Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.welches zugleich der Taufname eines Blinden der Anstalt 11*
welches zugleich der Taufname eines Blinden der Anſtalt 11*
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welches zugleich der Taufname eines Blinden der Anſtalt
war. So oft er nun das Wort ausſprach, mußte der
Blinde zu ihm kommen. Mit großer Ueberraſchung
bemerkte das Meyſtre und entdeckte auf dieſe Weiſe,
daß man mit Hülfe der Sprache ſich aus einiger Ent-
fernung verſtändigen könne. Von Gott hatte Mey-
ſtre keine Jdee und verwechſelte, als man ihm den
Begriff deutlich zu machen ſuchte, ſtets Gott und die
Sonne mit einander. Von allen civiliſirten Geſetz-
gebungen werden daher Taubſtumme wegen der Schwäche
ihrer geiſtigen Fähigkeiten für unfrei und unzurechnungs-
fähig erklärt. — Nicht ſelten leſen wir in den Zeitungen
von dem elenden, vollkommen thieriſchen Zuſtand jener
unglücklichen Geſchöpfe, welche Habſucht oder Barbarei
als Kinder in dunkle oder abgeſchloſſene Räume einge-
ſperrt und dort außerhalb der menſchlichen Geſellſchaft
und ohne jede geiſtige Anregung verborgen gehalten hat.
Das körperliche und geiſtige Leben ſolcher Weſen iſt ein
bloßer Vegetationszuſtand, kein menſchlich entwickeltes
Daſein, und die allgemeinen ſowohl wie ſpeciellen Be-
griffe dieſes Daſeins gehen ihnen ab. Wo bleibt denn
nun, wenn vorhanden, bei ſolchen Geſchöpfen der gott-
geborene Geiſt? warum entwickelt er ſich nicht trotz der
hemmenden äußeren Verhältniſſe durch ſeine eigene Kraft
und trägt den Sieg über die Natur davon? Dem be-
kannten Caſpar Hauſer konnte man den Begriff eines
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