Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Renaissance-Decoration. Fassadenmalerei.
den Figuren illusionsmässig zu beleben. Hans Holbein, der dieses
Ziel mehr als einmal verfolgte, muss die Anregung dazu anderswoher
empfangen haben.

a

Der Palazzo del consiglio, erbaut von Fra Giocondo da Verona,
hat an den freien Mauerflächen nur gemalte Ornamente, diese aber
durchgängig 1).

Gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts hin gewinnt die Gattung
eine neue Ausdehnung und einen fast ausschliesslich mythologischen
Inhalt; die einfarbige Darstellung, und zwar nach Stockwerken und
Abtheilungen in den Tönen wechselnd (grün, roth, grau, violett, gold-
braun etc.), beginnt entschieden vorzuherrschen. Allerdings büssten
die venezianisch geschulten Maler hiebei einen ihrer besten Vortheile
ein, ohne dass ein Ersatz eingetreten wäre durch jene höhere classi-
sche Auffassung, wie sie etwa in Polidoro's Niobidenfries lebt. Allein
je nach der Begabung des Einzelnen kam es doch zu sehr bemerkens-
werthen Schöpfungen.

Unter diesen ist vorzüglich die Bemalung zu nennen, womit Do-
bmenico Brusasorci den Pal. Murari della Corte völlig be-
deckte. (N. 4684, jenseits Ponte nuovo.) Die Strassenseite enthält
in farbigen, die Fluss- und Rückseite in einfarbigen Bildern und
Friesen eine ganze Mythologie, die Geschichten der Psyche, die
Centauren- und Lapithenkämpfe, die Hochzeit des Seegottes Benacus
(Lago di Garda) mit einer Nymphe, Tritonenzüge etc.; von Histori-
schem den Triumph des Paulus Aemilius und die Gestalten berühmter
Veroneser. -- Ausserdem gehört zum Bessern: die Bemalung von N.
1878, Opfer und Waffenweihe, von Torbido: -- N. 5502, Allegorisches
und eine Scene aus Dante, von Farinati; -- N. 5030, Casa Murari
bei SS. Nazario e Celso, mit umständlichen mythologischen Malereien
und farbigen Friesfiguren, von Canerio und Farinati; -- N. 1579 grosse

1) Bei diesem Anlass nennen wir einige Häuser, an welchen nur noch die Haupt-
*bilder erhalten sind: N. 2987 auf Piazza Bra: Madonna von Monsignori; --
N. 2988: Madonna von Caroto; -- N. 5522 jenseits Ponte delle navi: Ma-
donna mit Heiligen, Hauptwerk von Franc. Morone; -- N. 4562: der Ge-
kreuzigte mit Gottvater zwischen zwei Heiligen, von Bart. Montagna; -- das
Haus neben N. 1140 unweit Ponte nuova: treffliche Pieta mit Heiligen. Man-
ches Gute ist dem Verfasser entgangen.

Renaissance-Decoration. Fassadenmalerei.
den Figuren illusionsmässig zu beleben. Hans Holbein, der dieses
Ziel mehr als einmal verfolgte, muss die Anregung dazu anderswoher
empfangen haben.

a

Der Palazzo del consiglio, erbaut von Fra Giocondo da Verona,
hat an den freien Mauerflächen nur gemalte Ornamente, diese aber
durchgängig 1).

Gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts hin gewinnt die Gattung
eine neue Ausdehnung und einen fast ausschliesslich mythologischen
Inhalt; die einfarbige Darstellung, und zwar nach Stockwerken und
Abtheilungen in den Tönen wechselnd (grün, roth, grau, violett, gold-
braun etc.), beginnt entschieden vorzuherrschen. Allerdings büssten
die venezianisch geschulten Maler hiebei einen ihrer besten Vortheile
ein, ohne dass ein Ersatz eingetreten wäre durch jene höhere classi-
sche Auffassung, wie sie etwa in Polidoro’s Niobidenfries lebt. Allein
je nach der Begabung des Einzelnen kam es doch zu sehr bemerkens-
werthen Schöpfungen.

