gedenken, welche in sozialer Hinsicht eine Sonderstellung einnehmen. Es sind die Personen geistlichen Standes und die Juden.
Der geistliche Stand umfaßte im XIV. und XV. Jahrhundert 85--100 Weltgeistliche, 80--100 Mönche, 40--50 Klosterfrauen und 35--55 Vertreter fremder Ritter- orden, Klöster und Stifte, also im ganzen 240--300 Per- sonen. Da die Existenz dieses zahlreichen Personals durch feste Pfründeneinkünfte und Stiftungen gesichert war und nur etwa die Bettelorden zeitweise die Bürgerschaft in An- spruch nahmen, so belasteten sie die städtische Wirtschaft keineswegs in dem Maße, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Auf der anderen Seite aber trugen sie auch nichts bei zu den städtischen Ausgaben wegen ihrer Steuerfreiheit, wie sie es wohl nach ihrem Vermögen ge- konnt hätten.
Die Judengemeinde hat vor 1360--1500 nie- mals 30 Familien erreicht; sie wechselt in dieser ganzen Zeit, wo wir sie Jahr für Jahr nach den Steuerlisten zählen können, stark in ihrem Bestand; um 1440 zählt sie nur 6--9 Haushaltungen. Ihr einziges Gewerbe ist das Geld- und Pfandleihgeschäft; Warenhandel hat im mittel- alterlichen Frankfurt nie ein Jude getrieben.
Wir kommen zur fluktuierenden Bevölkerung, der Arbeiterklasse, wie wir heute sagen würden, den Knechten und Mägden, wie das Mittelalter sich ausdrückte. Einen einheimischen, seßhaften Arbeiterstand, wie die Gegenwart,
gedenken, welche in ſozialer Hinſicht eine Sonderſtellung einnehmen. Es ſind die Perſonen geiſtlichen Standes und die Juden.
Der geiſtliche Stand umfaßte im XIV. und XV. Jahrhundert 85—100 Weltgeiſtliche, 80—100 Mönche, 40—50 Kloſterfrauen und 35—55 Vertreter fremder Ritter- orden, Klöſter und Stifte, alſo im ganzen 240—300 Per- ſonen. Da die Exiſtenz dieſes zahlreichen Perſonals durch feſte Pfründeneinkünfte und Stiftungen geſichert war und nur etwa die Bettelorden zeitweiſe die Bürgerſchaft in An- ſpruch nahmen, ſo belaſteten ſie die ſtädtiſche Wirtſchaft keineswegs in dem Maße, wie es auf den erſten Blick ſcheinen könnte. Auf der anderen Seite aber trugen ſie auch nichts bei zu den ſtädtiſchen Ausgaben wegen ihrer Steuerfreiheit, wie ſie es wohl nach ihrem Vermögen ge- konnt hätten.
Die Judengemeinde hat vor 1360—1500 nie- mals 30 Familien erreicht; ſie wechſelt in dieſer ganzen Zeit, wo wir ſie Jahr für Jahr nach den Steuerliſten zählen können, ſtark in ihrem Beſtand; um 1440 zählt ſie nur 6—9 Haushaltungen. Ihr einziges Gewerbe iſt das Geld- und Pfandleihgeſchäft; Warenhandel hat im mittel- alterlichen Frankfurt nie ein Jude getrieben.
Wir kommen zur fluktuierenden Bevölkerung, der Arbeiterklaſſe, wie wir heute ſagen würden, den Knechten und Mägden, wie das Mittelalter ſich ausdrückte. Einen einheimiſchen, ſeßhaften Arbeiterſtand, wie die Gegenwart,
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gedenken, welche in ſozialer Hinſicht eine Sonderſtellung
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Der geiſtliche Stand umfaßte im XIV. und
XV. Jahrhundert 85—100 Weltgeiſtliche, 80—100 Mönche,
40—50 Kloſterfrauen und 35—55 Vertreter fremder Ritter-
orden, Klöſter und Stifte, alſo im ganzen 240—300 Per-
ſonen. Da die Exiſtenz dieſes zahlreichen Perſonals durch
feſte Pfründeneinkünfte und Stiftungen geſichert war und
nur etwa die Bettelorden zeitweiſe die Bürgerſchaft in An-
ſpruch nahmen, ſo belaſteten ſie die ſtädtiſche Wirtſchaft
keineswegs in dem Maße, wie es auf den erſten Blick
ſcheinen könnte. Auf der anderen Seite aber trugen ſie
auch nichts bei zu den ſtädtiſchen Ausgaben wegen ihrer
Steuerfreiheit, wie ſie es wohl nach ihrem Vermögen ge-
konnt hätten.
Die Judengemeinde hat vor 1360—1500 nie-
mals 30 Familien erreicht; ſie wechſelt in dieſer ganzen
Zeit, wo wir ſie Jahr für Jahr nach den Steuerliſten
zählen können, ſtark in ihrem Beſtand; um 1440 zählt ſie
nur 6—9 Haushaltungen. Ihr einziges Gewerbe iſt das
Geld- und Pfandleihgeſchäft; Warenhandel hat im mittel-
alterlichen Frankfurt nie ein Jude getrieben.
Wir kommen zur fluktuierenden Bevölkerung,
der Arbeiterklaſſe, wie wir heute ſagen würden, den Knechten
und Mägden, wie das Mittelalter ſich ausdrückte. Einen
einheimiſchen, ſeßhaften Arbeiterſtand, wie die Gegenwart,
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/260>, abgerufen am 08.07.2024.
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