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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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eines Cato!) oder gar diejenigen, welche mit dem Gemein-
platz der Feigheit angezogen kommen. Ihre Widerlegung
liegt schon in der bloßen Schilderung seines Charakters, der
nach dem einstimmigen Zeugniß aller alten Schriftsteller so
groß war, daß selbst Vellejus Paterculus von ihm
sagt: homo virtuti simillimus et per omnia in-
genio diis, quam hominibus, propior.

Andere, die der Wahrheit schon etwas näher kamen
und auch die meisten Anhänger fanden, behaupteten, der
Beweggrund zum Selbstmord sei ein unbeugsamer Stolz
gewesen, der nur vom Tode sich habe wollen besiegen lassen.
Wahrlich, wäre dies das wahre Motiv, so liegt schon etwas
Großes und Erhabenes in dem Gedanken, mit dem Tode
die Gerechtigkeit der Sache, für die man streitet, besiegeln
zu wollen. Es gehört ein großer Charakter dazu, sich zu
einem solchen Entschluß erheben zu können. Aber auch nicht
einmal dieser Beweggrund war es -- es war ein höherer.
Catos große Seele war ganz erfüllt von einem unend-
lichen Gefühle für Vaterland und Freiheit, das sein
ganzes Leben durchglühte. Diese beiden Dinge waren die
Centralsonne, um die sich alle seine Gedanken und Hand-
lungen drehten. Den Fall seines Vaterlandes hätte Cato
überleben können, wenn er ein Asyl für die andere Göttin
seines Lebens, für die Freiheit, gefunden hätte. Er
fand es nicht
. Die Welt lag in Roms Banden, alle
Völker waren Sklaven, frei allein der Römer. Doch als
auch dieser endlich seinem Geschicke erlag, als das Heiligthum
der Gesetze zerrissen, als der Altar der Freiheit zerstört war,
da war Cato der einzige unter Millionen, der einzige
unter den Bewohnern einer Welt, der sich das Schwert in

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eines Cato!) oder gar diejenigen, welche mit dem Gemein-
platz der Feigheit angezogen kommen. Ihre Widerlegung
liegt ſchon in der bloßen Schilderung ſeines Charakters, der
nach dem einſtimmigen Zeugniß aller alten Schriftſteller ſo
groß war, daß ſelbſt Vellejus Paterculus von ihm
ſagt: homo virtuti simillimus et per omnia in-
genio diis, quam hominibus, propior.

Andere, die der Wahrheit ſchon etwas näher kamen
und auch die meiſten Anhänger fanden, behaupteten, der
Beweggrund zum Selbſtmord ſei ein unbeugſamer Stolz
geweſen, der nur vom Tode ſich habe wollen beſiegen laſſen.
Wahrlich, wäre dies das wahre Motiv, ſo liegt ſchon etwas
Großes und Erhabenes in dem Gedanken, mit dem Tode
die Gerechtigkeit der Sache, für die man ſtreitet, beſiegeln
zu wollen. Es gehört ein großer Charakter dazu, ſich zu
einem ſolchen Entſchluß erheben zu können. Aber auch nicht
einmal dieſer Beweggrund war es — es war ein höherer.
Catos große Seele war ganz erfüllt von einem unend-
lichen Gefühle für Vaterland und Freiheit, das ſein
ganzes Leben durchglühte. Dieſe beiden Dinge waren die
Centralſonne, um die ſich alle ſeine Gedanken und Hand-
lungen drehten. Den Fall ſeines Vaterlandes hätte Cato
überleben können, wenn er ein Aſyl für die andere Göttin
ſeines Lebens, für die Freiheit, gefunden hätte. Er
fand es nicht
. Die Welt lag in Roms Banden, alle
Völker waren Sklaven, frei allein der Römer. Doch als
auch dieſer endlich ſeinem Geſchicke erlag, als das Heiligthum
der Geſetze zerriſſen, als der Altar der Freiheit zerſtört war,
da war Cato der einzige unter Millionen, der einzige
unter den Bewohnern einer Welt, der ſich das Schwert in

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[403/0599] eines Cato!) oder gar diejenigen, welche mit dem Gemein- platz der Feigheit angezogen kommen. Ihre Widerlegung liegt ſchon in der bloßen Schilderung ſeines Charakters, der nach dem einſtimmigen Zeugniß aller alten Schriftſteller ſo groß war, daß ſelbſt Vellejus Paterculus von ihm ſagt: homo virtuti simillimus et per omnia in- genio diis, quam hominibus, propior. Andere, die der Wahrheit ſchon etwas näher kamen und auch die meiſten Anhänger fanden, behaupteten, der Beweggrund zum Selbſtmord ſei ein unbeugſamer Stolz geweſen, der nur vom Tode ſich habe wollen beſiegen laſſen. Wahrlich, wäre dies das wahre Motiv, ſo liegt ſchon etwas Großes und Erhabenes in dem Gedanken, mit dem Tode die Gerechtigkeit der Sache, für die man ſtreitet, beſiegeln zu wollen. Es gehört ein großer Charakter dazu, ſich zu einem ſolchen Entſchluß erheben zu können. Aber auch nicht einmal dieſer Beweggrund war es — es war ein höherer. Catos große Seele war ganz erfüllt von einem unend- lichen Gefühle für Vaterland und Freiheit, das ſein ganzes Leben durchglühte. Dieſe beiden Dinge waren die Centralſonne, um die ſich alle ſeine Gedanken und Hand- lungen drehten. Den Fall ſeines Vaterlandes hätte Cato überleben können, wenn er ein Aſyl für die andere Göttin ſeines Lebens, für die Freiheit, gefunden hätte. Er fand es nicht. Die Welt lag in Roms Banden, alle Völker waren Sklaven, frei allein der Römer. Doch als auch dieſer endlich ſeinem Geſchicke erlag, als das Heiligthum der Geſetze zerriſſen, als der Altar der Freiheit zerſtört war, da war Cato der einzige unter Millionen, der einzige unter den Bewohnern einer Welt, der ſich das Schwert in 26 *

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/599>, abgerufen am 22.11.2024.