bestehen die grosse Probe, ob eine Landschaft bloss durch Linien und Hauptformen, ohne den Reiz leuchtender Farben und Details existiren akönne. -- Im Pal. Corsini zu Rom: unter mehrern kaum minder treff- lichen: der Sturm, und: der Wasserfall, letzteres Bild durch unglück- liches Nachdunkeln, zumal des Grünen, sehr benachtheiligt, wie noch bviele andere Bilder Gaspero's. -- In der Academia di S. Luca: meh- crere treffliche Bilder. -- Im Pal. Pitti: vier köstliche kleine Bilder, dwelche vorherrschend klar geblieben sind; -- in den Uffizien: eine kleine Waldlandschaft.
Derjenige Typus, welchen Annibale vorgebildet, die beiden Pous- sin ausgebildet hatten, blieb nun lange Zeit in der Malerei der herr- schende, sodass die Holländer mit ihrer mehr realistischen Land- schaft im Ganzen eine (allerdings glorreiche!) Minorität bildeten. Er stellt eine unbenützte Natur dar, in welcher die Spuren der Men- schenhand nur als Bauwerke, hauptsächlich als Ruinen der Vor- welt, auch als einfache Hütten zum Vorschein kommen. Das Men- schengeschlecht, das wir darin voraussetzen oder auch wohl dargestellt finden, gehört entweder der alten Fabelwelt oder der heiligen Ge- schichte oder dem Hirtenleben an; der Eindruck im Ganzen ist daher ein heroisch-pastoraler.
Seine höchste Verklärung erhielt dieser Typus durch den Zeit- genossen der Poussin, Claude Gelee, genannt Lorrain (1600 bis 1682). Er war längere Zeit der Gehülfe des Agostino Tassi, eines eMitstrebenden des Paul Bril (Werke Tassi's im Pal. Corsini zu Rom, fin den Uffizien und im Pal. Pitti); seine Höhe erreichte er nach einer höchst prüfungsvollen Jugendzeit in Rom. Seine Landschaften sind im Bau weniger gewaltig als diejenigen des Gaspero, allein es liegt auf denselben ein unausprechlicher Zauber. Claude, als reingestimmte Seele, vernimmt in der Natur diejenige Stimme, welche vorzugsweise den Menschen zu trösten bestimmt ist und spricht ihre Worte nach. Wer sich in seine Werke vertieft -- schon ihre gleichmässige schöne Vollendung macht diess zu einer dankbaren Arbeit -- für den ist kein gweiteres Wort von Nöthen. -- Im Pal. Doria zu Rom: il molino (frühes Bild); der Tempel Apolls (Hauptwerk); Ruhe auf der Flucht. h(Im Pal. Rospigliosi, unsichtbar: u. a. der Tempel der Venus.) -- Im iPal. Sciarra: Reiter an einem Hafen; die Flucht nach Ägypten, bei-
Moderne Malerei.
bestehen die grosse Probe, ob eine Landschaft bloss durch Linien und Hauptformen, ohne den Reiz leuchtender Farben und Details existiren akönne. — Im Pal. Corsini zu Rom: unter mehrern kaum minder treff- lichen: der Sturm, und: der Wasserfall, letzteres Bild durch unglück- liches Nachdunkeln, zumal des Grünen, sehr benachtheiligt, wie noch bviele andere Bilder Gaspero’s. — In der Academia di S. Luca: meh- crere treffliche Bilder. — Im Pal. Pitti: vier köstliche kleine Bilder, dwelche vorherrschend klar geblieben sind; — in den Uffizien: eine kleine Waldlandschaft.
Derjenige Typus, welchen Annibale vorgebildet, die beiden Pous- sin ausgebildet hatten, blieb nun lange Zeit in der Malerei der herr- schende, sodass die Holländer mit ihrer mehr realistischen Land- schaft im Ganzen eine (allerdings glorreiche!) Minorität bildeten. Er stellt eine unbenützte Natur dar, in welcher die Spuren der Men- schenhand nur als Bauwerke, hauptsächlich als Ruinen der Vor- welt, auch als einfache Hütten zum Vorschein kommen. Das Men- schengeschlecht, das wir darin voraussetzen oder auch wohl dargestellt finden, gehört entweder der alten Fabelwelt oder der heiligen Ge- schichte oder dem Hirtenleben an; der Eindruck im Ganzen ist daher ein heroisch-pastoraler.
