Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Moderne Malerei.
Wiederholung eines der beiden trefflichen Greisenporträts im Museum
avon Neapel ist. -- Im Pal. Doria zu Rom möchte der Kopf eines
Sechszigers, mit Mütze, wohl echt sein. (Von einem seiner Nachfol-
ger, Gerbrand van den Eckhout, ist Isaac's Opferung, ebenda.)

b

Dem Mirevelt wird im Museum von Neapel das Kniestück
eines jungen Rathsherrn, und ein Brustbild, beide vorzüglich, zuge-
cschrieben. -- Dem j. Pourbus im Pal. Pitti das (eher holländische)
dPorträt eines jungen Mannes, und in den Uffizien der vortreffliche
Kopf des Bildhauers Francavilla (S. 686). -- Ein Van der Helst
evon erstem Werthe ist das Kniestück eines alten Rathsherrn, im Pal.
fPitti. -- Ebenda, von Peter Lely: Cromwell, unendlich tief und
wahr aufgefasst, nach der geistigen, wie nach der rohen Seite, mit
geinem Züge der Bekümmerniss; die andern Porträts des Lely, im
Niobesaal der Uffizien, reichen nicht an dieses Werk.

h

Es genügt z. B. ein Blick auf die Malersammlung in den Uffi-
zien, um sich die volle Superiorität der Niederländer klar zu machen.
Die Italiener des XVII. Jahrh. suchen in ihren Porträts vorzugsweise
einen bestimmten Geist, eine bestimmte Thatkraft auszudrücken und
fallen dabei in das Grelle und Prätentiöse; die Niederländer (hier
freilich nur geringere Exemplare) geben das volle Dasein, auch die
Stunde und ihre Stimmung; durch Farbe und Licht erheben sie auch
das Porträt zu einem der Phänomene des Weltganzen. (Die Fran-
zosen von Lebrun an interessiren in dieser Sammlung durch ihren
lockern und doch so gutartigen und anständigen physiognomischen
Ausdruck.)

Ein Flamänder, Sustermans von Antwerpen (1597--1681), hat
sein Leben in Florenz zugebracht und hier jene Menge ganz vortreff-
licher Porträts geschaffen, welche oft genug an Van Dyck streifen.
i(Viele, u. a. der Dänenprinz, im Pal. Pitti; -- andere, u. a. Galilei,
kin den Uffizien; -- dann in den Pal. Corsini und Guadagni etc.) Von
ihm und auch wohl von Rembrandt mögen dann die in Florenz ge-
lmalten Bildnisse Salvator's inspirirt sein; so im Pal. Pitti: sein
eigenes, und die Kniefigur eines Geharnischten, welche ohne Rem-
brandt nicht entstanden wäre. -- Auch andere Italiener bekennen sich
im Porträt fast offen zu ausländischen Vorbildern; Cristofano Allori

Moderne Malerei.
Wiederholung eines der beiden trefflichen Greisenporträts im Museum
avon Neapel ist. — Im Pal. Doria zu Rom möchte der Kopf eines
Sechszigers, mit Mütze, wohl echt sein. (Von einem seiner Nachfol-
ger, Gerbrand van den Eckhout, ist Isaac’s Opferung, ebenda.)

b

Dem Mirevelt wird im Museum von Neapel das Kniestück
eines jungen Rathsherrn, und ein Brustbild, beide vorzüglich, zuge-
cschrieben. — Dem j. Pourbus im Pal. Pitti das (eher holländische)
dPorträt eines jungen Mannes, und in den Uffizien der vortreffliche
Kopf des Bildhauers Francavilla (S. 686). — Ein Van der Helst
evon erstem Werthe ist das Kniestück eines alten Rathsherrn, im Pal.
fPitti. — Ebenda, von Peter Lely: Cromwell, unendlich tief und
wahr aufgefasst, nach der geistigen, wie nach der rohen Seite, mit
geinem Züge der Bekümmerniss; die andern Porträts des Lely, im
Niobesaal der Uffizien, reichen nicht an dieses Werk.

