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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Christliche Architektur. Baptisterien.
chen die damalige Kirche mit dem erlöschenden Glanz heidnischer
Tempel und Weihehäuser wetteifern musste.

a

Das Baptisterium der Orthodoxen beim Dom zu Ravenna
(begonnen vor 396) im Vollbesitz seiner Wandbekleidung und Mosai-
ken (diese vor 430), welche für das Ornament des V. Jahrhunderts
das wichtigste Denkmal sind; das letzte kenntliche Echo der pompe-
janischen Decoration; die Flächen mit erhabenen Stuccogegenständen
abwechselnd; das Gefühl vom Zusammenklang der Farben scheint das
der schönen und freien Bildung und Eintheilung der Zierformen zu
überleben. Zur Einfassung dient eine untere und eine obere Reihe
von acht Wandbögen mit Ecksäulen (Composita und ionisch); oben
geht das Gebäude zu einer runden und ziemlich flachen Kuppel zu-
zusammen.

b

Das Baptisterium der Arianer in Ravenna (jetzt S. Maria in
Cosmedin) VI. Jahrhundert; Achteck mit (später?) angebautem Schiff,
baulich unbedeutend.

c

Beim sog. "alten Dom" zu Brescia kann man in Zweifel bleiben,
ob das ziemlich grosse Gebäude als blosses Baptisterium oder als Ca-
thedrale erbaut worden; im erstern Fall wäre es die grösste Taufkirche.
Kuppelraum auf acht (modernisirten) Pfeilern mit rundem Umgang;
letzterer bedeckt mit acht Kreuzgewölben; zwischen je zweien dersel-
ben das Segment eines Tonnengewölbes, gegen die Kuppel hin anstei-
gend und daher eine dunkle Ecke bildend. Ein Nothbehelf, der (wie
Aehnliches im Dom von Aachen) die Anlage jedenfalls dem frühen
Mittelalter zuweist. Cylinder und Kuppel aus dem XII. Jahrhundert,
wenigstens was die jetzige Gestalt des Äussern betrifft. Der sehr son-
derbare hintere Anbau, welcher als Chor mit Nebencapellen dient,
könnte wiederum ganz alt sein.

(Üeber Neapel und Triest s. oben.)

Fast bei jeder bischöflichen Kirche und an mancher grossen Pfarre
in kleinern Städten wird irgend ein Bau dieser Art unter veränderter
Gestalt und Bestimmung, oder in Trümmern, oder doch in Nachrichten
nachzuweisen sein; mehrmals auch noch wohl erhalten und im Ge-
brauch. Noch im XI. und XII. Jahrhundert wurden Baptisterien neu
gebaut, später dagegen die Taufen in die Kirchen selbst verlegt. Bei
grossen Umbauten der Kirchen ging das Baptisterium, wenn es zu

Christliche Architektur. Baptisterien.
chen die damalige Kirche mit dem erlöschenden Glanz heidnischer
Tempel und Weihehäuser wetteifern musste.

a

Das Baptisterium der Orthodoxen beim Dom zu Ravenna
(begonnen vor 396) im Vollbesitz seiner Wandbekleidung und Mosai-
ken (diese vor 430), welche für das Ornament des V. Jahrhunderts
das wichtigste Denkmal sind; das letzte kenntliche Echo der pompe-
janischen Decoration; die Flächen mit erhabenen Stuccogegenständen
abwechselnd; das Gefühl vom Zusammenklang der Farben scheint das
der schönen und freien Bildung und Eintheilung der Zierformen zu
überleben. Zur Einfassung dient eine untere und eine obere Reihe
von acht Wandbögen mit Ecksäulen (Composita und ionisch); oben
geht das Gebäude zu einer runden und ziemlich flachen Kuppel zu-
zusammen.

b

Das Baptisterium der Arianer in Ravenna (jetzt S. Maria in
Cosmedin) VI. Jahrhundert; Achteck mit (später?) angebautem Schiff,
baulich unbedeutend.