Seine höchste Verklärung erhielt dieser Typus durch den Zeit- genossen der Poussin, Claude Gelée, genannt Lorrain (1600 bis 1682). Er war längere Zeit der Gehülfe des Agostino Tassi, eines eMitstrebenden des Paul Bril (Werke Tassi’s im Pal. Corsini zu Rom, fin den Uffizien und im Pal. Pitti); seine Höhe erreichte er nach einer höchst prüfungsvollen Jugendzeit in Rom. Seine Landschaften sind im Bau weniger gewaltig als diejenigen des Gaspero, allein es liegt auf denselben ein unausprechlicher Zauber. Claude, als reingestimmte Seele, vernimmt in der Natur diejenige Stimme, welche vorzugsweise den Menschen zu trösten bestimmt ist und spricht ihre Worte nach. Wer sich in seine Werke vertieft — schon ihre gleichmässige schöne Vollendung macht diess zu einer dankbaren Arbeit — für den ist kein gweiteres Wort von Nöthen. — Im Pal. Doria zu Rom: il molino (frühes Bild); der Tempel Apolls (Hauptwerk); Ruhe auf der Flucht. h(Im Pal. Rospigliosi, unsichtbar: u. a. der Tempel der Venus.) — Im iPal. Sciarra: Reiter an einem Hafen; die Flucht nach Ägypten, bei-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f1076"n="1054"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Moderne Malerei.</hi></fw><lb/>
bestehen die grosse Probe, ob eine Landschaft bloss durch Linien und<lb/>
Hauptformen, ohne den Reiz leuchtender Farben und Details existiren<lb/><noteplace="left">a</note>könne. — Im Pal. Corsini zu Rom: unter mehrern kaum minder treff-<lb/>
lichen: der Sturm, und: der Wasserfall, letzteres Bild durch unglück-<lb/>
liches Nachdunkeln, zumal des Grünen, sehr benachtheiligt, wie noch<lb/><noteplace="left">b</note>viele andere Bilder Gaspero’s. — In der Academia di S. Luca: meh-<lb/><noteplace="left">c</note>rere treffliche Bilder. — Im Pal. Pitti: vier köstliche kleine Bilder,<lb/><noteplace="left">d</note>welche vorherrschend klar geblieben sind; — in den Uffizien: eine<lb/>
kleine Waldlandschaft.</p><lb/><p>Derjenige Typus, welchen Annibale vorgebildet, die beiden Pous-<lb/>
sin ausgebildet hatten, blieb nun lange Zeit in der Malerei der herr-<lb/>
schende, sodass die Holländer mit ihrer mehr realistischen Land-<lb/>
schaft im Ganzen eine (allerdings glorreiche!) Minorität bildeten. Er<lb/>
stellt eine unbenützte Natur dar, in welcher die Spuren der Men-<lb/>
schenhand nur als Bauwerke, hauptsächlich als Ruinen der Vor-<lb/>
welt, auch als einfache Hütten zum Vorschein kommen. Das Men-<lb/>
schengeschlecht, das wir darin voraussetzen oder auch wohl dargestellt<lb/>
finden, gehört entweder der alten Fabelwelt oder der heiligen Ge-<lb/>
schichte oder dem Hirtenleben an; der Eindruck im Ganzen ist daher<lb/>
ein heroisch-pastoraler.</p><lb/><p>Seine höchste Verklärung erhielt dieser Typus durch den Zeit-<lb/>
genossen der Poussin, <hirendition="#g">Claude Gelée</hi>, genannt <hirendition="#g">Lorrain</hi> (1600 bis<lb/>
1682). Er war längere Zeit der Gehülfe des Agostino Tassi, eines<lb/><noteplace="left">e</note>Mitstrebenden des Paul Bril (Werke Tassi’s im Pal. Corsini zu Rom,<lb/><noteplace="left">f</note>in den Uffizien und im Pal. Pitti); seine Höhe erreichte er nach einer<lb/>
höchst prüfungsvollen Jugendzeit in Rom. Seine Landschaften sind<lb/>
im Bau weniger gewaltig als diejenigen des Gaspero, allein es liegt<lb/>
auf denselben ein unausprechlicher Zauber. Claude, als reingestimmte<lb/>
Seele, vernimmt in der Natur diejenige Stimme, welche vorzugsweise<lb/>
den Menschen zu trösten bestimmt ist und spricht ihre Worte nach.<lb/>
Wer sich in seine Werke vertieft — schon ihre gleichmässige schöne<lb/>
Vollendung macht diess zu einer dankbaren Arbeit — für den ist kein<lb/><noteplace="left">g</note>weiteres Wort von Nöthen. — Im Pal. Doria zu Rom: il molino<lb/>
(frühes Bild); der Tempel Apolls (Hauptwerk); Ruhe auf der Flucht.<lb/><noteplace="left">h</note>(Im Pal. Rospigliosi, unsichtbar: u. a. der Tempel der Venus.) — Im<lb/><noteplace="left">i</note>Pal. Sciarra: Reiter an einem Hafen; die Flucht nach Ägypten, bei-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[1054/1076]
Moderne Malerei.
