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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

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nannten Forscher mit Recht die Kraft als eine bloße
Eigenschaft des Stoff's
. Es kann eine Kraft so
wenig ohne einen Stoff existiren, als ein Sehen ohne
einen Sehapparat, als ein Denken ohne einen Denk-
apparat. "Es ist nie Jemanden eingefallen, sagt Vogt,
zu behaupten, daß die Absonderungsfähigkeit getrennt
von der Drüse, die Zusammenziehungsfähigkeit getrennt
von der Muskelfaser existiren könne. Die Absurdidät
einer solchen Jdee ist so auffallend, daß man nicht ein-
mal den Muth hatte, bei den genannten Organen an
dieselbe zu denken." Von je konnte uns nichts Anderes
über die Existenz einer Kraft Aufschluß geben, als die
Veränderungen, die wir an der Materie sinnlich wahr-
nahmen und die wir, indem wir sie nach ihren Aehnlich-
keiten unter bestimmten Namen subsummirten, mit dem
Worte "Kräfte" bezeichneten; jede Kenntniß von ihnen
auf anderem Wege ist eine Unmöglichkeit.

Welche allgemeine Consequenz läßt sich aus dieser
Erkenntniß ziehen?

Daß Diejenigen, welche von einer Schöpferkraft
reden, welche die Welt aus sich selbst oder aus dem
Nichts hervorgebracht haben soll, mit dem ersten und
einfachsten Grundsatze philosophischer und auf Empirie
gegründeter Naturbetrachtung unbekannt sind. Wie hätte
eine Kraft existiren können, welche nicht an dem Stoffe

nannten Forſcher mit Recht die Kraft als eine bloße
Eigenſchaft des Stoff’s
. Es kann eine Kraft ſo
wenig ohne einen Stoff exiſtiren, als ein Sehen ohne
einen Sehapparat, als ein Denken ohne einen Denk-
apparat. „Es iſt nie Jemanden eingefallen, ſagt Vogt,
zu behaupten, daß die Abſonderungsfähigkeit getrennt
von der Drüſe, die Zuſammenziehungsfähigkeit getrennt
von der Muskelfaſer exiſtiren könne. Die Abſurdidät
einer ſolchen Jdee iſt ſo auffallend, daß man nicht ein-
mal den Muth hatte, bei den genannten Organen an
dieſelbe zu denken.‟ Von je konnte uns nichts Anderes
über die Exiſtenz einer Kraft Aufſchluß geben, als die
Veränderungen, die wir an der Materie ſinnlich wahr-
nahmen und die wir, indem wir ſie nach ihren Aehnlich-
keiten unter beſtimmten Namen ſubſummirten, mit dem
Worte „Kräfte‟ bezeichneten; jede Kenntniß von ihnen
auf anderem Wege iſt eine Unmöglichkeit.

Welche allgemeine Conſequenz läßt ſich aus dieſer
Erkenntniß ziehen?

Daß Diejenigen, welche von einer Schöpferkraft
reden, welche die Welt aus ſich ſelbſt oder aus dem
Nichts hervorgebracht haben ſoll, mit dem erſten und
einfachſten Grundſatze philoſophiſcher und auf Empirie
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[5/0025] nannten Forſcher mit Recht die Kraft als eine bloße Eigenſchaft des Stoff’s. Es kann eine Kraft ſo wenig ohne einen Stoff exiſtiren, als ein Sehen ohne einen Sehapparat, als ein Denken ohne einen Denk- apparat. „Es iſt nie Jemanden eingefallen, ſagt Vogt, zu behaupten, daß die Abſonderungsfähigkeit getrennt von der Drüſe, die Zuſammenziehungsfähigkeit getrennt von der Muskelfaſer exiſtiren könne. Die Abſurdidät einer ſolchen Jdee iſt ſo auffallend, daß man nicht ein- mal den Muth hatte, bei den genannten Organen an dieſelbe zu denken.‟ Von je konnte uns nichts Anderes über die Exiſtenz einer Kraft Aufſchluß geben, als die Veränderungen, die wir an der Materie ſinnlich wahr- nahmen und die wir, indem wir ſie nach ihren Aehnlich- keiten unter beſtimmten Namen ſubſummirten, mit dem Worte „Kräfte‟ bezeichneten; jede Kenntniß von ihnen auf anderem Wege iſt eine Unmöglichkeit. Welche allgemeine Conſequenz läßt ſich aus dieſer Erkenntniß ziehen? Daß Diejenigen, welche von einer Schöpferkraft reden, welche die Welt aus ſich ſelbſt oder aus dem Nichts hervorgebracht haben ſoll, mit dem erſten und einfachſten Grundſatze philoſophiſcher und auf Empirie gegründeter Naturbetrachtung unbekannt ſind. Wie hätte eine Kraft exiſtiren können, welche nicht an dem Stoffe

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Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/25>, abgerufen am 29.03.2024.