h

Es genügt z. B. ein Blick auf die Malersammlung in den Uffi-
zien, um sich die volle Superiorität der Niederländer klar zu machen.
Die Italiener des XVII. Jahrh. suchen in ihren Porträts vorzugsweise
einen bestimmten Geist, eine bestimmte Thatkraft auszudrücken und
fallen dabei in das Grelle und Prätentiöse; die Niederländer (hier
freilich nur geringere Exemplare) geben das volle Dasein, auch die
Stunde und ihre Stimmung; durch Farbe und Licht erheben sie auch
das Porträt zu einem der Phänomene des Weltganzen. (Die Fran-
zosen von Lebrun an interessiren in dieser Sammlung durch ihren
lockern und doch so gutartigen und anständigen physiognomischen
Ausdruck.)

Ein Flamänder, Sustermans von Antwerpen (1597—1681), hat
sein Leben in Florenz zugebracht und hier jene Menge ganz vortreff-
licher Porträts geschaffen, welche oft genug an Van Dyck streifen.
i(Viele, u. a. der Dänenprinz, im Pal. Pitti; — andere, u. a. Galilei,
kin den Uffizien; — dann in den Pal. Corsini und Guadagni etc.) Von
ihm und auch wohl von Rembrandt mögen dann die in Florenz ge-
lmalten Bildnisse Salvator’s inspirirt sein; so im Pal. Pitti: sein
eigenes, und die Kniefigur eines Geharnischten, welche ohne Rem-
brandt nicht entstanden wäre. — Auch andere Italiener bekennen sich
im Porträt fast offen zu ausländischen Vorbildern; Cristofano Allori

