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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

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sich auch, wie Mulder richtig auseinandersetzt, Kräfte
nicht mittheilen, sondern nur wecken. Magnetismus
kann nicht, wie es wohl scheinen möchte, übertragen,
sondern nur hervorgerufen, aufgeschlossen werden da-
durch, daß wir die Aggregatszustände seines Mediums
ändern. Die magnetischen Kräfte haften an den Mole-
külen des Eisens, und sie sind z. B. an einem Magnet-
stabe gerade da am stärksten, wo sie nach Außen am
wenigsten oder gar nicht bemerkbar werden, d. h. in der
Mitte. Man denke sich eine Elektricität, einen Magne-
tismus ohne das Eisen oder ohne jene Körper, an denen
wir die Erscheinungsweisen dieser Kräfte beobachtet haben,
ohne jene Stofftheilchen, deren gegenseitiges molekuläres
Verhalten eben die Ursache dieser Erscheinungen abgibt;
es würde uns Nichts bleiben, als ein formloser Begriff,
eine leere Abstraction, der wir nur darum einen eigenen
Namen gegeben haben, um uns besser über diesen Be-
griff verständigen zu können. Hätte es nie Stoff-
theilchen gegeben, die in einen elektrischen Zu-
stand versetzt werden können, so würde es auch
nie Elektricität gegeben haben, und wir wür-
den mit alleiniger Hülfe der Abstraction nie-
mals im Stande gewesen sein, die geringste
Kenntniß oder Ahnung von Elektricität zu er-
langen
. Ja, man muß sagen, sie würde ohne diese
Theilchen nie existirt haben! Darum definiren die ge-

ſich auch, wie Mulder richtig auseinanderſetzt, Kräfte
nicht mittheilen, ſondern nur wecken. Magnetismus
kann nicht, wie es wohl ſcheinen möchte, übertragen,
ſondern nur hervorgerufen, aufgeſchloſſen werden da-
durch, daß wir die Aggregatszuſtände ſeines Mediums
ändern. Die magnetiſchen Kräfte haften an den Mole-
külen des Eiſens, und ſie ſind z. B. an einem Magnet-
ſtabe gerade da am ſtärkſten, wo ſie nach Außen am
wenigſten oder gar nicht bemerkbar werden, d. h. in der
Mitte. Man denke ſich eine Elektricität, einen Magne-
tismus ohne das Eiſen oder ohne jene Körper, an denen
wir die Erſcheinungsweiſen dieſer Kräfte beobachtet haben,
ohne jene Stofftheilchen, deren gegenſeitiges molekuläres
Verhalten eben die Urſache dieſer Erſcheinungen abgibt;
es würde uns Nichts bleiben, als ein formloſer Begriff,
eine leere Abſtraction, der wir nur darum einen eigenen
Namen gegeben haben, um uns beſſer über dieſen Be-
griff verſtändigen zu können. Hätte es nie Stoff-
theilchen gegeben, die in einen elektriſchen Zu-
ſtand verſetzt werden können, ſo würde es auch
nie Elektricität gegeben haben, und wir wür-
den mit alleiniger Hülfe der Abſtraction nie-
mals im Stande geweſen ſein, die geringſte
Kenntniß oder Ahnung von Elektricität zu er-
langen
. Ja, man muß ſagen, ſie würde ohne dieſe
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[4/0024] ſich auch, wie Mulder richtig auseinanderſetzt, Kräfte nicht mittheilen, ſondern nur wecken. Magnetismus kann nicht, wie es wohl ſcheinen möchte, übertragen, ſondern nur hervorgerufen, aufgeſchloſſen werden da- durch, daß wir die Aggregatszuſtände ſeines Mediums ändern. Die magnetiſchen Kräfte haften an den Mole- külen des Eiſens, und ſie ſind z. B. an einem Magnet- ſtabe gerade da am ſtärkſten, wo ſie nach Außen am wenigſten oder gar nicht bemerkbar werden, d. h. in der Mitte. Man denke ſich eine Elektricität, einen Magne- tismus ohne das Eiſen oder ohne jene Körper, an denen wir die Erſcheinungsweiſen dieſer Kräfte beobachtet haben, ohne jene Stofftheilchen, deren gegenſeitiges molekuläres Verhalten eben die Urſache dieſer Erſcheinungen abgibt; es würde uns Nichts bleiben, als ein formloſer Begriff, eine leere Abſtraction, der wir nur darum einen eigenen Namen gegeben haben, um uns beſſer über dieſen Be- griff verſtändigen zu können. Hätte es nie Stoff- theilchen gegeben, die in einen elektriſchen Zu- ſtand verſetzt werden können, ſo würde es auch nie Elektricität gegeben haben, und wir wür- den mit alleiniger Hülfe der Abſtraction nie- mals im Stande geweſen ſein, die geringſte Kenntniß oder Ahnung von Elektricität zu er- langen. Ja, man muß ſagen, ſie würde ohne dieſe Theilchen nie exiſtirt haben! Darum definiren die ge-

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Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/24>, abgerufen am 29.03.2024.