Unter diesen ist vorzüglich die Bemalung zu nennen, womit Do-
bmenico Brusasorci den Pal. Murari della Corte völlig be-
deckte. (N. 4684, jenseits Ponte nuovo.) Die Strassenseite enthält
in farbigen, die Fluss- und Rückseite in einfarbigen Bildern und
Friesen eine ganze Mythologie, die Geschichten der Psyche, die
Centauren- und Lapithenkämpfe, die Hochzeit des Seegottes Benacus
(Lago di Garda) mit einer Nymphe, Tritonenzüge etc.; von Histori-
schem den Triumph des Paulus Aemilius und die Gestalten berühmter
Veroneser. — Ausserdem gehört zum Bessern: die Bemalung von N.
1878, Opfer und Waffenweihe, von Torbido: — N. 5502, Allegorisches
und eine Scene aus Dante, von Farinati; — N. 5030, Casa Murari
bei SS. Nazario e Celso, mit umständlichen mythologischen Malereien
und farbigen Friesfiguren, von Canerio und Farinati; — N. 1579 grosse

1) Bei diesem Anlass nennen wir einige Häuser, an welchen nur noch die Haupt-
*bilder erhalten sind: N. 2987 auf Piazza Brà: Madonna von Monsignori; —
N. 2988: Madonna von Caroto; — N. 5522 jenseits Ponte delle navi: Ma-
donna mit Heiligen, Hauptwerk von Franc. Morone; — N. 4562: der Ge-
kreuzigte mit Gottvater zwischen zwei Heiligen, von Bart. Montagna; — das
Haus neben N. 1140 unweit Ponte nuova: treffliche Pietà mit Heiligen. Man-
ches Gute ist dem Verfasser entgangen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0320" n="298"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Renaissance-Decoration. Fassadenmalerei.</hi></fw><lb/>
den Figuren illusionsmässig zu beleben. Hans Holbein, der dieses<lb/>
Ziel mehr als einmal verfolgte, muss die Anregung dazu anderswoher<lb/>
empfangen haben.</p><lb/>
        <note place="left">a</note>
        <p>Der Palazzo del consiglio, erbaut von Fra Giocondo da Verona,<lb/>
hat an den freien Mauerflächen nur gemalte Ornamente, diese aber<lb/>
durchgängig <note place="foot" n="1)">Bei diesem Anlass nennen wir einige Häuser, an welchen nur noch die Haupt-<lb/><note place="left">*</note>bilder erhalten sind: N. 2987 auf Piazza Brà: Madonna von Monsignori; &#x2014;<lb/>
N. 2988: Madonna von Caroto; &#x2014; N. 5522 jenseits Ponte delle navi: Ma-<lb/>
donna mit Heiligen, Hauptwerk von Franc. Morone; &#x2014; N. 4562: der Ge-<lb/>
kreuzigte mit Gottvater zwischen zwei Heiligen, von Bart. Montagna; &#x2014; das<lb/>
Haus neben N. 1140 unweit Ponte nuova: treffliche Pietà mit Heiligen. Man-<lb/>
ches Gute ist dem Verfasser entgangen.</note>.</p><lb/>
        <p>Gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts hin gewinnt die Gattung<lb/>
eine neue Ausdehnung und einen fast ausschliesslich mythologischen<lb/>
Inhalt; die einfarbige Darstellung, und zwar nach Stockwerken und<lb/>
Abtheilungen in den Tönen wechselnd (grün, roth, grau, violett, gold-<lb/>
braun etc.), beginnt entschieden vorzuherrschen. Allerdings büssten<lb/>
die venezianisch geschulten Maler hiebei einen ihrer besten Vortheile<lb/>
ein, ohne dass ein Ersatz eingetreten wäre durch jene höhere classi-<lb/>
sche Auffassung, wie sie etwa in Polidoro&#x2019;s Niobidenfries lebt. Allein<lb/>
je nach der Begabung des Einzelnen kam es doch zu sehr bemerkens-<lb/>
werthen Schöpfungen.</p><lb/>
        <p>Unter diesen ist vorzüglich die Bemalung zu nennen, womit Do-<lb/><note place="left">b</note>menico <hi rendition="#g">Brusasorci</hi> den <hi rendition="#g">Pal. Murari della Corte</hi> völlig be-<lb/>
