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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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"Lebendiges", wo die Vernunft entschied, und nicht "todter
Kram", und darum bethätigte er hier seine Kraft freudig
und spontan. Es stimmt damit, wenn einer seiner Schul-
freunde berichtet, daß er am Liebsten naturwissenschaftliche
Bücher gelesen und von Gedichten solche, welche Naturbe-
schreibungen enthalten, z. B. Matthison, ferner auch Schiller.
"Ich bin", erzählt derselbe Gewährsmann, "bis in sein sech-
zehntes Jahr mit Georg Büchner zusammen gewesen, und so
schön und feurig der Knabe war, so kann ich doch nicht
sagen, daß wir oder die Lehrer Außerordentliches von ihm
erwartet -- am wenigsten aber auf dem Felde der Dicht-
kunst. Er selbst sagte immer, daß er Naturforscher werden
wolle, und was er mit Vorliebe betrieb, paßte zu diesem
Vorsatz."

Die Eltern, so erfreut sie auch sonst über die geistige
Rührigkeit ihres Erstgeborenen waren, ahnten gleichfalls nichts
von dessen poetischer Begabung, ebensowenig sein Lehrer der
deutschen Sprache, der erst vor Kurzem verstorbene Con-
rector Baur. Er ordnete an, daß jeder Schüler ein
Heft anlege und da die besten deutschen Gedichte ein-
trage. Büchner kam dieser Anordnung nach, aber in
recht sonderbarlicher Weise. Das bloße Copiren lang-
weilte ihn, und so finden sich nur jene Gedichte vollinhalt-
lich eingetragen, die er zugleich in irgend einer Weise paro-
dirte. Hier eine Probe. Man weiß, daß sich in Schillers
"Graf Eberhard der Greiner" der Stolz des Schwaben sehr
kräftig ausspricht. Und darum hielt es der muthwillige
Schüler für angemessen, das Gedicht gleich vollständig in
den schwäbischen Dialekt umzusetzen:


"Lebendiges", wo die Vernunft entſchied, und nicht "todter
Kram", und darum bethätigte er hier ſeine Kraft freudig
und ſpontan. Es ſtimmt damit, wenn einer ſeiner Schul-
freunde berichtet, daß er am Liebſten naturwiſſenſchaftliche
Bücher geleſen und von Gedichten ſolche, welche Naturbe-
ſchreibungen enthalten, z. B. Matthiſon, ferner auch Schiller.
"Ich bin", erzählt derſelbe Gewährsmann, "bis in ſein ſech-
zehntes Jahr mit Georg Büchner zuſammen geweſen, und ſo
ſchön und feurig der Knabe war, ſo kann ich doch nicht
ſagen, daß wir oder die Lehrer Außerordentliches von ihm
erwartet — am wenigſten aber auf dem Felde der Dicht-
kunſt. Er ſelbſt ſagte immer, daß er Naturforſcher werden
wolle, und was er mit Vorliebe betrieb, paßte zu dieſem
Vorſatz."

Die Eltern, ſo erfreut ſie auch ſonſt über die geiſtige
Rührigkeit ihres Erſtgeborenen waren, ahnten gleichfalls nichts
von deſſen poetiſcher Begabung, ebenſowenig ſein Lehrer der
deutſchen Sprache, der erſt vor Kurzem verſtorbene Con-
rector Baur. Er ordnete an, daß jeder Schüler ein
Heft anlege und da die beſten deutſchen Gedichte ein-
trage. Büchner kam dieſer Anordnung nach, aber in
recht ſonderbarlicher Weiſe. Das bloße Copiren lang-
weilte ihn, und ſo finden ſich nur jene Gedichte vollinhalt-
lich eingetragen, die er zugleich in irgend einer Weiſe paro-
dirte. Hier eine Probe. Man weiß, daß ſich in Schillers
"Graf Eberhard der Greiner" der Stolz des Schwaben ſehr
kräftig ausſpricht. Und darum hielt es der muthwillige
Schüler für angemeſſen, das Gedicht gleich vollſtändig in
den ſchwäbiſchen Dialekt umzuſetzen:


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[XXIII/0039] "Lebendiges", wo die Vernunft entſchied, und nicht "todter Kram", und darum bethätigte er hier ſeine Kraft freudig und ſpontan. Es ſtimmt damit, wenn einer ſeiner Schul- freunde berichtet, daß er am Liebſten naturwiſſenſchaftliche Bücher geleſen und von Gedichten ſolche, welche Naturbe- ſchreibungen enthalten, z. B. Matthiſon, ferner auch Schiller. "Ich bin", erzählt derſelbe Gewährsmann, "bis in ſein ſech- zehntes Jahr mit Georg Büchner zuſammen geweſen, und ſo ſchön und feurig der Knabe war, ſo kann ich doch nicht ſagen, daß wir oder die Lehrer Außerordentliches von ihm erwartet — am wenigſten aber auf dem Felde der Dicht- kunſt. Er ſelbſt ſagte immer, daß er Naturforſcher werden wolle, und was er mit Vorliebe betrieb, paßte zu dieſem Vorſatz." Die Eltern, ſo erfreut ſie auch ſonſt über die geiſtige Rührigkeit ihres Erſtgeborenen waren, ahnten gleichfalls nichts von deſſen poetiſcher Begabung, ebenſowenig ſein Lehrer der deutſchen Sprache, der erſt vor Kurzem verſtorbene Con- rector Baur. Er ordnete an, daß jeder Schüler ein Heft anlege und da die beſten deutſchen Gedichte ein- trage. Büchner kam dieſer Anordnung nach, aber in recht ſonderbarlicher Weiſe. Das bloße Copiren lang- weilte ihn, und ſo finden ſich nur jene Gedichte vollinhalt- lich eingetragen, die er zugleich in irgend einer Weiſe paro- dirte. Hier eine Probe. Man weiß, daß ſich in Schillers "Graf Eberhard der Greiner" der Stolz des Schwaben ſehr kräftig ausſpricht. Und darum hielt es der muthwillige Schüler für angemeſſen, das Gedicht gleich vollſtändig in den ſchwäbiſchen Dialekt umzuſetzen:

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/39>, abgerufen am 23.11.2024.