selbst in die Erscheinung tritt, sondern denselben will- kührlich und nach individuellen Rücksichten beherrscht? -- Ebensowenig konnten sich gesondert vorhandene Kräfte in die form- und gesetzlose Materie übertragen und auf diese Weise die Welt erzeugen. Denn wir haben ge- sehen, daß eine getrennte Existenz dieser beiden zu den Unmöglichkeiten gehört. Daß die Welt nicht aus dem Nichts entstehen konnte, wird uns eine spätere Betrachtung lehren, welche von der Unsterblichkeit des Stoff's handelt. Ein Nichts ist nicht bloß ein logisches, sondern auch ein empirisches Unding. Die Welt oder der Stoff mit seinen Eigenschaften, die wir Kräfte nen- nen, mußten von Ewigkeit sein und werden in Ewig- keit sein müssen -- mit einem Worte: die Welt kann nicht geschaffen sein. Freilich ist der Begriff "Ewig" ein solcher, der sich schwer mit unsern endlichen Verstan- deskräften zu vertragen scheint; nichtsdestoweniger können wir diese Vorstellung nicht abweisen. Jn wie vielen andern Beziehungen noch die Vorstellung einer indivi- duellen Schöpferkraft an Absurdidäten leidet, werden wir im Verlaufe unserer späteren Betrachtungen einigemal gewahr werden. Daß die Welt nicht regiert wird, wie man sich wohl hin und wieder auszudrücken pflegt, sondern daß die Bewegungen des Stoff's einer voll- kommenen und in ihm selbst begründeten Naturnothwen- digkeit gehorchen, von der es keine Ausnahme gibt --
ſelbſt in die Erſcheinung tritt, ſondern denſelben will- kührlich und nach individuellen Rückſichten beherrſcht? — Ebenſowenig konnten ſich geſondert vorhandene Kräfte in die form- und geſetzloſe Materie übertragen und auf dieſe Weiſe die Welt erzeugen. Denn wir haben ge- ſehen, daß eine getrennte Exiſtenz dieſer beiden zu den Unmöglichkeiten gehört. Daß die Welt nicht aus dem Nichts entſtehen konnte, wird uns eine ſpätere Betrachtung lehren, welche von der Unſterblichkeit des Stoff’s handelt. Ein Nichts iſt nicht bloß ein logiſches, ſondern auch ein empiriſches Unding. Die Welt oder der Stoff mit ſeinen Eigenſchaften, die wir Kräfte nen- nen, mußten von Ewigkeit ſein und werden in Ewig- keit ſein müſſen — mit einem Worte: die Welt kann nicht geſchaffen ſein. Freilich iſt der Begriff „Ewig‟ ein ſolcher, der ſich ſchwer mit unſern endlichen Verſtan- deskräften zu vertragen ſcheint; nichtsdeſtoweniger können wir dieſe Vorſtellung nicht abweiſen. Jn wie vielen andern Beziehungen noch die Vorſtellung einer indivi- duellen Schöpferkraft an Abſurdidäten leidet, werden wir im Verlaufe unſerer ſpäteren Betrachtungen einigemal gewahr werden. Daß die Welt nicht regiert wird, wie man ſich wohl hin und wieder auszudrücken pflegt, ſondern daß die Bewegungen des Stoff’s einer voll- kommenen und in ihm ſelbſt begründeten Naturnothwen- digkeit gehorchen, von der es keine Ausnahme gibt —
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ſelbſt in die Erſcheinung tritt, ſondern denſelben will-
kührlich und nach individuellen Rückſichten beherrſcht? —
Ebenſowenig konnten ſich geſondert vorhandene Kräfte
in die form- und geſetzloſe Materie übertragen und auf
dieſe Weiſe die Welt erzeugen. Denn wir haben ge-
ſehen, daß eine getrennte Exiſtenz dieſer beiden zu
den Unmöglichkeiten gehört. Daß die Welt nicht aus
dem Nichts entſtehen konnte, wird uns eine ſpätere
Betrachtung lehren, welche von der Unſterblichkeit des
Stoff’s handelt. Ein Nichts iſt nicht bloß ein logiſches,
ſondern auch ein empiriſches Unding. Die Welt oder
der Stoff mit ſeinen Eigenſchaften, die wir Kräfte nen-
nen, mußten von Ewigkeit ſein und werden in Ewig-
keit ſein müſſen — mit einem Worte: die Welt kann
nicht geſchaffen ſein. Freilich iſt der Begriff „Ewig‟
ein ſolcher, der ſich ſchwer mit unſern endlichen Verſtan-
deskräften zu vertragen ſcheint; nichtsdeſtoweniger können
wir dieſe Vorſtellung nicht abweiſen. Jn wie vielen
andern Beziehungen noch die Vorſtellung einer indivi-
duellen Schöpferkraft an Abſurdidäten leidet, werden wir
im Verlaufe unſerer ſpäteren Betrachtungen einigemal
gewahr werden. Daß die Welt nicht regiert wird,
wie man ſich wohl hin und wieder auszudrücken pflegt,
ſondern daß die Bewegungen des Stoff’s einer voll-
kommenen und in ihm ſelbſt begründeten Naturnothwen-
digkeit gehorchen, von der es keine Ausnahme gibt —
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/26>, abgerufen am 22.11.2024.
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