und an kaltes Klima gewöhnte Thiere hervorbringt, war bevölkert von einer Unzahl von Elephanten, welche eines üppigen Pflanzenwuchses zu ihrer Erhaltung be- durften. Auch in jenen merkwürdigen abenteuerlichen Formen, welche uns die Thiere der Vorwelt mitunter dar- bieten, sowie in der größeren Anzahl durch enorme Größe ausgezeichneter Thiergeschlechter offenbart sich die verhält- nißmäßig größere Kraft der Natur in jenen Perioden. Wir kennen heute keine Thierart mehr, welche so enorme Größenunterschiede der individuellen Entwicklung dar- bietet, wie das schon genannte Paläotherium. Unter diesen Umständen erscheint es uns kaum begreiflich, wie manche Naturforscher sich gegen die Annahme eines Gesetzes allmähliger Verwandlung sträuben können -- und zwar aus keinem andern Grunde, als weil unter unsern heutigen Verhältnissen zumeist eine derartige Trennung der einzelnen Thierarten beobachtet wird, daß gleiche Eltern immer nur wieder gleiche Jungen erzeugen. Kann denn das Gesetz der Uebergänge, dessen Züge so tief und unverkennbar sind, ohne tieferen Grund, kann es aus Zufall vorhanden sein? Und welches Recht haben wir, aus der unendlich kurzen Spanne Zeit, deren Er- fahrung uns zu Gebote steht, auf jene endlosen ver- gangenen Zeiträume, und aus den natürlichen Verhält- nissen der Jetztzeit auf diejenigen Zustände der Erde zurückzuschließen, in denen die Natur unzweifelhaft jünger
und an kaltes Klima gewöhnte Thiere hervorbringt, war bevölkert von einer Unzahl von Elephanten, welche eines üppigen Pflanzenwuchſes zu ihrer Erhaltung be- durften. Auch in jenen merkwürdigen abenteuerlichen Formen, welche uns die Thiere der Vorwelt mitunter dar- bieten, ſowie in der größeren Anzahl durch enorme Größe ausgezeichneter Thiergeſchlechter offenbart ſich die verhält- nißmäßig größere Kraft der Natur in jenen Perioden. Wir kennen heute keine Thierart mehr, welche ſo enorme Größenunterſchiede der individuellen Entwicklung dar- bietet, wie das ſchon genannte Paläotherium. Unter dieſen Umſtänden erſcheint es uns kaum begreiflich, wie manche Naturforſcher ſich gegen die Annahme eines Geſetzes allmähliger Verwandlung ſträuben können — und zwar aus keinem andern Grunde, als weil unter unſern heutigen Verhältniſſen zumeiſt eine derartige Trennung der einzelnen Thierarten beobachtet wird, daß gleiche Eltern immer nur wieder gleiche Jungen erzeugen. Kann denn das Geſetz der Uebergänge, deſſen Züge ſo tief und unverkennbar ſind, ohne tieferen Grund, kann es aus Zufall vorhanden ſein? Und welches Recht haben wir, aus der unendlich kurzen Spanne Zeit, deren Er- fahrung uns zu Gebote ſteht, auf jene endloſen ver- gangenen Zeiträume, und aus den natürlichen Verhält- niſſen der Jetztzeit auf diejenigen Zuſtände der Erde zurückzuſchließen, in denen die Natur unzweifelhaft jünger
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und an kaltes Klima gewöhnte Thiere hervorbringt,
war bevölkert von einer Unzahl von Elephanten, welche
eines üppigen Pflanzenwuchſes zu ihrer Erhaltung be-
durften. Auch in jenen merkwürdigen abenteuerlichen
Formen, welche uns die Thiere der Vorwelt mitunter dar-
bieten, ſowie in der größeren Anzahl durch enorme Größe
ausgezeichneter Thiergeſchlechter offenbart ſich die verhält-
nißmäßig größere Kraft der Natur in jenen Perioden.
Wir kennen heute keine Thierart mehr, welche ſo enorme
Größenunterſchiede der individuellen Entwicklung dar-
bietet, wie das ſchon genannte Paläotherium. Unter
dieſen Umſtänden erſcheint es uns kaum begreiflich, wie
manche Naturforſcher ſich gegen die Annahme eines
Geſetzes allmähliger Verwandlung ſträuben können —
und zwar aus keinem andern Grunde, als weil unter
unſern heutigen Verhältniſſen zumeiſt eine derartige
Trennung der einzelnen Thierarten beobachtet wird, daß
gleiche Eltern immer nur wieder gleiche Jungen erzeugen.
Kann denn das Geſetz der Uebergänge, deſſen Züge ſo
tief und unverkennbar ſind, ohne tieferen Grund, kann
es aus Zufall vorhanden ſein? Und welches Recht haben
wir, aus der unendlich kurzen Spanne Zeit, deren Er-
fahrung uns zu Gebote ſteht, auf jene endloſen ver-
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/102>, abgerufen am 24.11.2024.
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