Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
Leonce. Sagen Sie einem höchsten Willen, daß ich
Alles thun werde, das ausgenommen, was ich werde bleiben
lassen, was aber jedenfalls nicht soviel sein wird, als wenn
es noch einmal soviel wäre. -- Meine Herren, Sie ent-
schuldigen, daß ich Sie nicht begleite, ich habe gerade die
Passion zu sitzen, aber meine Gnade ist so groß, daß ich sie
mit den Beinen kaum ausmessen kann. (Er spreizt die Beine
auseinander.)
Herr Präsident, nehmen Sie doch das Maaß,
damit Sie mich später daran erinnern. Valerio, gib den
Herren das Geleite.
Valerio. Das Geläute? Soll ich dem Herrn Prä-
sidenten eine Schelle anhängen? Soll ich sie führen, als
ob sie auf allen Vieren gingen?
Leonce. Mensch, du bist nichts, als ein schlechtes
Wortspiel. Du hast weder Vater noch Mutter, sondern die
fünf Vokale haben dich miteinander erzeugt.
Valerio. Und Sie, Prinz, sind ein Buch ohne Buch-
staben, mit nichts als Gedankenstrichen. Kommen Sie jetzt,
meine Herren. Es ist eine traurige Sache um das Wort
Kommen. Will man ein Einkommen, so muß man stehlen;
an ein Aufkommen ist nicht zu denken, als wenn man sich
hängen läßt; ein Unterkommen findet man erst, wenn man
begraben wird, und ein Auskommen hat man jeden Augen-
blick mit seinem Witz, wenn man nichts mehr zu sagen weiß,
wie ich zum Beispiel eben, und Sie, ehe Sie noch etwas
gesagt haben. Ihr Abkommen haben Sie gefunden, und
Ihr Fortkommen werden Sie jetzt zu suchen ersucht.

(Staatsrath und Valerio ab.)
Leonce (allein). Wie gemein ich mich zum Ritter an
den armen Teufeln gemacht habe! Es steckt nun aber doch
9 *
Leonce. Sagen Sie einem höchſten Willen, daß ich
Alles thun werde, das ausgenommen, was ich werde bleiben
laſſen, was aber jedenfalls nicht ſoviel ſein wird, als wenn
es noch einmal ſoviel wäre. — Meine Herren, Sie ent-
ſchuldigen, daß ich Sie nicht begleite, ich habe gerade die
Paſſion zu ſitzen, aber meine Gnade iſt ſo groß, daß ich ſie
mit den Beinen kaum ausmeſſen kann. (Er ſpreizt die Beine
auseinander.)
Herr Präſident, nehmen Sie doch das Maaß,
damit Sie mich ſpäter daran erinnern. Valerio, gib den
Herren das Geleite.
Valerio. Das Geläute? Soll ich dem Herrn Prä-
ſidenten eine Schelle anhängen? Soll ich ſie führen, als
ob ſie auf allen Vieren gingen?
Leonce. Menſch, du biſt nichts, als ein ſchlechtes
Wortſpiel. Du haſt weder Vater noch Mutter, ſondern die
fünf Vokale haben dich miteinander erzeugt.
Valerio. Und Sie, Prinz, ſind ein Buch ohne Buch-
ſtaben, mit nichts als Gedankenſtrichen. Kommen Sie jetzt,
meine Herren. Es iſt eine traurige Sache um das Wort
Kommen. Will man ein Einkommen, ſo muß man ſtehlen;
an ein Aufkommen iſt nicht zu denken, als wenn man ſich
hängen läßt; ein Unterkommen findet man erſt, wenn man
begraben wird, und ein Auskommen hat man jeden Augen-
blick mit ſeinem Witz, wenn man nichts mehr zu ſagen weiß,
wie ich zum Beiſpiel eben, und Sie, ehe Sie noch etwas
geſagt haben. Ihr Abkommen haben Sie gefunden, und
Ihr Fortkommen werden Sie jetzt zu ſuchen erſucht.

(Staatsrath und Valerio ab.)
