Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
einmal ein gewisser Genuß in einer gewissen Gemeinheit. -- Hm! Heirathen! Das heißt einen Ziehbrunnen leer trinken. O Shandy, alter Shandy, wer mir deine Uhr schenkte! -- (Valerio kommt zurück.) Ach Valerio, hast du es gehört? Valerio. Nun, Sie sollen König werden. Das ist eine lustige Sache. Man kann den ganzen Tag spazieren fahren und den Leuten die Hüte verderben durch's viele Ab- ziehen, man kann aus ordentlichen Menschen ordentliche Sol- daten ausschneiden, so daß Alles ganz natürlich wird, man kann schwarze Fräcke und weiße Halsbinden zu Staatsdienern machen, und wenn man stirbt, so laufen alle blanken Knöpfe blau an, und die Glockenstricke reißen wie Zwirnsfäden vom vielen Läuten. Ist das nicht unterhaltend? Leonce. Valerio! Valerio! Wir müssen was Anderes treiben. Rathe! Valerio. Ach die Wissenschaft, die Wissenschaft! Wir wollen Gelehrte werden! a priori? oder a posteriori? Leonce. A priori, das muß man bei meinem Herrn Vater lernen; und a posteriori fängt Alles an, wie ein altes Mährchen: es war einmal! Valerio. So wollen wir Helden werden. (Er marschirt trompetend und trommelnd auf und ab.) Trom--trom--pläre --plem! Leonce. Aber der Heroismus fuselt abscheulich und bekommt das Lazarethfieber und kann ohne Lieutenants und Rekruten nicht bestehen. Pack dich mit deiner Alexanders- und Napoleons-Romantik! Valerio. So wollen wir Genies werden. Leonce. Die Nachtigall der Poesie schlägt den ganzen Tag über unserm Haupt, aber das Feinste geht zum Teufel,
einmal ein gewiſſer Genuß in einer gewiſſen Gemeinheit. — Hm! Heirathen! Das heißt einen Ziehbrunnen leer trinken. O Shandy, alter Shandy, wer mir deine Uhr ſchenkte! — (Valerio kommt zurück.) Ach Valerio, haſt du es gehört? Valerio. Nun, Sie ſollen König werden. Das iſt eine luſtige Sache. Man kann den ganzen Tag ſpazieren fahren und den Leuten die Hüte verderben durch's viele Ab- ziehen, man kann aus ordentlichen Menſchen ordentliche Sol- daten ausſchneiden, ſo daß Alles ganz natürlich wird, man kann ſchwarze Fräcke und weiße Halsbinden zu Staatsdienern machen, und wenn man ſtirbt, ſo laufen alle blanken Knöpfe blau an, und die Glockenſtricke reißen wie Zwirnsfäden vom vielen Läuten. Iſt das nicht unterhaltend? Leonce. Valerio! Valerio! Wir müſſen was Anderes treiben. Rathe! Valerio. Ach die Wiſſenſchaft, die Wiſſenſchaft! Wir wollen Gelehrte werden! a priori? oder a posteriori? Leonce. A priori, das muß man bei meinem Herrn Vater lernen; und a posteriori fängt Alles an, wie ein altes Mährchen: es war einmal! Valerio. So wollen wir Helden werden. (Er marſchirt trompetend und trommelnd auf und ab.) Trom—trom—pläre —plem! Leonce. Aber der Heroismus fuſelt abſcheulich und bekommt das Lazarethfieber und kann ohne Lieutenants und Rekruten nicht beſtehen. Pack dich mit deiner Alexanders- und Napoleons-Romantik! Valerio. So wollen wir Genies werden. Leonce. Die Nachtigall der Poeſie ſchlägt den ganzen Tag über unſerm Haupt, aber das Feinſte geht zum Teufel, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#LEO"> <p><pb facs="#f0328" n="132"/> einmal ein gewiſſer Genuß in einer gewiſſen Gemeinheit. —<lb/> Hm! Heirathen! Das heißt einen Ziehbrunnen leer trinken.<lb/> O Shandy, alter Shandy, wer mir deine Uhr ſchenkte! —<lb/><stage>(Valerio kommt zurück.)</stage> Ach Valerio, haſt du es gehört?</p> </sp><lb/> <sp who="#VAL"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio.</hi> </hi> </speaker> <p>Nun, Sie ſollen König werden. Das iſt<lb/> eine luſtige Sache. Man kann den ganzen Tag ſpazieren<lb/> fahren und den Leuten die Hüte verderben durch's viele Ab-<lb/> ziehen, man kann aus ordentlichen Menſchen ordentliche Sol-<lb/> daten ausſchneiden, ſo daß Alles ganz natürlich wird, man<lb/> kann ſchwarze Fräcke und weiße Halsbinden zu Staatsdienern<lb/> machen, und wenn man ſtirbt, ſo laufen alle blanken Knöpfe<lb/> blau an, und die Glockenſtricke reißen wie Zwirnsfäden vom<lb/> vielen Läuten. Iſt das nicht unterhaltend?</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <p>Valerio! Valerio! Wir müſſen was Anderes<lb/> treiben. Rathe!</p> </sp><lb/> <sp who="#VAL"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio.</hi> </hi> </speaker> <p>Ach die Wiſſenſchaft, die Wiſſenſchaft! Wir<lb/> wollen Gelehrte werden! <hi rendition="#aq">a priori?</hi> oder <hi rendition="#aq">a posteriori?</hi></p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <p><hi rendition="#aq">A priori,</hi> das muß man bei meinem Herrn<lb/> Vater lernen; und <hi rendition="#aq">a posteriori</hi> fängt Alles an, wie ein altes<lb/> Mährchen: es war einmal!</p> </sp><lb/> <sp who="#VAL"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio.</hi> </hi> </speaker> <p>So wollen wir Helden werden. <stage>(Er marſchirt<lb/> trompetend und trommelnd auf und ab.)</stage> Trom—trom—pläre<lb/> —plem!</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <p>Aber der Heroismus fuſelt abſcheulich und<lb/> bekommt das Lazarethfieber und kann ohne Lieutenants und<lb/> Rekruten nicht beſtehen. Pack dich mit deiner Alexanders-<lb/> und Napoleons-Romantik!</p> </sp><lb/> <sp who="#VAL"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio.</hi> </hi> </speaker> <p>So wollen wir Genies werden.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <p>Die Nachtigall der Poeſie ſchlägt den ganzen<lb/> Tag über unſerm Haupt, aber das Feinſte geht zum Teufel,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [132/0328]
einmal ein gewiſſer Genuß in einer gewiſſen Gemeinheit. —
Hm! Heirathen! Das heißt einen Ziehbrunnen leer trinken.
O Shandy, alter Shandy, wer mir deine Uhr ſchenkte! —
(Valerio kommt zurück.) Ach Valerio, haſt du es gehört?
Valerio. Nun, Sie ſollen König werden. Das iſt
eine luſtige Sache. Man kann den ganzen Tag ſpazieren
fahren und den Leuten die Hüte verderben durch's viele Ab-
ziehen, man kann aus ordentlichen Menſchen ordentliche Sol-
daten ausſchneiden, ſo daß Alles ganz natürlich wird, man
kann ſchwarze Fräcke und weiße Halsbinden zu Staatsdienern
machen, und wenn man ſtirbt, ſo laufen alle blanken Knöpfe
blau an, und die Glockenſtricke reißen wie Zwirnsfäden vom
vielen Läuten. Iſt das nicht unterhaltend?
Leonce. Valerio! Valerio! Wir müſſen was Anderes
treiben. Rathe!
Valerio. Ach die Wiſſenſchaft, die Wiſſenſchaft! Wir
wollen Gelehrte werden! a priori? oder a posteriori?
Leonce. A priori, das muß man bei meinem Herrn
Vater lernen; und a posteriori fängt Alles an, wie ein altes
Mährchen: es war einmal!
Valerio. So wollen wir Helden werden. (Er marſchirt
trompetend und trommelnd auf und ab.) Trom—trom—pläre
—plem!
Leonce. Aber der Heroismus fuſelt abſcheulich und
bekommt das Lazarethfieber und kann ohne Lieutenants und
Rekruten nicht beſtehen. Pack dich mit deiner Alexanders-
und Napoleons-Romantik!
Valerio. So wollen wir Genies werden.
Leonce. Die Nachtigall der Poeſie ſchlägt den ganzen
Tag über unſerm Haupt, aber das Feinſte geht zum Teufel,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |