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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

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als unzulänglich erweisen, wenn das Haus bloß auf die
engere blutsverwandte Gemeinschaft, die wir Familie nennen,
angewiesen wäre. Allerdings ist der ältere Familienver-
band ein weiterer, als die jetzige Familie; aber bei vielen
Völkern löst sich gerade in der Zeit, wo die Bedürfnisse
sich vermehren und verfeinern, die Sippe auf und benimmt
so dem Hause die Möglichkeit einer weitergehenden Arbeits-
teilung unter seinen Gliedern. Der Uebergang zur berufs-
mäßigen Gestaltung der Produktion und zur Tauschwirt-
schaft wäre hier unvermeidlich, wenn es nicht gelänge, durch
die Aufnahme von Sklaven oder die Ansetzung von Hörigen
künstlich den Kreis des Hauses zu erweitern. Je größer
die Zahl dieser unfreien Hausgenossen wird, um so leichter
wird es, eine vielseitige Arbeitsteilung unter ihnen einzu-
führen und den Einzelnen für die Ausübung einer bestimmten
gewerblichen Technik auszubilden. So finden wir schon
unter den Haussklaven der reichen Griechen und Römer
industrielle Arbeiter von mancherlei Art, und Karl der
Große schreibt in der berühmten Anweisung über die Ver-
waltung seiner Landgüter genau vor, welcherlei Arten von
unfreien Arbeitern auf jeder Villa gehalten werden sollen.
"Ein jeder Vogt," heißt es da, "soll in seinem Dienste
haben gute Werkleute, als da sind Schmiede, Gold- oder
Silberarbeiter, Schuhmacher, Drechsler, Zimmerleute, Schild-
macher, Fischer, Vogelsteller, Seifensieder, Methbrauer (sice-
ratores
), Bäcker und Netzstricker." Zahlreiche ähnliche Nach-
richten liegen von den Fronhöfen der anderen Großen und

als unzulänglich erweiſen, wenn das Haus bloß auf die
engere blutsverwandte Gemeinſchaft, die wir Familie nennen,
angewieſen wäre. Allerdings iſt der ältere Familienver-
band ein weiterer, als die jetzige Familie; aber bei vielen
Völkern löst ſich gerade in der Zeit, wo die Bedürfniſſe
ſich vermehren und verfeinern, die Sippe auf und benimmt
ſo dem Hauſe die Möglichkeit einer weitergehenden Arbeits-
teilung unter ſeinen Gliedern. Der Uebergang zur berufs-
mäßigen Geſtaltung der Produktion und zur Tauſchwirt-
ſchaft wäre hier unvermeidlich, wenn es nicht gelänge, durch
die Aufnahme von Sklaven oder die Anſetzung von Hörigen
künſtlich den Kreis des Hauſes zu erweitern. Je größer
die Zahl dieſer unfreien Hausgenoſſen wird, um ſo leichter
wird es, eine vielſeitige Arbeitsteilung unter ihnen einzu-
führen und den Einzelnen für die Ausübung einer beſtimmten
gewerblichen Technik auszubilden. So finden wir ſchon
unter den Hausſklaven der reichen Griechen und Römer
induſtrielle Arbeiter von mancherlei Art, und Karl der
Große ſchreibt in der berühmten Anweiſung über die Ver-
waltung ſeiner Landgüter genau vor, welcherlei Arten von
unfreien Arbeitern auf jeder Villa gehalten werden ſollen.
„Ein jeder Vogt,“ heißt es da, „ſoll in ſeinem Dienſte
haben gute Werkleute, als da ſind Schmiede, Gold- oder
Silberarbeiter, Schuhmacher, Drechsler, Zimmerleute, Schild-
macher, Fiſcher, Vogelſteller, Seifenſieder, Methbrauer (sice-
ratores
), Bäcker und Netzſtricker.“ Zahlreiche ähnliche Nach-
richten liegen von den Fronhöfen der anderen Großen und

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[94/0116] als unzulänglich erweiſen, wenn das Haus bloß auf die engere blutsverwandte Gemeinſchaft, die wir Familie nennen, angewieſen wäre. Allerdings iſt der ältere Familienver- band ein weiterer, als die jetzige Familie; aber bei vielen Völkern löst ſich gerade in der Zeit, wo die Bedürfniſſe ſich vermehren und verfeinern, die Sippe auf und benimmt ſo dem Hauſe die Möglichkeit einer weitergehenden Arbeits- teilung unter ſeinen Gliedern. Der Uebergang zur berufs- mäßigen Geſtaltung der Produktion und zur Tauſchwirt- ſchaft wäre hier unvermeidlich, wenn es nicht gelänge, durch die Aufnahme von Sklaven oder die Anſetzung von Hörigen künſtlich den Kreis des Hauſes zu erweitern. Je größer die Zahl dieſer unfreien Hausgenoſſen wird, um ſo leichter wird es, eine vielſeitige Arbeitsteilung unter ihnen einzu- führen und den Einzelnen für die Ausübung einer beſtimmten gewerblichen Technik auszubilden. So finden wir ſchon unter den Hausſklaven der reichen Griechen und Römer induſtrielle Arbeiter von mancherlei Art, und Karl der Große ſchreibt in der berühmten Anweiſung über die Ver- waltung ſeiner Landgüter genau vor, welcherlei Arten von unfreien Arbeitern auf jeder Villa gehalten werden ſollen. „Ein jeder Vogt,“ heißt es da, „ſoll in ſeinem Dienſte haben gute Werkleute, als da ſind Schmiede, Gold- oder Silberarbeiter, Schuhmacher, Drechsler, Zimmerleute, Schild- macher, Fiſcher, Vogelſteller, Seifenſieder, Methbrauer (sice- ratores), Bäcker und Netzſtricker.“ Zahlreiche ähnliche Nach- richten liegen von den Fronhöfen der anderen Großen und

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Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/116>, abgerufen am 23.11.2024.