bestehen die grosse Probe, ob eine Landschaft bloss durch Linien und
Hauptformen, ohne den Reiz leuchtender Farben und Details existiren
könne. — Im Pal. Corsini zu Rom: unter mehrern kaum minder treff-
lichen: der Sturm, und: der Wasserfall, letzteres Bild durch unglück-
liches Nachdunkeln, zumal des Grünen, sehr benachtheiligt, wie noch
viele andere Bilder Gaspero’s. — In der Academia di S. Luca: meh-
rere treffliche Bilder. — Im Pal. Pitti: vier köstliche kleine Bilder,
welche vorherrschend klar geblieben sind; — in den Uffizien: eine
kleine Waldlandschaft.
a
b
c
d
Derjenige Typus, welchen Annibale vorgebildet, die beiden Pous-
sin ausgebildet hatten, blieb nun lange Zeit in der Malerei der herr-
schende, sodass die Holländer mit ihrer mehr realistischen Land-
schaft im Ganzen eine (allerdings glorreiche!) Minorität bildeten. Er
stellt eine unbenützte Natur dar, in welcher die Spuren der Men-
schenhand nur als Bauwerke, hauptsächlich als Ruinen der Vor-
welt, auch als einfache Hütten zum Vorschein kommen. Das Men-
schengeschlecht, das wir darin voraussetzen oder auch wohl dargestellt
finden, gehört entweder der alten Fabelwelt oder der heiligen Ge-
schichte oder dem Hirtenleben an; der Eindruck im Ganzen ist daher
ein heroisch-pastoraler.
Seine höchste Verklärung erhielt dieser Typus durch den Zeit-
genossen der Poussin, Claude Gelée, genannt Lorrain (1600 bis
1682). Er war längere Zeit der Gehülfe des Agostino Tassi, eines
Mitstrebenden des Paul Bril (Werke Tassi’s im Pal. Corsini zu Rom,
in den Uffizien und im Pal. Pitti); seine Höhe erreichte er nach einer
höchst prüfungsvollen Jugendzeit in Rom. Seine Landschaften sind
im Bau weniger gewaltig als diejenigen des Gaspero, allein es liegt
auf denselben ein unausprechlicher Zauber. Claude, als reingestimmte
Seele, vernimmt in der Natur diejenige Stimme, welche vorzugsweise
den Menschen zu trösten bestimmt ist und spricht ihre Worte nach.
Wer sich in seine Werke vertieft — schon ihre gleichmässige schöne
Vollendung macht diess zu einer dankbaren Arbeit — für den ist kein
weiteres Wort von Nöthen. — Im Pal. Doria zu Rom: il molino
(frühes Bild); der Tempel Apolls (Hauptwerk); Ruhe auf der Flucht.
(Im Pal. Rospigliosi, unsichtbar: u. a. der Tempel der Venus.) — Im
Pal. Sciarra: Reiter an einem Hafen; die Flucht nach Ägypten, bei-
e
f
g
h
i
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1054. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1076>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.