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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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"Ehr -- Ehr dort ause in der Welt,
Die Nose angespannt.
Aach manche Mann, aach manche Held,
Im Friede gut und stark im Feld,
Gebar das Schwabeland! u. s. w.

In diesem Hefte, welches der Lehrer schwerlich je er-
blickt, äußert sich immerhin eine gewisse Selbstständigkeit und
Sinn für das Komische; die deutschen Aufsätze hingegen, die
Büchner bis in sein sechzehntes Jahr hinein lieferte, waren
überaus flach und unbedeutend. In keinem Gedanken, in
keiner Wendung läßt sich auch nur eine Spur jenes Dichter-
geistes gewahren, der wenige Jahre später Deutschland mit
seinem Ruhme erfüllen sollte, und wer diese steifen, unbe-
hülflichen Sätze liest, wird kaum glauben, daß sie ein Sech-
zehnjähriger geschrieben, und vollends derselbe Mensch, der
sich sechs Jahre später als einer der glänzendsten Stilisten
erproben sollte, die je unsere Muttersprache gemeistert. Der
beste Beweis aber, daß sich in dem Knaben noch kein Hauch
origineller Dichterkraft geregt, sind die Verse, die wir aus
seinem fünfzehnten Lebensjahre besitzen. Das "Dichten" war
damals an den deutschen Gymnasien noch weit mehr Mode,
als jetzt, und Georg machte diese Mode mit, übrigens nie-
mals spontan, sondern stets nur zu besonderen Gelegenheiten.
Von den vier "Gedichten", die er geschrieben, sind zwei als
"Weihnachtsgeschenk" für die Eltern, ein drittes zum Ge-
burtstag des Vaters und das vierte zu dem der Mutter ver-
faßt. Das älteste stammt aus dem Jahre 1827 und be-
gleitete ein Geschenk für den Vater:


"Ehr — Ehr dort auſe in der Welt,
Die Noſe angeſpannt.
Aach manche Mann, aach manche Held,
Im Friede gut und ſtark im Feld,
Gebar das Schwabeland! u. ſ. w.

In dieſem Hefte, welches der Lehrer ſchwerlich je er-
blickt, äußert ſich immerhin eine gewiſſe Selbſtſtändigkeit und
Sinn für das Komiſche; die deutſchen Aufſätze hingegen, die
Büchner bis in ſein ſechzehntes Jahr hinein lieferte, waren
überaus flach und unbedeutend. In keinem Gedanken, in
keiner Wendung läßt ſich auch nur eine Spur jenes Dichter-
geiſtes gewahren, der wenige Jahre ſpäter Deutſchland mit
ſeinem Ruhme erfüllen ſollte, und wer dieſe ſteifen, unbe-
hülflichen Sätze lieſt, wird kaum glauben, daß ſie ein Sech-
zehnjähriger geſchrieben, und vollends derſelbe Menſch, der
ſich ſechs Jahre ſpäter als einer der glänzendſten Stiliſten
erproben ſollte, die je unſere Mutterſprache gemeiſtert. Der
beſte Beweis aber, daß ſich in dem Knaben noch kein Hauch
origineller Dichterkraft geregt, ſind die Verſe, die wir aus
ſeinem fünfzehnten Lebensjahre beſitzen. Das "Dichten" war
damals an den deutſchen Gymnaſien noch weit mehr Mode,
als jetzt, und Georg machte dieſe Mode mit, übrigens nie-
mals ſpontan, ſondern ſtets nur zu beſonderen Gelegenheiten.
Von den vier "Gedichten", die er geſchrieben, ſind zwei als
"Weihnachtsgeſchenk" für die Eltern, ein drittes zum Ge-
burtstag des Vaters und das vierte zu dem der Mutter ver-
faßt. Das älteſte ſtammt aus dem Jahre 1827 und be-
gleitete ein Geſchenk für den Vater:


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[XXIV/0040] "Ehr — Ehr dort auſe in der Welt, Die Noſe angeſpannt. Aach manche Mann, aach manche Held, Im Friede gut und ſtark im Feld, Gebar das Schwabeland! u. ſ. w. In dieſem Hefte, welches der Lehrer ſchwerlich je er- blickt, äußert ſich immerhin eine gewiſſe Selbſtſtändigkeit und Sinn für das Komiſche; die deutſchen Aufſätze hingegen, die Büchner bis in ſein ſechzehntes Jahr hinein lieferte, waren überaus flach und unbedeutend. In keinem Gedanken, in keiner Wendung läßt ſich auch nur eine Spur jenes Dichter- geiſtes gewahren, der wenige Jahre ſpäter Deutſchland mit ſeinem Ruhme erfüllen ſollte, und wer dieſe ſteifen, unbe- hülflichen Sätze lieſt, wird kaum glauben, daß ſie ein Sech- zehnjähriger geſchrieben, und vollends derſelbe Menſch, der ſich ſechs Jahre ſpäter als einer der glänzendſten Stiliſten erproben ſollte, die je unſere Mutterſprache gemeiſtert. Der beſte Beweis aber, daß ſich in dem Knaben noch kein Hauch origineller Dichterkraft geregt, ſind die Verſe, die wir aus ſeinem fünfzehnten Lebensjahre beſitzen. Das "Dichten" war damals an den deutſchen Gymnaſien noch weit mehr Mode, als jetzt, und Georg machte dieſe Mode mit, übrigens nie- mals ſpontan, ſondern ſtets nur zu beſonderen Gelegenheiten. Von den vier "Gedichten", die er geſchrieben, ſind zwei als "Weihnachtsgeſchenk" für die Eltern, ein drittes zum Ge- burtstag des Vaters und das vierte zu dem der Mutter ver- faßt. Das älteſte ſtammt aus dem Jahre 1827 und be- gleitete ein Geſchenk für den Vater:

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. XXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/40>, abgerufen am 28.03.2024.