Leonce (allein). Wie gemein ich mich zum Ritter an
den armen Teufeln gemacht habe! Es ſteckt nun aber doch
9 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="act" n="3">
            <div type="scene" n="4">
              <pb facs="#f0327" n="131"/>
              <sp who="#LEO">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Sagen Sie einem höch&#x017F;ten Willen, daß ich<lb/>
Alles thun werde, das ausgenommen, was ich werde bleiben<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, was aber jedenfalls nicht &#x017F;oviel &#x017F;ein wird, als wenn<lb/>
es noch einmal &#x017F;oviel wäre. &#x2014; Meine Herren, Sie ent-<lb/>
&#x017F;chuldigen, daß ich Sie nicht begleite, ich habe gerade die<lb/>
Pa&#x017F;&#x017F;ion zu &#x017F;itzen, aber meine Gnade i&#x017F;t &#x017F;o groß, daß ich &#x017F;ie<lb/>
mit den Beinen kaum ausme&#x017F;&#x017F;en kann. <stage>(Er &#x017F;preizt die Beine<lb/>
auseinander.)</stage> Herr Prä&#x017F;ident, nehmen Sie doch das Maaß,<lb/>
damit Sie mich &#x017F;päter daran erinnern. Valerio, gib den<lb/>
Herren das Geleite.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#VAL">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Das Geläute? Soll ich dem Herrn Prä-<lb/>
&#x017F;identen eine Schelle anhängen? Soll ich &#x017F;ie führen, als<lb/>
ob &#x017F;ie auf allen Vieren gingen?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LEO">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Men&#x017F;ch, du bi&#x017F;t nichts, als ein &#x017F;chlechtes<lb/>
Wort&#x017F;piel. Du ha&#x017F;t weder Vater noch Mutter, &#x017F;ondern die<lb/>
fünf Vokale haben dich miteinander erzeugt.</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#VAL">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio.</hi> </hi> </speaker>
                <p>Und Sie, Prinz, &#x017F;ind ein Buch ohne Buch-<lb/>
&#x017F;taben, mit nichts als Gedanken&#x017F;trichen. Kommen Sie jetzt,<lb/>
meine Herren. Es i&#x017F;t eine traurige Sache um das Wort<lb/><hi rendition="#g">Kommen</hi>. Will man ein Einkommen, &#x017F;o muß man &#x017F;tehlen;<lb/>
an ein Aufkommen i&#x017F;t nicht zu denken, als wenn man &#x017F;ich<lb/>
hängen läßt; ein Unterkommen findet man er&#x017F;t, wenn man<lb/>
begraben wird, und ein Auskommen hat man jeden Augen-<lb/>
blick mit &#x017F;einem Witz, wenn man nichts mehr zu &#x017F;agen weiß,<lb/>
wie ich zum Bei&#x017F;piel eben, und Sie, ehe Sie noch etwas<lb/>
ge&#x017F;agt haben. Ihr Abkommen haben Sie gefunden, und<lb/>
Ihr Fortkommen werden Sie jetzt zu &#x017F;uchen er&#x017F;ucht.</p><lb/>
                <stage>(Staatsrath und Valerio ab.)</stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#LEO">
                <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce</hi> </hi> </speaker>
                <stage>(allein).</stage>
                <p>Wie gemein ich mich zum Ritter an<lb/>
den armen Teufeln gemacht habe! Es &#x017F;teckt nun aber doch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 *</fw><lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0327] Leonce. Sagen Sie einem höchſten Willen, daß ich Alles thun werde, das ausgenommen, was ich werde bleiben laſſen, was aber jedenfalls nicht ſoviel ſein wird, als wenn es noch einmal ſoviel wäre. — Meine Herren, Sie ent- ſchuldigen, daß ich Sie nicht begleite, ich habe gerade die Paſſion zu ſitzen, aber meine Gnade iſt ſo groß, daß ich ſie mit den Beinen kaum ausmeſſen kann. (Er ſpreizt die Beine auseinander.) Herr Präſident, nehmen Sie doch das Maaß, damit Sie mich ſpäter daran erinnern. Valerio, gib den Herren das Geleite. Valerio. Das Geläute? Soll ich dem Herrn Prä- ſidenten eine Schelle anhängen? Soll ich ſie führen, als ob ſie auf allen Vieren gingen? Leonce. Menſch, du biſt nichts, als ein ſchlechtes Wortſpiel. Du haſt weder Vater noch Mutter, ſondern die fünf Vokale haben dich miteinander erzeugt. Valerio. Und Sie, Prinz, ſind ein Buch ohne Buch- ſtaben, mit nichts als Gedankenſtrichen. Kommen Sie jetzt, meine Herren. Es iſt eine traurige Sache um das Wort Kommen. Will man ein Einkommen, ſo muß man ſtehlen; an ein Aufkommen iſt nicht zu denken, als wenn man ſich hängen läßt; ein Unterkommen findet man erſt, wenn man begraben wird, und ein Auskommen hat man jeden Augen- blick mit ſeinem Witz, wenn man nichts mehr zu ſagen weiß, wie ich zum Beiſpiel eben, und Sie, ehe Sie noch etwas geſagt haben. Ihr Abkommen haben Sie gefunden, und Ihr Fortkommen werden Sie jetzt zu ſuchen erſucht. (Staatsrath und Valerio ab.) Leonce (allein). Wie gemein ich mich zum Ritter an den armen Teufeln gemacht habe! Es ſteckt nun aber doch 9 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/327
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/327>, abgerufen am 17.05.2024.