c

Beim sog. „alten Dom“ zu Brescia kann man in Zweifel bleiben,
ob das ziemlich grosse Gebäude als blosses Baptisterium oder als Ca-
thedrale erbaut worden; im erstern Fall wäre es die grösste Taufkirche.
Kuppelraum auf acht (modernisirten) Pfeilern mit rundem Umgang;
letzterer bedeckt mit acht Kreuzgewölben; zwischen je zweien dersel-
ben das Segment eines Tonnengewölbes, gegen die Kuppel hin anstei-
gend und daher eine dunkle Ecke bildend. Ein Nothbehelf, der (wie
Aehnliches im Dom von Aachen) die Anlage jedenfalls dem frühen
Mittelalter zuweist. Cylinder und Kuppel aus dem XII. Jahrhundert,
wenigstens was die jetzige Gestalt des Äussern betrifft. Der sehr son-
derbare hintere Anbau, welcher als Chor mit Nebencapellen dient,
könnte wiederum ganz alt sein.

(Üeber Neapel und Triest s. oben.)

Fast bei jeder bischöflichen Kirche und an mancher grossen Pfarre
in kleinern Städten wird irgend ein Bau dieser Art unter veränderter
Gestalt und Bestimmung, oder in Trümmern, oder doch in Nachrichten
nachzuweisen sein; mehrmals auch noch wohl erhalten und im Ge-
brauch. Noch im XI. und XII. Jahrhundert wurden Baptisterien neu
gebaut, später dagegen die Taufen in die Kirchen selbst verlegt. Bei
grossen Umbauten der Kirchen ging das Baptisterium, wenn es zu

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[90/0112] Christliche Architektur. Baptisterien. chen die damalige Kirche mit dem erlöschenden Glanz heidnischer Tempel und Weihehäuser wetteifern musste. Das Baptisterium der Orthodoxen beim Dom zu Ravenna (begonnen vor 396) im Vollbesitz seiner Wandbekleidung und Mosai- ken (diese vor 430), welche für das Ornament des V. Jahrhunderts das wichtigste Denkmal sind; das letzte kenntliche Echo der pompe- janischen Decoration; die Flächen mit erhabenen Stuccogegenständen abwechselnd; das Gefühl vom Zusammenklang der Farben scheint das der schönen und freien Bildung und Eintheilung der Zierformen zu überleben. Zur Einfassung dient eine untere und eine obere Reihe von acht Wandbögen mit Ecksäulen (Composita und ionisch); oben geht das Gebäude zu einer runden und ziemlich flachen Kuppel zu- zusammen. Das Baptisterium der Arianer in Ravenna (jetzt S. Maria in Cosmedin) VI. Jahrhundert; Achteck mit (später?) angebautem Schiff, baulich unbedeutend. Beim sog. „alten Dom“ zu Brescia kann man in Zweifel bleiben, ob das ziemlich grosse Gebäude als blosses Baptisterium oder als Ca- thedrale erbaut worden; im erstern Fall wäre es die grösste Taufkirche. Kuppelraum auf acht (modernisirten) Pfeilern mit rundem Umgang; letzterer bedeckt mit acht Kreuzgewölben; zwischen je zweien dersel- ben das Segment eines Tonnengewölbes, gegen die Kuppel hin anstei- gend und daher eine dunkle Ecke bildend. Ein Nothbehelf, der (wie Aehnliches im Dom von Aachen) die Anlage jedenfalls dem frühen Mittelalter zuweist. Cylinder und Kuppel aus dem XII. Jahrhundert, wenigstens was die jetzige Gestalt des Äussern betrifft. Der sehr son- derbare hintere Anbau, welcher als Chor mit Nebencapellen dient, könnte wiederum ganz alt sein. (Üeber Neapel und Triest s. oben.) Fast bei jeder bischöflichen Kirche und an mancher grossen Pfarre in kleinern Städten wird irgend ein Bau dieser Art unter veränderter Gestalt und Bestimmung, oder in Trümmern, oder doch in Nachrichten nachzuweisen sein; mehrmals auch noch wohl erhalten und im Ge- brauch. Noch im XI. und XII. Jahrhundert wurden Baptisterien neu gebaut, später dagegen die Taufen in die Kirchen selbst verlegt. Bei grossen Umbauten der Kirchen ging das Baptisterium, wenn es zu

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/112>, abgerufen am 29.11.2024.