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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Der Barockstyl.

Im Allgemeinen haben diejenigen ohne Pilasterbekleidung das
Übergewicht; bei der bedeutenden Grösse und Höhe der Gebäude
war es aus ökonomischen und baulichen Gründen gerathen, darauf zu
verzichten; auch waren die Pilasterordnungen nicht leicht in Einklang
zu bringen mit den Fenstern der kleinen Zwischenstockwerke (Mez-
zaninen), welche zur Zeit der Renaissance entweder halb verhehlt, d. h.
in die Friese verwiesen, oder doch ganz anspruchlos angebracht wur-
den, jetzt dagegen sich einer gewissen Grösse und Ausschmückung
erfreuen sollten, sodass das Mezzanin ein eigenes Stockwerk wird.
Paläste mit Einer Ordnung, wie die Nachfolger Palladio's sie ent-
warfen, passten z. B. für die pompliebenden römischen Fürstenfamilien
nicht mehr. Die unschöne und leblose Einrahmung der Mauertheile
in Felder, welche seit dem XVII. Jahrhundert häufig vorkömmt, soll
eine Art von Ersatz bieten, da einmal das Auge die verticale Glie-
derung nicht gerne völlig entbehrt. Das Detail unterliegt theils einer
reich barocken, theils einer wüsten und rohen, missverständlich von
der Rustica abstrahirten Bildung; auch wo es verhältnissmässig rein
bleibt, sieht man ihm die Theilnahmlosigkeit an, womit es, bloss um
seine Stelle zu markiren, gebildet wurde. An den Kranzgesimsen
tritt, während man vor demjenigen des Pal. Farnese in Rom (S. 331, d)
noch immer die grösste Verehrung zu empfinden vorgab, eine er-
staunliche Willkür zu Tage, indem Jeder neu sein wollte. -- Eine
wirkliche Neuerung waren, beiläufig gesagt, die grossen Portale;
die Zeit des Reitens begann der Zeit des Fahrens Platz zu machen.
-- Der einzige mögliche Werth der Gebäude liegt natürlich nur in
den Proportionen.

a

Die beste römische Fassade dieser Zeit ist die des Pal. Sciarra,
von Flaminio Ponzio, vermöge der einfachen aber nachdrücklichen
Detailbildung und der reinen Verhältnisse der Fenster zur Mauermasse,
sowie der Stockwerke unter sich. Durch grossartige Behandlung des
Mittelbaues in drei Ordnungen mit offenen Bogenhallen zeichnet sich
bPal. Barberini aus (von Maderna und Bernini). Die Fassade des
dQuirinals gegen den Platz (von Ponzio) zeigt wenigstens eine gross-
artige, noble Vertheilung der Fenster.

Der berühmte Domenico Fontana ist gerade in dieser Be-
ziehung niemals recht glücklich; seine Fenster stehen entweder zu

Der Barockstyl.

Im Allgemeinen haben diejenigen ohne Pilasterbekleidung das
Übergewicht; bei der bedeutenden Grösse und Höhe der Gebäude
war es aus ökonomischen und baulichen Gründen gerathen, darauf zu
verzichten; auch waren die Pilasterordnungen nicht leicht in Einklang
zu bringen mit den Fenstern der kleinen Zwischenstockwerke (Mez-
zaninen), welche zur Zeit der Renaissance entweder halb verhehlt, d. h.
in die Friese verwiesen, oder doch ganz anspruchlos angebracht wur-
den, jetzt dagegen sich einer gewissen Grösse und Ausschmückung
erfreuen sollten, sodass das Mezzanin ein eigenes Stockwerk wird.
Paläste mit Einer Ordnung, wie die Nachfolger Palladio’s sie ent-
warfen, passten z. B. für die pompliebenden römischen Fürstenfamilien
nicht mehr. Die unschöne und leblose Einrahmung der Mauertheile
in Felder, welche seit dem XVII. Jahrhundert häufig vorkömmt, soll
eine Art von Ersatz bieten, da einmal das Auge die verticale Glie-
derung nicht gerne völlig entbehrt. Das Detail unterliegt theils einer
reich barocken, theils einer wüsten und rohen, missverständlich von
der Rustica abstrahirten Bildung; auch wo es verhältnissmässig rein
bleibt, sieht man ihm die Theilnahmlosigkeit an, womit es, bloss um
seine Stelle zu markiren, gebildet wurde. An den Kranzgesimsen
tritt, während man vor demjenigen des Pal. Farnese in Rom (S. 331, d)
noch immer die grösste Verehrung zu empfinden vorgab, eine er-
staunliche Willkür zu Tage, indem Jeder neu sein wollte. — Eine
wirkliche Neuerung waren, beiläufig gesagt, die grossen Portale;
die Zeit des Reitens begann der Zeit des Fahrens Platz zu machen.
— Der einzige mögliche Werth der Gebäude liegt natürlich nur in
den Proportionen.

