auf dem schönen Bilde des Sacchi (Gal. des Vaticans) ganz ebena so ruhig.
Neben dieser immer schönen und gemässigten Andacht entsteht aber eine eigentliche Ekstasenmalerei; eine Glorie oben, unten der oder die Heilige, der Ohnmacht nahe, ringsum Engel als Helfer und Zuschauer. Die Legende des heil. Franz enthält einen in der Kunst berechtigten, desshalb auch von jeher dargestellten Moment, welcher die höchste ekstatische Aufregung voraussetzt: den Empfang der Wundmale. Schmerz und Entzücken und Hingebung so in Eins fliessen zu lassen, dazu war die Malerei des XVII. Jahrh. vorzüglich fähig. (Bild Guer-b cino's, alle Stimmate zu Ferrara, Hauptaltar.) Allein dass man auch bei andern Heiligen nicht mehr mit der guten und wahren Andacht zufrieden war, bei der Darstellung der Verzücktheit aber keinen hö- heren Moment mehr kannte als das Ohnmächtigwerden (vgl. S. 1029), -- das musste zur widrigen Lüge führen. Ein sehr gut gemaltes Bild dieser Art mag statt aller genannt werden: die Ohnmacht des S. Sta-c nislas, im Gesu zu Ferrara, 2. Alt. r., von dem späten Bologneser Giuseppe Crespi. -- Nur Eins fehlt, um die Entweihung zu voll- enden: ein lüsterner Ausdruck in den Engeln; Lanfranco, der ge- malte Bernini (S. 709, c), sorgt auch dafür. (Ekstase der S. Margheritad da Cortona, Pal. Pitti.) Das Jahrhundert war in diesen Sachen ganz verblendet. Ein schönes Bild des Cavedone (in der Pinac. v. Bo-e logna), Madonna auf Wolken, das Kind den unten knieenden Heiligen zeigend, enthält zweierlei Ausdruck; in dem heiligen Schmid (S. Eli- gius?) die conventionelle Inbrunst, in S. Petronius aber, mit seinen drei Chorknaben, eine ruhige rituelle Andacht; wie ungleich ergrei- fender die letztere auf uns wirkt -- ahnte es der Meister oder nicht?
Auch die Madonna wird jetzt dann mit der grössten Vorliebe dargestellt, wenn sie nicht mehr bloss Object der Anbetung ist, sondern selber die überirdische Sehnsucht, den heiligen Schmerz empfindet. Jener schöne Kopf des Van Dyck (S. 1020, o) beweist es allein schon; die Assunten und Schmerzensmütter repräsentiren fast durchgängig ein höheres Wesen als die blosse Mutter des Bambino, welche eben doch dem Naturalismus anheimfällt ohne dabei immer naiv zu sein, wie in
Die Carthäuserandacht. Ekstasenmalerei.
auf dem schönen Bilde des Sacchi (Gal. des Vaticans) ganz ebena so ruhig.
Neben dieser immer schönen und gemässigten Andacht entsteht aber eine eigentliche Ekstasenmalerei; eine Glorie oben, unten der oder die Heilige, der Ohnmacht nahe, ringsum Engel als Helfer und Zuschauer. Die Legende des heil. Franz enthält einen in der Kunst berechtigten, desshalb auch von jeher dargestellten Moment, welcher die höchste ekstatische Aufregung voraussetzt: den Empfang der Wundmale. Schmerz und Entzücken und Hingebung so in Eins fliessen zu lassen, dazu war die Malerei des XVII. Jahrh. vorzüglich fähig. (Bild Guer-b cino’s, alle Stimmate zu Ferrara, Hauptaltar.) Allein dass man auch bei andern Heiligen nicht mehr mit der guten und wahren Andacht zufrieden war, bei der Darstellung der Verzücktheit aber keinen hö- heren Moment mehr kannte als das Ohnmächtigwerden (vgl. S. 1029), — das musste zur widrigen Lüge führen. Ein sehr gut gemaltes Bild dieser Art mag statt aller genannt werden: die Ohnmacht des S. Sta-c nislas, im Gesù zu Ferrara, 2. Alt. r., von dem späten Bologneser Giuseppe Crespi. — Nur Eins fehlt, um die Entweihung zu voll- enden: ein lüsterner Ausdruck in den Engeln; Lanfranco, der ge- malte Bernini (S. 709, c), sorgt auch dafür. (Ekstase der S. Margheritad da Cortona, Pal. Pitti.) Das Jahrhundert war in diesen Sachen ganz verblendet. Ein schönes Bild des Cavedone (in der Pinac. v. Bo-e logna), Madonna auf Wolken, das Kind den unten knieenden Heiligen zeigend, enthält zweierlei Ausdruck; in dem heiligen Schmid (S. Eli- gius?) die conventionelle Inbrunst, in S. Petronius aber, mit seinen drei Chorknaben, eine ruhige rituelle Andacht; wie ungleich ergrei- fender die letztere auf uns wirkt — ahnte es der Meister oder nicht?
Auch die Madonna wird jetzt dann mit der grössten Vorliebe dargestellt, wenn sie nicht mehr bloss Object der Anbetung ist, sondern selber die überirdische Sehnsucht, den heiligen Schmerz empfindet. Jener schöne Kopf des Van Dyck (S. 1020, o) beweist es allein schon; die Assunten und Schmerzensmütter repräsentiren fast durchgängig ein höheres Wesen als die blosse Mutter des Bambino, welche eben doch dem Naturalismus anheimfällt ohne dabei immer naiv zu sein, wie in
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Die Carthäuserandacht. Ekstasenmalerei.
auf dem schönen Bilde des Sacchi (Gal. des Vaticans) ganz eben
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Neben dieser immer schönen und gemässigten Andacht entsteht
aber eine eigentliche Ekstasenmalerei; eine Glorie oben, unten der
oder die Heilige, der Ohnmacht nahe, ringsum Engel als Helfer und
Zuschauer. Die Legende des heil. Franz enthält einen in der Kunst
berechtigten, desshalb auch von jeher dargestellten Moment, welcher die
höchste ekstatische Aufregung voraussetzt: den Empfang der Wundmale.
Schmerz und Entzücken und Hingebung so in Eins fliessen zu lassen,
dazu war die Malerei des XVII. Jahrh. vorzüglich fähig. (Bild Guer-
cino’s, alle Stimmate zu Ferrara, Hauptaltar.) Allein dass man auch
bei andern Heiligen nicht mehr mit der guten und wahren Andacht
zufrieden war, bei der Darstellung der Verzücktheit aber keinen hö-
heren Moment mehr kannte als das Ohnmächtigwerden (vgl. S. 1029),
— das musste zur widrigen Lüge führen. Ein sehr gut gemaltes Bild
dieser Art mag statt aller genannt werden: die Ohnmacht des S. Sta-
nislas, im Gesù zu Ferrara, 2. Alt. r., von dem späten Bologneser
Giuseppe Crespi. — Nur Eins fehlt, um die Entweihung zu voll-
enden: ein lüsterner Ausdruck in den Engeln; Lanfranco, der ge-
malte Bernini (S. 709, c), sorgt auch dafür. (Ekstase der S. Margherita
da Cortona, Pal. Pitti.) Das Jahrhundert war in diesen Sachen ganz
verblendet. Ein schönes Bild des Cavedone (in der Pinac. v. Bo-
logna), Madonna auf Wolken, das Kind den unten knieenden Heiligen
zeigend, enthält zweierlei Ausdruck; in dem heiligen Schmid (S. Eli-
gius?) die conventionelle Inbrunst, in S. Petronius aber, mit seinen
drei Chorknaben, eine ruhige rituelle Andacht; wie ungleich ergrei-
fender die letztere auf uns wirkt — ahnte es der Meister oder nicht?
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Auch die Madonna wird jetzt dann mit der grössten Vorliebe
dargestellt, wenn sie nicht mehr bloss Object der Anbetung ist, sondern
selber die überirdische Sehnsucht, den heiligen Schmerz empfindet.
Jener schöne Kopf des Van Dyck (S. 1020, o) beweist es allein schon;
die Assunten und Schmerzensmütter repräsentiren fast durchgängig ein
höheres Wesen als die blosse Mutter des Bambino, welche eben doch
dem Naturalismus anheimfällt ohne dabei immer naiv zu sein, wie in
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1037. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1059>, abgerufen am 18.12.2024.
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