontainen und ein Becken in der Tiefe gestattete, wird vergütet durch die Schönheit der Aussicht; das Motiv des Circus an der Stelle des Prunk- gartens, mit der Umgebung von Eichen-Terrassen, ist grossartig und glücklich als Fortsetzung der Seitenflügel des Hofes in’s Freie ge- dacht; zu den hintern, tiefliegenden Theilen mit Gian Bologna’s Insel führt jene steile Cypressenallee, die als solche kaum mehr ihres Glei- chen hat, während es anderwärts viel schönere einzelne Cypressen giebt. Sie ist ein wahrhaft architektonischer Gedanke. b Prachtgärten wurden eine mediceische Leidenschaft und der schon genannte Buontalenti legte für Cosimo und Francesco deren mehrere an, worunter der berühmte von Pratolino. Die ganze Gat- tung blieb, beiläufig gesagt, fortwährend ein Zweig der Baukunst und eine Sache der Architekten, welchen sie auch von Rechtswegen ge- hörte. (Wenn auch Ludwig XIV seinen besondern Gartenmeister Le Notre hatte, so sind doch dessen Anlagen so architektonisch als irgend welche jener Zeit; in Rom gehört ihm Villa Ludovisi, s. unten.) c Die berühmten Anlagen der letzten Herzoge von Ferrara sollen sämmtlich untergegangen oder unkenntlich geworden sein. Vom Ende des XVI. Jahrhunderts an bildet sich das System der italienischen Gartenkunst vollständig aus. Das Bunte und Kleinliche verschwindet oder wird versteckt und dann oft in grosser Masse an- gewendet; die Wasserorgeln, Windstösse, Vexirstrahlen und was sonst von dieser Art die Besitzer glücklich machte, bekommen ihre beson- dern Grotten, der Garten aber wird harmonischer als früher den grossen Linien und Perspectiven, den möglichst einfachen Contrasten gewidmet. Auch in den Wasserwerken herrscht das Barocke nicht B. Cicerone. 26

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/423>, abgerufen am 05.06.2024.