Bearbeitung desselben erhält er Stücklohn. Der Leinen- weber, der Müller und der Lohnbäcker auf dem Lande sind Beispiele. Wir wollen diese Form als Heimwerk be- zeichnen. Sie findet sich hauptsächlich bei Gewerben, welche feststehender, schwer transportierbarer Produktionsmittel (Mühlen, Backöfen, Webstühle, Feueressen u. dgl.) bedürfen.
Beide Formen des Lohnwerkes sind noch jetzt sehr häufig in allen Teilen der Erde. Es ließen sich Beispiele aus Indien und Japan, aus Marokko und dem Sudan und fast aus allen Ländern Europas anführen. Das System läßt sich von Homer ab durch das ganze Altertum und Mittelalter bis auf die neueste Zeit in der Litteratur ver- folgen. Die ganze Auffassung, in welcher die griechischen und römischen Rechtsquellen das Verhältnis des Kunden zum selbständigen (persönlich freien oder unfreien) Hand- werker sehen, beruht auf dem Lohnwerk; zahlreiche Be- stimmungen des mittelalterlichen Zunftrechts finden nur aus ihm ihre Erklärung.
Noch heute ist es in den Alpenländern die vorherr- schende Betriebsweise auf dem Lande. Der steirische Schrift- steller P. K. Rosegger hat in einem anziehenden Buche 1) seine Erlebnisse als Lehrling eines in den Bauernhöfen um- herziehenden Schneiders geschildert. "Die Bauernhand- werker," sagt er in der Vorrede, "als der Schuster, der Schneider, der Weber, der Böttcher (anderwärts auch der Sattler, der Schreiner, überhaupt alle Bauhandwerker)
1) Aus meinem Handwerkerleben, Leipzig 1880.
Bearbeitung deſſelben erhält er Stücklohn. Der Leinen- weber, der Müller und der Lohnbäcker auf dem Lande ſind Beiſpiele. Wir wollen dieſe Form als Heimwerk be- zeichnen. Sie findet ſich hauptſächlich bei Gewerben, welche feſtſtehender, ſchwer transportierbarer Produktionsmittel (Mühlen, Backöfen, Webſtühle, Feuereſſen u. dgl.) bedürfen.
Beide Formen des Lohnwerkes ſind noch jetzt ſehr häufig in allen Teilen der Erde. Es ließen ſich Beiſpiele aus Indien und Japan, aus Marokko und dem Sudan und faſt aus allen Ländern Europas anführen. Das Syſtem läßt ſich von Homer ab durch das ganze Altertum und Mittelalter bis auf die neueſte Zeit in der Litteratur ver- folgen. Die ganze Auffaſſung, in welcher die griechiſchen und römiſchen Rechtsquellen das Verhältnis des Kunden zum ſelbſtändigen (perſönlich freien oder unfreien) Hand- werker ſehen, beruht auf dem Lohnwerk; zahlreiche Be- ſtimmungen des mittelalterlichen Zunftrechts finden nur aus ihm ihre Erklärung.
Noch heute iſt es in den Alpenländern die vorherr- ſchende Betriebsweiſe auf dem Lande. Der ſteiriſche Schrift- ſteller P. K. Roſegger hat in einem anziehenden Buche 1) ſeine Erlebniſſe als Lehrling eines in den Bauernhöfen um- herziehenden Schneiders geſchildert. „Die Bauernhand- werker,“ ſagt er in der Vorrede, „als der Schuſter, der Schneider, der Weber, der Böttcher (anderwärts auch der Sattler, der Schreiner, überhaupt alle Bauhandwerker)
1) Aus meinem Handwerkerleben, Leipzig 1880.
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Bearbeitung deſſelben erhält er Stücklohn. Der Leinen-
weber, der Müller und der Lohnbäcker auf dem Lande ſind
Beiſpiele. Wir wollen dieſe Form als Heimwerk be-
zeichnen. Sie findet ſich hauptſächlich bei Gewerben, welche
feſtſtehender, ſchwer transportierbarer Produktionsmittel
(Mühlen, Backöfen, Webſtühle, Feuereſſen u. dgl.) bedürfen.
Beide Formen des Lohnwerkes ſind noch jetzt ſehr
häufig in allen Teilen der Erde. Es ließen ſich Beiſpiele
aus Indien und Japan, aus Marokko und dem Sudan
und faſt aus allen Ländern Europas anführen. Das Syſtem
läßt ſich von Homer ab durch das ganze Altertum und
Mittelalter bis auf die neueſte Zeit in der Litteratur ver-
folgen. Die ganze Auffaſſung, in welcher die griechiſchen
und römiſchen Rechtsquellen das Verhältnis des Kunden
zum ſelbſtändigen (perſönlich freien oder unfreien) Hand-
werker ſehen, beruht auf dem Lohnwerk; zahlreiche Be-
ſtimmungen des mittelalterlichen Zunftrechts finden nur aus
ihm ihre Erklärung.
Noch heute iſt es in den Alpenländern die vorherr-
ſchende Betriebsweiſe auf dem Lande. Der ſteiriſche Schrift-
ſteller P. K. Roſegger hat in einem anziehenden Buche 1)
ſeine Erlebniſſe als Lehrling eines in den Bauernhöfen um-
herziehenden Schneiders geſchildert. „Die Bauernhand-
werker,“ ſagt er in der Vorrede, „als der Schuſter, der
Schneider, der Weber, der Böttcher (anderwärts auch der
Sattler, der Schreiner, überhaupt alle Bauhandwerker)
1) Aus meinem Handwerkerleben, Leipzig 1880.
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/120>, abgerufen am 02.05.2024.
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