in ihrer Ausbildung vorschreiten und je mehr sie sich den äußeren Elementen unterwerfen, von welchen sie ihre Nahrung ziehen." Mit den letzten Worten deutet Vogt zugleich an, welchen wichtigen und bestimmenden Ein- fluß äußere Umstände und Lebensbedingungen auf Ent- wicklung und Formirung der Organismen ausüben können und müssen. Je jünger die Erde war, um so mächtiger und bestimmender mußten auch diese Einflüsse sein, und es ist, wie wir später sehen werden, durchaus nicht unmöglich oder undenkbar, daß dieselben Keime durch sehr verschiedene äußere Umstände zu sehr hetero- genen Entwicklungen gebracht werden konnten. Nachweis- bar gingen eine Menge vorweltlicher Formen unter, als ihre äußeren Bedingungen sich verloren; wesentlich ge- änderte Verhältnisse tödteten eine ältere Organisation und erzeugten eine neue. Daß diese Einflüsse in den vorweltlichen Perioden der Erdbildung ungemein kräf- tigere gewesen sein müssen als heute, daß sie im Stande waren, Wirkungen zu erzeugen, welche heute vielleicht nicht mehr allgemein von ihnen beobachtet werden, wel- cher Vernünftige wird dies abstreiten wollen? Haben wir doch sogar bestimmte wissenschaftliche Anhaltspunkte für eine solche Annahme! Vor Allem war die allem organischen Entstehen und Wachsthum so ungemein för- derliche Temperatur eine ungleich höhere als heute, und Sibirien, welches heute nur kümmerliche Sträucher
Büchner, Kraft und Stoff. 6
in ihrer Ausbildung vorſchreiten und je mehr ſie ſich den äußeren Elementen unterwerfen, von welchen ſie ihre Nahrung ziehen.‟ Mit den letzten Worten deutet Vogt zugleich an, welchen wichtigen und beſtimmenden Ein- fluß äußere Umſtände und Lebensbedingungen auf Ent- wicklung und Formirung der Organismen ausüben können und müſſen. Je jünger die Erde war, um ſo mächtiger und beſtimmender mußten auch dieſe Einflüſſe ſein, und es iſt, wie wir ſpäter ſehen werden, durchaus nicht unmöglich oder undenkbar, daß dieſelben Keime durch ſehr verſchiedene äußere Umſtände zu ſehr hetero- genen Entwicklungen gebracht werden konnten. Nachweis- bar gingen eine Menge vorweltlicher Formen unter, als ihre äußeren Bedingungen ſich verloren; weſentlich ge- änderte Verhältniſſe tödteten eine ältere Organiſation und erzeugten eine neue. Daß dieſe Einflüſſe in den vorweltlichen Perioden der Erdbildung ungemein kräf- tigere geweſen ſein müſſen als heute, daß ſie im Stande waren, Wirkungen zu erzeugen, welche heute vielleicht nicht mehr allgemein von ihnen beobachtet werden, wel- cher Vernünftige wird dies abſtreiten wollen? Haben wir doch ſogar beſtimmte wiſſenſchaftliche Anhaltspunkte für eine ſolche Annahme! Vor Allem war die allem organiſchen Entſtehen und Wachsthum ſo ungemein för- derliche Temperatur eine ungleich höhere als heute, und Sibirien, welches heute nur kümmerliche Sträucher
Büchner, Kraft und Stoff. 6
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in ihrer Ausbildung vorſchreiten und je mehr ſie ſich
den äußeren Elementen unterwerfen, von welchen ſie ihre
Nahrung ziehen.‟ Mit den letzten Worten deutet Vogt
zugleich an, welchen wichtigen und beſtimmenden Ein-
fluß äußere Umſtände und Lebensbedingungen auf Ent-
wicklung und Formirung der Organismen ausüben
können und müſſen. Je jünger die Erde war, um ſo
mächtiger und beſtimmender mußten auch dieſe Einflüſſe
ſein, und es iſt, wie wir ſpäter ſehen werden, durchaus
nicht unmöglich oder undenkbar, daß dieſelben Keime
durch ſehr verſchiedene äußere Umſtände zu ſehr hetero-
genen Entwicklungen gebracht werden konnten. Nachweis-
bar gingen eine Menge vorweltlicher Formen unter, als
ihre äußeren Bedingungen ſich verloren; weſentlich ge-
änderte Verhältniſſe tödteten eine ältere Organiſation
und erzeugten eine neue. Daß dieſe Einflüſſe in den
vorweltlichen Perioden der Erdbildung ungemein kräf-
tigere geweſen ſein müſſen als heute, daß ſie im Stande
waren, Wirkungen zu erzeugen, welche heute vielleicht
nicht mehr allgemein von ihnen beobachtet werden, wel-
cher Vernünftige wird dies abſtreiten wollen? Haben
wir doch ſogar beſtimmte wiſſenſchaftliche Anhaltspunkte
für eine ſolche Annahme! Vor Allem war die allem
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/101>, abgerufen am 24.11.2024.
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