diejenigen, welche wirklich von den Einkünften ihrer Aemtchen leben konnten. Dazu kommt noch das bedeutende Personal, welches die Stadt zur Bewachung der Pforten, Türme, Erker, Warten und Schläge bedurfte -- meist ärmere Handwerker, die ihr ursprüngliches Gewerbe im Dienste weiter trieben, ferner die zahlreichen Halbbeamten für den Markthandel und Verkehr, endlich die Gewerbetreibenden im städtischen Dienst, wie der Stadtbaumeister, der Stadt- schmied, der Stadtkoch, der Müller in der Stadtmühle, der Bäcker im städtischen Backhaus, sodaß wir insgesamt auf gegen 200 städtische Angestellte kommen ohne die Söldner. Nicht selten wurden auch mehrere Aemtchen in einer Hand vereinigt, und ebensolche Berufsvereinigungen finden wir bei den bürgerlichen Gewerben.
Die auffallendste Eigentümlichkeit der städtischen Be- rufsgestaltung ist aber das Zurücktreten des Handels. Dasselbe erklärt sich einfach daraus, daß im Mittelalter der Handel nur da eingreifen konnte, wo die einheimische Produktion versagte, und daß auf dem städtischen Markte, soweit irgend möglich, der Konsument direkt auch mit dem auswärtigen Produzenten verkehren sollte. Nur daß das Mittelalter im Interesse der Verkehrssicherheit zwischen beide ein Heer von beeideten Maklern (Unterkäufern), Messern und Wiegern als sachkundige Vermittler einschob. Von den 230 in Handel, Verkehr und Gastwirtschaft beschäftigten Personen, welche ich vorhin genannt habe, gehören nur 70 dem Kleinhandel und der Höckerei an und 15 dem
diejenigen, welche wirklich von den Einkünften ihrer Aemtchen leben konnten. Dazu kommt noch das bedeutende Perſonal, welches die Stadt zur Bewachung der Pforten, Türme, Erker, Warten und Schläge bedurfte — meiſt ärmere Handwerker, die ihr urſprüngliches Gewerbe im Dienſte weiter trieben, ferner die zahlreichen Halbbeamten für den Markthandel und Verkehr, endlich die Gewerbetreibenden im ſtädtiſchen Dienſt, wie der Stadtbaumeiſter, der Stadt- ſchmied, der Stadtkoch, der Müller in der Stadtmühle, der Bäcker im ſtädtiſchen Backhaus, ſodaß wir insgeſamt auf gegen 200 ſtädtiſche Angeſtellte kommen ohne die Söldner. Nicht ſelten wurden auch mehrere Aemtchen in einer Hand vereinigt, und ebenſolche Berufsvereinigungen finden wir bei den bürgerlichen Gewerben.
Die auffallendſte Eigentümlichkeit der ſtädtiſchen Be- rufsgeſtaltung iſt aber das Zurücktreten des Handels. Dasſelbe erklärt ſich einfach daraus, daß im Mittelalter der Handel nur da eingreifen konnte, wo die einheimiſche Produktion verſagte, und daß auf dem ſtädtiſchen Markte, ſoweit irgend möglich, der Konſument direkt auch mit dem auswärtigen Produzenten verkehren ſollte. Nur daß das Mittelalter im Intereſſe der Verkehrsſicherheit zwiſchen beide ein Heer von beeideten Maklern (Unterkäufern), Meſſern und Wiegern als ſachkundige Vermittler einſchob. Von den 230 in Handel, Verkehr und Gaſtwirtſchaft beſchäftigten Perſonen, welche ich vorhin genannt habe, gehören nur 70 dem Kleinhandel und der Höckerei an und 15 dem
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diejenigen, welche wirklich von den Einkünften ihrer Aemtchen
leben konnten. Dazu kommt noch das bedeutende Perſonal,
welches die Stadt zur Bewachung der Pforten, Türme,
Erker, Warten und Schläge bedurfte — meiſt ärmere
Handwerker, die ihr urſprüngliches Gewerbe im Dienſte
weiter trieben, ferner die zahlreichen Halbbeamten für den
Markthandel und Verkehr, endlich die Gewerbetreibenden
im ſtädtiſchen Dienſt, wie der Stadtbaumeiſter, der Stadt-
ſchmied, der Stadtkoch, der Müller in der Stadtmühle, der
Bäcker im ſtädtiſchen Backhaus, ſodaß wir insgeſamt auf
gegen 200 ſtädtiſche Angeſtellte kommen ohne die Söldner.
Nicht ſelten wurden auch mehrere Aemtchen in einer Hand
vereinigt, und ebenſolche Berufsvereinigungen finden wir
bei den bürgerlichen Gewerben.
Die auffallendſte Eigentümlichkeit der ſtädtiſchen Be-
rufsgeſtaltung iſt aber das Zurücktreten des Handels.
Dasſelbe erklärt ſich einfach daraus, daß im Mittelalter
der Handel nur da eingreifen konnte, wo die einheimiſche
Produktion verſagte, und daß auf dem ſtädtiſchen Markte,
ſoweit irgend möglich, der Konſument direkt auch mit dem
auswärtigen Produzenten verkehren ſollte. Nur daß das
Mittelalter im Intereſſe der Verkehrsſicherheit zwiſchen beide
ein Heer von beeideten Maklern (Unterkäufern), Meſſern
und Wiegern als ſachkundige Vermittler einſchob. Von
den 230 in Handel, Verkehr und Gaſtwirtſchaft beſchäftigten
Perſonen, welche ich vorhin genannt habe, gehören nur
70 dem Kleinhandel und der Höckerei an und 15 dem
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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