Frankfurter Häuptern der Verschwörung, aber über die Kopf- zahl der Verschworenen und ihre Mittel in anderen Ländern war er selbst im Unklaren, und glaubte Alles, was ihm Gärth und Rauschenplath in Frankfurt bona, stellenweise auch mala fide über die revolutionäre Stimmung der Wür- temberg'schen Armee, geworbene Polenlegionen etc. vorfabu- lirten. Selbst jeglicher Lüge abhold, ahnte der ehrliche Mann nicht, daß Andere in dieser "heiligen Sache" sich und ihn täuschen mochten. Erst in elfter Stunde, als der Tag der Revolution bereits festgestellt war, stiegen ihm Bedenken auf, er eilte am letzten März nach Frankfurt, gab gewissenhaft an, wie viel Mann und Waffen er selbst stellen könne, forderte aber auch gleiche Angaben über die übrigen Theilnehmer. Nun endlich gestanden ihm die Frankfurter ein, daß man weder auf Soldaten, noch auf Polen, sondern nur eben auf einige undisciplinirte Haufen rechnen könne. Weidig vernahm es entsetzt und bat und beschwor nun, den Plan einer Revolution aufzugeben oder doch zu ver- tagen. Es war vergeblich, in bitterem Groll und Schmerz kehrte er heim. Den Zuzug der Gießener Studenten konnte er nicht hindern, aber von seiner Butzbacher Schaar ging keiner nach Frankfurt. Dort nahmen die Dinge inzwischen ihren bekannten, traurigen Lauf, am Abend des 3. April begann, am selben Abend endete der Aufruhr. Er war dem Bundestag wenn auch nicht rechtzeitig genug durch einen Ver- räther angekündigt worden, aber auch ohnedies war das Unternehmen ein todtgeborenes. Nun begann die "Vergeltung", die hessischen Gerichte bekamen traurige Arbeit, und das Gefängniß zu Friedberg füllte sich bald mit Hochverräthern. Vorerst wurden die jungen, unvorsichtigen Gießener Studenten
Frankfurter Häuptern der Verſchwörung, aber über die Kopf- zahl der Verſchworenen und ihre Mittel in anderen Ländern war er ſelbſt im Unklaren, und glaubte Alles, was ihm Gärth und Rauſchenplath in Frankfurt bona, ſtellenweiſe auch mala fide über die revolutionäre Stimmung der Wür- temberg'ſchen Armee, geworbene Polenlegionen etc. vorfabu- lirten. Selbſt jeglicher Lüge abhold, ahnte der ehrliche Mann nicht, daß Andere in dieſer "heiligen Sache" ſich und ihn täuſchen mochten. Erſt in elfter Stunde, als der Tag der Revolution bereits feſtgeſtellt war, ſtiegen ihm Bedenken auf, er eilte am letzten März nach Frankfurt, gab gewiſſenhaft an, wie viel Mann und Waffen er ſelbſt ſtellen könne, forderte aber auch gleiche Angaben über die übrigen Theilnehmer. Nun endlich geſtanden ihm die Frankfurter ein, daß man weder auf Soldaten, noch auf Polen, ſondern nur eben auf einige undisciplinirte Haufen rechnen könne. Weidig vernahm es entſetzt und bat und beſchwor nun, den Plan einer Revolution aufzugeben oder doch zu ver- tagen. Es war vergeblich, in bitterem Groll und Schmerz kehrte er heim. Den Zuzug der Gießener Studenten konnte er nicht hindern, aber von ſeiner Butzbacher Schaar ging keiner nach Frankfurt. Dort nahmen die Dinge inzwiſchen ihren bekannten, traurigen Lauf, am Abend des 3. April begann, am ſelben Abend endete der Aufruhr. Er war dem Bundestag wenn auch nicht rechtzeitig genug durch einen Ver- räther angekündigt worden, aber auch ohnedies war das Unternehmen ein todtgeborenes. Nun begann die "Vergeltung", die heſſiſchen Gerichte bekamen traurige Arbeit, und das Gefängniß zu Friedberg füllte ſich bald mit Hochverräthern. Vorerſt wurden die jungen, unvorſichtigen Gießener Studenten
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[LXXXVI/0102]
Frankfurter Häuptern der Verſchwörung, aber über die Kopf-
zahl der Verſchworenen und ihre Mittel in anderen Ländern
war er ſelbſt im Unklaren, und glaubte Alles, was ihm
Gärth und Rauſchenplath in Frankfurt bona, ſtellenweiſe
auch mala fide über die revolutionäre Stimmung der Wür-
temberg'ſchen Armee, geworbene Polenlegionen etc. vorfabu-
lirten. Selbſt jeglicher Lüge abhold, ahnte der ehrliche
Mann nicht, daß Andere in dieſer "heiligen Sache" ſich
und ihn täuſchen mochten. Erſt in elfter Stunde, als
der Tag der Revolution bereits feſtgeſtellt war, ſtiegen ihm
Bedenken auf, er eilte am letzten März nach Frankfurt, gab
gewiſſenhaft an, wie viel Mann und Waffen er ſelbſt ſtellen
könne, forderte aber auch gleiche Angaben über die übrigen
Theilnehmer. Nun endlich geſtanden ihm die Frankfurter
ein, daß man weder auf Soldaten, noch auf Polen, ſondern
nur eben auf einige undisciplinirte Haufen rechnen könne.
Weidig vernahm es entſetzt und bat und beſchwor nun,
den Plan einer Revolution aufzugeben oder doch zu ver-
tagen. Es war vergeblich, in bitterem Groll und Schmerz
kehrte er heim. Den Zuzug der Gießener Studenten konnte
er nicht hindern, aber von ſeiner Butzbacher Schaar ging
keiner nach Frankfurt. Dort nahmen die Dinge inzwiſchen
ihren bekannten, traurigen Lauf, am Abend des 3. April
begann, am ſelben Abend endete der Aufruhr. Er war dem
Bundestag wenn auch nicht rechtzeitig genug durch einen Ver-
räther angekündigt worden, aber auch ohnedies war das
Unternehmen ein todtgeborenes. Nun begann die "Vergeltung",
die heſſiſchen Gerichte bekamen traurige Arbeit, und das
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. LXXXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/102>, abgerufen am 25.11.2024.
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