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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Decorirende Malerei. Mantegna.
landajo's gemalte Ornamente in der Sala de' Gigli und in der Cap.a
S. Bernardo des Palazzo vecchio sind in dieser Art mittelmässig, zu-
mal die letztern, wo die figurirten und die ornamentirten Felder
einander ganz gleichartig sind (Grau auf Gold). -- Besonders zierlich
und mit grosser Absicht behandelt sind die Einfassungen der Freskenb
A. Aspertini's in S. Frediano zu Lucca (links).


Es ist schwer, in dieser Gattung die Grenzen der Decoration scharf
zu bestimmen. Neben der bloss einfassenden Arabeskenmalerei tritt, wie
man sieht, hauptsächlich an den Gewölben eine decorirende Ma-
lerei auf, deren Inhalt, abgesehen von einzelnen örtlichen oder all-
gemein symbolischen Beziehungen, ein wesentlich freier ist. Der
kirchliche Bilderkreis nämlich, welche sich zur Zeit der Giottes-
ken auch über die Gewölbe erstreckt hatte, verliert seinen Allein-
werth; neutrale, bloss für das Auge angenehme Figuren und Scenen,
Reminiscenzen aus der alten Mythe und Geschichte nehmen selbst an
geweihter Stätte seine Stelle wenigstens theilsweise ein. Es ist das
Wesen der Renaissance, dem Schönen, Lebendigen und Charakter-
vollen, auch wenn es beziehunglos ist, den Vorzug zu geben.


Beträchtlich grösser als in Mittelitalien war der Aufschwung der
gemalten Decoration in Oberitalien, dessen Backsteinbau gewisser-
massen darauf als auf einen Ersatz für die mangelnden Quader an-
gewiesen war (Seite 204). Zudem hatte hier die am meisten deco-
rativ gesinnte Schule, die von Padua ihren Sitz. Erhalten ist wenigeres
als man erwarten möchte, doch wenigstens Ein wichtigstes und um-
fassendes Beispiel.

Der grosse Andrea Mantegna, als er in den Eremitani zuc
Padua eine gothische Capelle von der gewöhnlichen Form (eines Qua-
drates und eines polygonen Ausbaues) mit den Geschichten der Heili-
gen Jacobus und Christophorus auszmalen hatte, gab auch den ein-
fassenden und bloss baulichen Theilen einen Schmuck, der in der
Art dieser Zeit classisch heissen kann. Die je sechs Bilder der beiden
Seitenwände erhielten zunächst gemalte Rahmen grau in grau mit

Decorirende Malerei. Mantegna.
landajo’s gemalte Ornamente in der Sala de’ Gigli und in der Cap.a
S. Bernardo des Palazzo vecchio sind in dieser Art mittelmässig, zu-
mal die letztern, wo die figurirten und die ornamentirten Felder
einander ganz gleichartig sind (Grau auf Gold). — Besonders zierlich
und mit grosser Absicht behandelt sind die Einfassungen der Freskenb
A. Aspertini’s in S. Frediano zu Lucca (links).


Es ist schwer, in dieser Gattung die Grenzen der Decoration scharf
zu bestimmen. Neben der bloss einfassenden Arabeskenmalerei tritt, wie
man sieht, hauptsächlich an den Gewölben eine decorirende Ma-
lerei auf, deren Inhalt, abgesehen von einzelnen örtlichen oder all-
gemein symbolischen Beziehungen, ein wesentlich freier ist. Der
kirchliche Bilderkreis nämlich, welche sich zur Zeit der Giottes-
ken auch über die Gewölbe erstreckt hatte, verliert seinen Allein-
werth; neutrale, bloss für das Auge angenehme Figuren und Scenen,
Reminiscenzen aus der alten Mythe und Geschichte nehmen selbst an
geweihter Stätte seine Stelle wenigstens theilsweise ein. Es ist das
Wesen der Renaissance, dem Schönen, Lebendigen und Charakter-
vollen, auch wenn es beziehunglos ist, den Vorzug zu geben.


Beträchtlich grösser als in Mittelitalien war der Aufschwung der
gemalten Decoration in Oberitalien, dessen Backsteinbau gewisser-
massen darauf als auf einen Ersatz für die mangelnden Quader an-
gewiesen war (Seite 204). Zudem hatte hier die am meisten deco-
rativ gesinnte Schule, die von Padua ihren Sitz. Erhalten ist wenigeres
als man erwarten möchte, doch wenigstens Ein wichtigstes und um-
fassendes Beispiel.

Der grosse Andrea Mantegna, als er in den Eremitani zuc
Padua eine gothische Capelle von der gewöhnlichen Form (eines Qua-
drates und eines polygonen Ausbaues) mit den Geschichten der Heili-
gen Jacobus und Christophorus auszmalen hatte, gab auch den ein-
fassenden und bloss baulichen Theilen einen Schmuck, der in der
Art dieser Zeit classisch heissen kann. Die je sechs Bilder der beiden
Seitenwände erhielten zunächst gemalte Rahmen grau in grau mit

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[279/0301] Decorirende Malerei. Mantegna. landajo’s gemalte Ornamente in der Sala de’ Gigli und in der Cap. S. Bernardo des Palazzo vecchio sind in dieser Art mittelmässig, zu- mal die letztern, wo die figurirten und die ornamentirten Felder einander ganz gleichartig sind (Grau auf Gold). — Besonders zierlich und mit grosser Absicht behandelt sind die Einfassungen der Fresken A. Aspertini’s in S. Frediano zu Lucca (links). a b Es ist schwer, in dieser Gattung die Grenzen der Decoration scharf zu bestimmen. Neben der bloss einfassenden Arabeskenmalerei tritt, wie man sieht, hauptsächlich an den Gewölben eine decorirende Ma- lerei auf, deren Inhalt, abgesehen von einzelnen örtlichen oder all- gemein symbolischen Beziehungen, ein wesentlich freier ist. Der kirchliche Bilderkreis nämlich, welche sich zur Zeit der Giottes- ken auch über die Gewölbe erstreckt hatte, verliert seinen Allein- werth; neutrale, bloss für das Auge angenehme Figuren und Scenen, Reminiscenzen aus der alten Mythe und Geschichte nehmen selbst an geweihter Stätte seine Stelle wenigstens theilsweise ein. Es ist das Wesen der Renaissance, dem Schönen, Lebendigen und Charakter- vollen, auch wenn es beziehunglos ist, den Vorzug zu geben. Beträchtlich grösser als in Mittelitalien war der Aufschwung der gemalten Decoration in Oberitalien, dessen Backsteinbau gewisser- massen darauf als auf einen Ersatz für die mangelnden Quader an- gewiesen war (Seite 204). Zudem hatte hier die am meisten deco- rativ gesinnte Schule, die von Padua ihren Sitz. Erhalten ist wenigeres als man erwarten möchte, doch wenigstens Ein wichtigstes und um- fassendes Beispiel. Der grosse Andrea Mantegna, als er in den Eremitani zu Padua eine gothische Capelle von der gewöhnlichen Form (eines Qua- drates und eines polygonen Ausbaues) mit den Geschichten der Heili- gen Jacobus und Christophorus auszmalen hatte, gab auch den ein- fassenden und bloss baulichen Theilen einen Schmuck, der in der Art dieser Zeit classisch heissen kann. Die je sechs Bilder der beiden Seitenwände erhielten zunächst gemalte Rahmen grau in grau mit c

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/301>, abgerufen am 18.05.2024.