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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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In dem oben angegebenen Sinn schrieb Büchner die
Flugschrift, welche von Weidig Landbote genannt worden ist.
Noch muß ich erwähnen, daß Büchner während meiner Ab-
wesenheit einmal bei Weidig gewesen sein muß, um bei dem-
selben eine Statistik vom Großherzogthum, die er bei seiner
Arbeit benutzt hat, zu entlehnen; ich weiß wenigstens nicht,
wie er sonst dazu gekommen sein soll, denn diese Statistik
habe ich Weidig später überschickt. Auch wußte Weidig schon
vorher von der Absicht Büchner's, etwas zu schreiben. Diese
Schrift wurde durch Clemm und mich an Weidig überbracht.
Er machte zum Theil dieselben Einwendungen, die er mir
gegen dieselbe gemacht hatte und sagte, daß bei solchen Grund-
sätzen kein ehrlicher Mann mehr bei uns aushalten werde.
(Er meinte damit die Liberalen.) Ich erinnere mich dieser
Einzelnheiten noch sehr genau; überhaupt war Weidig in
Allem der Gegensatz zu Büchner; er (Weidig) hatte den
Grundsatz, daß man auch den kleinsten revolutionären Funken
sammeln müsse, wenn es dereinst brennen solle; er war unter
den Republikanern republikanisch und unter den Constitutio-
nellen constitutionell. -- Büchner war sehr unzufrieden über
diese Bemerkung Weidig's und sagte, es sei keine Kunst ein
ehrlicher Mann zu sein, wenn man täglich Suppe, Gemüse
und Fleisch zu essen habe. Indessen konnte Weidig der
Flugschrift einen gewissen Grad von Beifall nicht versagen
und meinte, sie müsse vortreffliche Dienste thun, wenn sie
verändert werde. Dies zu thun behielt er sie zurück und
gab ihr die Gestalt, in welcher sie später im Druck erschienen
ist. Sie unterscheidet sich vom Originale namentlich dadurch,
daß an die Stelle der Reichen die Vornehmen gesetzt sind,
und daß das, was gegen die sogenannte liberale Partei ge-

In dem oben angegebenen Sinn ſchrieb Büchner die
Flugſchrift, welche von Weidig Landbote genannt worden iſt.
Noch muß ich erwähnen, daß Büchner während meiner Ab-
weſenheit einmal bei Weidig geweſen ſein muß, um bei dem-
ſelben eine Statiſtik vom Großherzogthum, die er bei ſeiner
Arbeit benutzt hat, zu entlehnen; ich weiß wenigſtens nicht,
wie er ſonſt dazu gekommen ſein ſoll, denn dieſe Statiſtik
habe ich Weidig ſpäter überſchickt. Auch wußte Weidig ſchon
vorher von der Abſicht Büchner's, etwas zu ſchreiben. Dieſe
Schrift wurde durch Clemm und mich an Weidig überbracht.
Er machte zum Theil dieſelben Einwendungen, die er mir
gegen dieſelbe gemacht hatte und ſagte, daß bei ſolchen Grund-
ſätzen kein ehrlicher Mann mehr bei uns aushalten werde.
(Er meinte damit die Liberalen.) Ich erinnere mich dieſer
Einzelnheiten noch ſehr genau; überhaupt war Weidig in
Allem der Gegenſatz zu Büchner; er (Weidig) hatte den
Grundſatz, daß man auch den kleinſten revolutionären Funken
ſammeln müſſe, wenn es dereinſt brennen ſolle; er war unter
den Republikanern republikaniſch und unter den Conſtitutio-
nellen conſtitutionell. — Büchner war ſehr unzufrieden über
dieſe Bemerkung Weidig's und ſagte, es ſei keine Kunſt ein
ehrlicher Mann zu ſein, wenn man täglich Suppe, Gemüſe
und Fleiſch zu eſſen habe. Indeſſen konnte Weidig der
Flugſchrift einen gewiſſen Grad von Beifall nicht verſagen
und meinte, ſie müſſe vortreffliche Dienſte thun, wenn ſie
verändert werde. Dies zu thun behielt er ſie zurück und
gab ihr die Geſtalt, in welcher ſie ſpäter im Druck erſchienen
iſt. Sie unterſcheidet ſich vom Originale namentlich dadurch,
daß an die Stelle der Reichen die Vornehmen geſetzt ſind,
und daß das, was gegen die ſogenannte liberale Partei ge-

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[413/0609] In dem oben angegebenen Sinn ſchrieb Büchner die Flugſchrift, welche von Weidig Landbote genannt worden iſt. Noch muß ich erwähnen, daß Büchner während meiner Ab- weſenheit einmal bei Weidig geweſen ſein muß, um bei dem- ſelben eine Statiſtik vom Großherzogthum, die er bei ſeiner Arbeit benutzt hat, zu entlehnen; ich weiß wenigſtens nicht, wie er ſonſt dazu gekommen ſein ſoll, denn dieſe Statiſtik habe ich Weidig ſpäter überſchickt. Auch wußte Weidig ſchon vorher von der Abſicht Büchner's, etwas zu ſchreiben. Dieſe Schrift wurde durch Clemm und mich an Weidig überbracht. Er machte zum Theil dieſelben Einwendungen, die er mir gegen dieſelbe gemacht hatte und ſagte, daß bei ſolchen Grund- ſätzen kein ehrlicher Mann mehr bei uns aushalten werde. (Er meinte damit die Liberalen.) Ich erinnere mich dieſer Einzelnheiten noch ſehr genau; überhaupt war Weidig in Allem der Gegenſatz zu Büchner; er (Weidig) hatte den Grundſatz, daß man auch den kleinſten revolutionären Funken ſammeln müſſe, wenn es dereinſt brennen ſolle; er war unter den Republikanern republikaniſch und unter den Conſtitutio- nellen conſtitutionell. — Büchner war ſehr unzufrieden über dieſe Bemerkung Weidig's und ſagte, es ſei keine Kunſt ein ehrlicher Mann zu ſein, wenn man täglich Suppe, Gemüſe und Fleiſch zu eſſen habe. Indeſſen konnte Weidig der Flugſchrift einen gewiſſen Grad von Beifall nicht verſagen und meinte, ſie müſſe vortreffliche Dienſte thun, wenn ſie verändert werde. Dies zu thun behielt er ſie zurück und gab ihr die Geſtalt, in welcher ſie ſpäter im Druck erſchienen iſt. Sie unterſcheidet ſich vom Originale namentlich dadurch, daß an die Stelle der Reichen die Vornehmen geſetzt ſind, und daß das, was gegen die ſogenannte liberale Partei ge-

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/609>, abgerufen am 23.11.2024.