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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Hochrenaissance. Peruzzi.
dene und elegante Pilasterhof steht etwa zwischen Giulio Romano und
Peruzzi in der Mitte.

a

Wenn in Bologna die grossartige Fassade des Palazzo Albergati
von Peruzzi ist, so muss ihm irgend einer der bolognesischen Deco-
ratoren das Erdgeschoss verdorben haben. Die Fenster, auf einfach
derbe viereckige Einfassung berechnet, bilden mit ihrem jetzigen nied-
lichen Rahmen von Cannelüren, Consolen u. s. w. keinen echten Ge-
gensatz mehr zu den gewaltigen Fenstern des Obergeschosses. Auch
die Thüren und der Sims über dem Sockel sind Peruzzi's unwürdig.
b-- Die Fassade des Pal. Fioresi, mit ihren dünnen Säulchen unten
vor den Pfeilern, oben vor der Wand, ist bestimmt nicht von ihm
entworfen, sondern eine rechte Frührenaissanceform. (Das Innere viel
später, übrigens gut disponirt, besonders die Treppe.)


c

Hieher ist auch am ehesten Pal. Spada einzureihen, dessen Ur-
heber (um 1540) nicht genannt wird. Dieses eigenthümliche Gebäude
muss uns ein verlorenes ähnlicher Art ersetzen, nämlich das Haus,
welches Rafael nach seinem oder Bramante's Entwurf für sich selbst
im Borgo unweit S. Peter erbaute. Pal. Spada erscheint nach Allem
zu urtheilen, wie eine Copie davon. Es ist ein geistvoller Versuch,
ein architektonisches Gefühl durch die Sculptur, durch Statuen in
Nischen, und freibewegten vegetabilischen Schmuck, nämlich Frucht-
schnüre von Genien getragen etc. auszudrücken. (Wenn ich nicht
irre, so kam die Idee von ähnlich bemalten Fassaden, S. 293, her
und ist als Übertragung dieser zu betrachten.) Am Pal. Spada ist
das Erdgeschoss als ruhige Basis behandelt, aussen Rustica, innen
eine schöne dorische Pfeilerhalle; erst die obern Stockwerke entwickeln
aussen und innen jene plastische Pracht. Der Executant war, wie ge-
sagt, ein Lombarde, Giulio Mazzoni 1).

d

(In der Nähe, gegen Ponte Sisto zu, zwei gute einfache Renais-
sancehäuser.)


1) *Casa Crivelli, Via S. Lucia, ist nur ein sehr geringes Specimen dieser
Gattung. -- S. unten, S. 316, e, die Villa Pia.

Hochrenaissance. Peruzzi.
dene und elegante Pilasterhof steht etwa zwischen Giulio Romano und
Peruzzi in der Mitte.

a

Wenn in Bologna die grossartige Fassade des Palazzo Albergati
von Peruzzi ist, so muss ihm irgend einer der bolognesischen Deco-
ratoren das Erdgeschoss verdorben haben. Die Fenster, auf einfach
derbe viereckige Einfassung berechnet, bilden mit ihrem jetzigen nied-
lichen Rahmen von Cannelüren, Consolen u. s. w. keinen echten Ge-
gensatz mehr zu den gewaltigen Fenstern des Obergeschosses. Auch
die Thüren und der Sims über dem Sockel sind Peruzzi’s unwürdig.
b— Die Fassade des Pal. Fioresi, mit ihren dünnen Säulchen unten
vor den Pfeilern, oben vor der Wand, ist bestimmt nicht von ihm
entworfen, sondern eine rechte Frührenaissanceform. (Das Innere viel
später, übrigens gut disponirt, besonders die Treppe.)


c

Hieher ist auch am ehesten Pal. Spada einzureihen, dessen Ur-
heber (um 1540) nicht genannt wird. Dieses eigenthümliche Gebäude
muss uns ein verlorenes ähnlicher Art ersetzen, nämlich das Haus,
welches Rafael nach seinem oder Bramante’s Entwurf für sich selbst
im Borgo unweit S. Peter erbaute. Pal. Spada erscheint nach Allem
zu urtheilen, wie eine Copie davon. Es ist ein geistvoller Versuch,
ein architektonisches Gefühl durch die Sculptur, durch Statuen in
Nischen, und freibewegten vegetabilischen Schmuck, nämlich Frucht-
schnüre von Genien getragen etc. auszudrücken. (Wenn ich nicht
irre, so kam die Idee von ähnlich bemalten Fassaden, S. 293, her
und ist als Übertragung dieser zu betrachten.) Am Pal. Spada ist
das Erdgeschoss als ruhige Basis behandelt, aussen Rustica, innen
eine schöne dorische Pfeilerhalle; erst die obern Stockwerke entwickeln
aussen und innen jene plastische Pracht. Der Executant war, wie ge-
sagt, ein Lombarde, Giulio Mazzoni 1).

d

(In der Nähe, gegen Ponte Sisto zu, zwei gute einfache Renais-
sancehäuser.)


1) *Casa Crivelli, Via S. Lucia, ist nur ein sehr geringes Specimen dieser
Gattung. — S. unten, S. 316, e, die Villa Pia.
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[314/0336] Hochrenaissance. Peruzzi. dene und elegante Pilasterhof steht etwa zwischen Giulio Romano und Peruzzi in der Mitte. Wenn in Bologna die grossartige Fassade des Palazzo Albergati von Peruzzi ist, so muss ihm irgend einer der bolognesischen Deco- ratoren das Erdgeschoss verdorben haben. Die Fenster, auf einfach derbe viereckige Einfassung berechnet, bilden mit ihrem jetzigen nied- lichen Rahmen von Cannelüren, Consolen u. s. w. keinen echten Ge- gensatz mehr zu den gewaltigen Fenstern des Obergeschosses. Auch die Thüren und der Sims über dem Sockel sind Peruzzi’s unwürdig. — Die Fassade des Pal. Fioresi, mit ihren dünnen Säulchen unten vor den Pfeilern, oben vor der Wand, ist bestimmt nicht von ihm entworfen, sondern eine rechte Frührenaissanceform. (Das Innere viel später, übrigens gut disponirt, besonders die Treppe.) b Hieher ist auch am ehesten Pal. Spada einzureihen, dessen Ur- heber (um 1540) nicht genannt wird. Dieses eigenthümliche Gebäude muss uns ein verlorenes ähnlicher Art ersetzen, nämlich das Haus, welches Rafael nach seinem oder Bramante’s Entwurf für sich selbst im Borgo unweit S. Peter erbaute. Pal. Spada erscheint nach Allem zu urtheilen, wie eine Copie davon. Es ist ein geistvoller Versuch, ein architektonisches Gefühl durch die Sculptur, durch Statuen in Nischen, und freibewegten vegetabilischen Schmuck, nämlich Frucht- schnüre von Genien getragen etc. auszudrücken. (Wenn ich nicht irre, so kam die Idee von ähnlich bemalten Fassaden, S. 293, her und ist als Übertragung dieser zu betrachten.) Am Pal. Spada ist das Erdgeschoss als ruhige Basis behandelt, aussen Rustica, innen eine schöne dorische Pfeilerhalle; erst die obern Stockwerke entwickeln aussen und innen jene plastische Pracht. Der Executant war, wie ge- sagt, ein Lombarde, Giulio Mazzoni 1). (In der Nähe, gegen Ponte Sisto zu, zwei gute einfache Renais- sancehäuser.) 1) Casa Crivelli, Via S. Lucia, ist nur ein sehr geringes Specimen dieser Gattung. — S. unten, S. 316, e, die Villa Pia.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/336>, abgerufen am 18.05.2024.