a

Die beste römische Fassade dieser Zeit ist die des Pal. Sciarra,
von Flaminio Ponzio, vermöge der einfachen aber nachdrücklichen
Detailbildung und der reinen Verhältnisse der Fenster zur Mauermasse,
sowie der Stockwerke unter sich. Durch grossartige Behandlung des
Mittelbaues in drei Ordnungen mit offenen Bogenhallen zeichnet sich
bPal. Barberini aus (von Maderna und Bernini). Die Fassade des
dQuirinals gegen den Platz (von Ponzio) zeigt wenigstens eine gross-
artige, noble Vertheilung der Fenster.

Der berühmte Domenico Fontana ist gerade in dieser Be-
ziehung niemals recht glücklich; seine Fenster stehen entweder zu

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[392/0414] Der Barockstyl. Im Allgemeinen haben diejenigen ohne Pilasterbekleidung das Übergewicht; bei der bedeutenden Grösse und Höhe der Gebäude war es aus ökonomischen und baulichen Gründen gerathen, darauf zu verzichten; auch waren die Pilasterordnungen nicht leicht in Einklang zu bringen mit den Fenstern der kleinen Zwischenstockwerke (Mez- zaninen), welche zur Zeit der Renaissance entweder halb verhehlt, d. h. in die Friese verwiesen, oder doch ganz anspruchlos angebracht wur- den, jetzt dagegen sich einer gewissen Grösse und Ausschmückung erfreuen sollten, sodass das Mezzanin ein eigenes Stockwerk wird. Paläste mit Einer Ordnung, wie die Nachfolger Palladio’s sie ent- warfen, passten z. B. für die pompliebenden römischen Fürstenfamilien nicht mehr. Die unschöne und leblose Einrahmung der Mauertheile in Felder, welche seit dem XVII. Jahrhundert häufig vorkömmt, soll eine Art von Ersatz bieten, da einmal das Auge die verticale Glie- derung nicht gerne völlig entbehrt. Das Detail unterliegt theils einer reich barocken, theils einer wüsten und rohen, missverständlich von der Rustica abstrahirten Bildung; auch wo es verhältnissmässig rein bleibt, sieht man ihm die Theilnahmlosigkeit an, womit es, bloss um seine Stelle zu markiren, gebildet wurde. An den Kranzgesimsen tritt, während man vor demjenigen des Pal. Farnese in Rom (S. 331, d) noch immer die grösste Verehrung zu empfinden vorgab, eine er- staunliche Willkür zu Tage, indem Jeder neu sein wollte. — Eine wirkliche Neuerung waren, beiläufig gesagt, die grossen Portale; die Zeit des Reitens begann der Zeit des Fahrens Platz zu machen. — Der einzige mögliche Werth der Gebäude liegt natürlich nur in den Proportionen. Die beste römische Fassade dieser Zeit ist die des Pal. Sciarra, von Flaminio Ponzio, vermöge der einfachen aber nachdrücklichen Detailbildung und der reinen Verhältnisse der Fenster zur Mauermasse, sowie der Stockwerke unter sich. Durch grossartige Behandlung des Mittelbaues in drei Ordnungen mit offenen Bogenhallen zeichnet sich Pal. Barberini aus (von Maderna und Bernini). Die Fassade des Quirinals gegen den Platz (von Ponzio) zeigt wenigstens eine gross- artige, noble Vertheilung der Fenster. b d Der berühmte Domenico Fontana ist gerade in dieser Be- ziehung niemals recht glücklich; seine Fenster stehen entweder zu

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/414>, abgerufen am 18.12.2024.