den Klöstern vor. Die Handwerksleute, welche sie halten, stehen nur in ihrem Dienste; sie sind bald bloßes Hofge- sinde, das in den Gebäuden des Fronhofes Wohnung und Kost empfängt, bald sind sie auf eigenen Landstellen ange- siedelt, gewinnen darauf ihren Lebensunterhalt und leisten dafür in ihrer speziellen Kunst Fronarbeit. Zum Zeichen, daß sie dem Hofe mit ihrer Geschicklichkeit verpflichtet sind, führen sie den Namen officiales, officiati, d. h. Amtleute.
Wie man sieht, hat hier der Hausfleiß eine umfassende Organisation gefunden, welche dem Herrn des Fronhofes eine verhältnismäßig reiche und vielseitige Konsumtion auch von Industrieprodukten erlaubt.
Aber der Hausfleiß bleibt nicht reine Bedarfsproduktion. Schon bei den alten Griechen ließen reiche Sklavenbesitzer eine größere Zahl ihrer unfreien Arbeiter, die sie nicht in der eigenen Wirtschaft brauchten, für eine bestimmte In- dustrie abrichten und produzierten dann für den Markt. Noch häufiger ist es, daß die Bauernfamilien Ueberschüsse ihrer Hausfleißproduktion in ähnlicher Weise in den Aus- tausch bringen wie die Ueberschüsse ihrer Landwirtschaft und Viehzucht. So hat in vielen Teilen Deutschlands die ländliche Bevölkerung seit dem Mittelalter auf den städtischen Märkten und Messen ihr Leinentuch abgesetzt, und im vorigen Jahrhundert hat man in Schlesien und Westfalen staatliche Einrichtungen getroffen, um die Hausleinwand exportfähig zu machen. So ist in den Ostseeländern das grobe Wollenzeug, welches noch heute dort die Bauern-
den Klöſtern vor. Die Handwerksleute, welche ſie halten, ſtehen nur in ihrem Dienſte; ſie ſind bald bloßes Hofge- ſinde, das in den Gebäuden des Fronhofes Wohnung und Koſt empfängt, bald ſind ſie auf eigenen Landſtellen ange- ſiedelt, gewinnen darauf ihren Lebensunterhalt und leiſten dafür in ihrer ſpeziellen Kunſt Fronarbeit. Zum Zeichen, daß ſie dem Hofe mit ihrer Geſchicklichkeit verpflichtet ſind, führen ſie den Namen officiales, officiati, d. h. Amtleute.
Wie man ſieht, hat hier der Hausfleiß eine umfaſſende Organiſation gefunden, welche dem Herrn des Fronhofes eine verhältnismäßig reiche und vielſeitige Konſumtion auch von Induſtrieprodukten erlaubt.
Aber der Hausfleiß bleibt nicht reine Bedarfsproduktion. Schon bei den alten Griechen ließen reiche Sklavenbeſitzer eine größere Zahl ihrer unfreien Arbeiter, die ſie nicht in der eigenen Wirtſchaft brauchten, für eine beſtimmte In- duſtrie abrichten und produzierten dann für den Markt. Noch häufiger iſt es, daß die Bauernfamilien Ueberſchüſſe ihrer Hausfleißproduktion in ähnlicher Weiſe in den Aus- tauſch bringen wie die Ueberſchüſſe ihrer Landwirtſchaft und Viehzucht. So hat in vielen Teilen Deutſchlands die ländliche Bevölkerung ſeit dem Mittelalter auf den ſtädtiſchen Märkten und Meſſen ihr Leinentuch abgeſetzt, und im vorigen Jahrhundert hat man in Schleſien und Weſtfalen ſtaatliche Einrichtungen getroffen, um die Hausleinwand exportfähig zu machen. So iſt in den Oſtſeeländern das grobe Wollenzeug, welches noch heute dort die Bauern-
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den Klöſtern vor. Die Handwerksleute, welche ſie halten,
ſtehen nur in ihrem Dienſte; ſie ſind bald bloßes Hofge-
ſinde, das in den Gebäuden des Fronhofes Wohnung und
Koſt empfängt, bald ſind ſie auf eigenen Landſtellen ange-
ſiedelt, gewinnen darauf ihren Lebensunterhalt und leiſten
dafür in ihrer ſpeziellen Kunſt Fronarbeit. Zum Zeichen,
daß ſie dem Hofe mit ihrer Geſchicklichkeit verpflichtet ſind,
führen ſie den Namen officiales, officiati, d. h. Amtleute.
Wie man ſieht, hat hier der Hausfleiß eine umfaſſende
Organiſation gefunden, welche dem Herrn des Fronhofes
eine verhältnismäßig reiche und vielſeitige Konſumtion auch
von Induſtrieprodukten erlaubt.
Aber der Hausfleiß bleibt nicht reine Bedarfsproduktion.
Schon bei den alten Griechen ließen reiche Sklavenbeſitzer
eine größere Zahl ihrer unfreien Arbeiter, die ſie nicht in
der eigenen Wirtſchaft brauchten, für eine beſtimmte In-
duſtrie abrichten und produzierten dann für den Markt.
Noch häufiger iſt es, daß die Bauernfamilien Ueberſchüſſe
ihrer Hausfleißproduktion in ähnlicher Weiſe in den Aus-
tauſch bringen wie die Ueberſchüſſe ihrer Landwirtſchaft
und Viehzucht. So hat in vielen Teilen Deutſchlands die
ländliche Bevölkerung ſeit dem Mittelalter auf den ſtädtiſchen
Märkten und Meſſen ihr Leinentuch abgeſetzt, und im
vorigen Jahrhundert hat man in Schleſien und Weſtfalen
ſtaatliche Einrichtungen getroffen, um die Hausleinwand
exportfähig zu machen. So iſt in den Oſtſeeländern das
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/117>, abgerufen am 23.11.2024.
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