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f1044" n="1022"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Moderne Malerei.</hi></fw><lb/>
Wiederholung eines der beiden trefflichen Greisenporträts im Museum<lb/><note place="left">a</note>von Neapel ist. &#x2014; Im Pal. Doria zu Rom möchte der Kopf eines<lb/>
Sechszigers, mit Mütze, wohl echt sein. (Von einem seiner Nachfol-<lb/>
ger, Gerbrand van den Eckhout, ist Isaac&#x2019;s Opferung, ebenda.)</p><lb/>
        <note place="left">b</note>
        <p>Dem <hi rendition="#g">Mirevelt</hi> wird im Museum von Neapel das Kniestück<lb/>
eines jungen Rathsherrn, und ein Brustbild, beide vorzüglich, zuge-<lb/><note place="left">c</note>schrieben. &#x2014; Dem j. <hi rendition="#g">Pourbus</hi> im Pal. Pitti das (eher holländische)<lb/><note place="left">d</note>Porträt eines jungen Mannes, und in den Uffizien der vortreffliche<lb/>
Kopf des Bildhauers Francavilla (S. 686). &#x2014; Ein <hi rendition="#g">Van der Helst</hi><lb/><note place="left">e</note>von erstem Werthe ist das Kniestück eines alten Rathsherrn, im Pal.<lb/><note place="left">f</note>Pitti. &#x2014; Ebenda, von <hi rendition="#g">Peter Lely:</hi> Cromwell, unendlich tief und<lb/>
wahr aufgefasst, nach der geistigen, wie nach der rohen Seite, mit<lb/><note place="left">g</note>einem Züge der Bekümmerniss; die andern Porträts des Lely, im<lb/>
Niobesaal der Uffizien, reichen nicht an dieses Werk.</p><lb/>
        <note place="left">h</note>
        <p>Es genügt z. B. ein Blick auf die Malersammlung in den Uffi-<lb/>
zien, um sich die volle Superiorität der Niederländer klar zu machen.<lb/>
Die Italiener des XVII. Jahrh. suchen in ihren Porträts vorzugsweise<lb/>
einen bestimmten Geist, eine bestimmte Thatkraft auszudrücken und<lb/>
fallen dabei in das Grelle und Prätentiöse; die Niederländer (hier<lb/>
freilich nur geringere Exemplare) geben das volle Dasein, auch die<lb/>
Stunde und ihre Stimmung; durch Farbe und Licht erheben sie auch<lb/>
das Porträt zu einem der Phänomene des Weltganzen. (Die Fran-<lb/>
zosen von Lebrun an interessiren in dieser Sammlung durch ihren<lb/>
lockern und doch so gutartigen und anständigen physiognomischen<lb/>
Ausdruck.)</p><lb/>
        <p>Ein Flamänder, <hi rendition="#g">Sustermans</hi> von Antwerpen (1597&#x2014;1681), hat<lb/>
sein Leben in Florenz zugebracht und hier jene Menge ganz vortreff-<lb/>
licher Porträts geschaffen, welche oft genug an Van Dyck streifen.<lb/><note place="left">i</note>(Viele, u. a. der Dänenprinz, im Pal. Pitti; &#x2014; andere, u. a. Galilei,<lb/><note place="left">k</note>in den Uffizien; &#x2014; dann in den Pal. Corsini und Guadagni etc.) Von<lb/>
ihm und auch wohl von Rembrandt mögen dann die in Florenz ge-<lb/><note place="left">l</note>malten Bildnisse <hi rendition="#g">Salvator&#x2019;s</hi> inspirirt sein; so im Pal. Pitti: sein<lb/>
eigenes, und die Kniefigur eines Geharnischten, welche ohne Rem-<lb/>
brandt nicht entstanden wäre. &#x2014; Auch andere Italiener bekennen sich<lb/>
im Porträt fast offen zu ausländischen Vorbildern; <hi rendition="#g">Cristofano Allori</hi><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1022/1044] Moderne Malerei. Wiederholung eines der beiden trefflichen Greisenporträts im Museum von Neapel ist. — Im Pal. Doria zu Rom möchte der Kopf eines Sechszigers, mit Mütze, wohl echt sein. (Von einem seiner Nachfol- ger, Gerbrand van den Eckhout, ist Isaac’s Opferung, ebenda.) a Dem Mirevelt wird im Museum von Neapel das Kniestück eines jungen Rathsherrn, und ein Brustbild, beide vorzüglich, zuge- schrieben. — Dem j. Pourbus im Pal. Pitti das (eher holländische) Porträt eines jungen Mannes, und in den Uffizien der vortreffliche Kopf des Bildhauers Francavilla (S. 686). — Ein Van der Helst von erstem Werthe ist das Kniestück eines alten Rathsherrn, im Pal. Pitti. — Ebenda, von Peter Lely: Cromwell, unendlich tief und wahr aufgefasst, nach der geistigen, wie nach der rohen Seite, mit einem Züge der Bekümmerniss; die andern Porträts des Lely, im Niobesaal der Uffizien, reichen nicht an dieses Werk. c d e f g Es genügt z. B. ein Blick auf die Malersammlung in den Uffi- zien, um sich die volle Superiorität der Niederländer klar zu machen. Die Italiener des XVII. Jahrh. suchen in ihren Porträts vorzugsweise einen bestimmten Geist, eine bestimmte Thatkraft auszudrücken und fallen dabei in das Grelle und Prätentiöse; die Niederländer (hier freilich nur geringere Exemplare) geben das volle Dasein, auch die Stunde und ihre Stimmung; durch Farbe und Licht erheben sie auch das Porträt zu einem der Phänomene des Weltganzen. (Die Fran- zosen von Lebrun an interessiren in dieser Sammlung durch ihren lockern und doch so gutartigen und anständigen physiognomischen Ausdruck.) Ein Flamänder, Sustermans von Antwerpen (1597—1681), hat sein Leben in Florenz zugebracht und hier jene Menge ganz vortreff- licher Porträts geschaffen, welche oft genug an Van Dyck streifen. (Viele, u. a. der Dänenprinz, im Pal. Pitti; — andere, u. a. Galilei, in den Uffizien; — dann in den Pal. Corsini und Guadagni etc.) Von ihm und auch wohl von Rembrandt mögen dann die in Florenz ge- malten Bildnisse Salvator’s inspirirt sein; so im Pal. Pitti: sein eigenes, und die Kniefigur eines Geharnischten, welche ohne Rem- brandt nicht entstanden wäre. — Auch andere Italiener bekennen sich im Porträt fast offen zu ausländischen Vorbildern; Cristofano Allori i k l

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1044
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1022. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1044>, abgerufen am 26.05.2024.