deckte. (N. 4684, jenseits Ponte nuovo.) Die Strassenseite enthält<lb/>
in farbigen, die Fluss- und Rückseite in einfarbigen Bildern und<lb/>
Friesen eine ganze Mythologie, die Geschichten der Psyche, die<lb/>
Centauren- und Lapithenkämpfe, die Hochzeit des Seegottes Benacus<lb/>
(Lago di Garda) mit einer Nymphe, Tritonenzüge etc.; von Histori-<lb/>
schem den Triumph des Paulus Aemilius und die Gestalten berühmter<lb/>
Veroneser. &#x2014; Ausserdem gehört zum Bessern: die Bemalung von N.<lb/>
1878, Opfer und Waffenweihe, von Torbido: &#x2014; N. 5502, Allegorisches<lb/>
und eine Scene aus Dante, von Farinati; &#x2014; N. 5030, <hi rendition="#g">Casa Murari</hi><lb/>
bei SS. Nazario e Celso, mit umständlichen mythologischen Malereien<lb/>
und farbigen Friesfiguren, von Canerio und Farinati; &#x2014; N. 1579 grosse<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0320] Renaissance-Decoration. Fassadenmalerei. den Figuren illusionsmässig zu beleben. Hans Holbein, der dieses Ziel mehr als einmal verfolgte, muss die Anregung dazu anderswoher empfangen haben. Der Palazzo del consiglio, erbaut von Fra Giocondo da Verona, hat an den freien Mauerflächen nur gemalte Ornamente, diese aber durchgängig 1). Gegen die Mitte des XVI. Jahrhunderts hin gewinnt die Gattung eine neue Ausdehnung und einen fast ausschliesslich mythologischen Inhalt; die einfarbige Darstellung, und zwar nach Stockwerken und Abtheilungen in den Tönen wechselnd (grün, roth, grau, violett, gold- braun etc.), beginnt entschieden vorzuherrschen. Allerdings büssten die venezianisch geschulten Maler hiebei einen ihrer besten Vortheile ein, ohne dass ein Ersatz eingetreten wäre durch jene höhere classi- sche Auffassung, wie sie etwa in Polidoro’s Niobidenfries lebt. Allein je nach der Begabung des Einzelnen kam es doch zu sehr bemerkens- werthen Schöpfungen. Unter diesen ist vorzüglich die Bemalung zu nennen, womit Do- menico Brusasorci den Pal. Murari della Corte völlig be- deckte. (N. 4684, jenseits Ponte nuovo.) Die Strassenseite enthält in farbigen, die Fluss- und Rückseite in einfarbigen Bildern und Friesen eine ganze Mythologie, die Geschichten der Psyche, die Centauren- und Lapithenkämpfe, die Hochzeit des Seegottes Benacus (Lago di Garda) mit einer Nymphe, Tritonenzüge etc.; von Histori- schem den Triumph des Paulus Aemilius und die Gestalten berühmter Veroneser. — Ausserdem gehört zum Bessern: die Bemalung von N. 1878, Opfer und Waffenweihe, von Torbido: — N. 5502, Allegorisches und eine Scene aus Dante, von Farinati; — N. 5030, Casa Murari bei SS. Nazario e Celso, mit umständlichen mythologischen Malereien und farbigen Friesfiguren, von Canerio und Farinati; — N. 1579 grosse b 1) Bei diesem Anlass nennen wir einige Häuser, an welchen nur noch die Haupt- bilder erhalten sind: N. 2987 auf Piazza Brà: Madonna von Monsignori; — N. 2988: Madonna von Caroto; — N. 5522 jenseits Ponte delle navi: Ma- donna mit Heiligen, Hauptwerk von Franc. Morone; — N. 4562: der Ge- kreuzigte mit Gottvater zwischen zwei Heiligen, von Bart. Montagna; — das Haus neben N. 1140 unweit Ponte nuova: treffliche Pietà mit Heiligen. Man- ches Gute ist dem Verfasser entgangen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/320
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/320>, abgerufen am 20.12.2024.