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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Achtes Buch.
mit diesem Jammer zuvergleichen währe. Die alte Königin währe schier von Trähnen zer-
flossen/ und musten fast alle anwesende Mannes Bilder ihr im weinen Geselschafft leisten/
daß man auch an König Mnata die Backen Trähnen rinnen sahe/ und einer den andern
fragete/ mit was wirdiger Straffe ein solcher verzweifelter Erz Bube zu belegen währe/
der an seinem herschen den Könige ein solches zubegehen sich nicht gescheuhet hätte. Das
Frauenzimmer wünschete/ der König möchte seiner Erzählung die Endschafft geben/ da-
mit sie in den Trähnen nicht gar ersticketen; er aber sobald sich das starke Geheule gestil-
let hatte/ fuhr also fort; versichert euch/ meine liebe Anwesende/ daß ich gerne alle Tage
zwanzigmahl den Tod erlitten hätte/ wann mir nur hätte mögen gegönnet werden/ mich
des Tages ein Stündichen außzustrecken; ich muste stets sitzen/ und die Knie schier vorm
Maule halten/ oder so gekrümmet mich auff die Seite legen; bißweilen lag ich auff Knien
und Händen; bißweilen wand ich den Leib wunderlich und mit grossen Schmerzen/ nur dz
ich die Beine außstrecken möchte/ welche mir anfingen krum zuwachsen/ weil die Sehna-
dern sich kürzeten/ und wahr mein höchster Wunsch/ nur allein zuwissen/ wie lange ich die-
sen unsäglichen Jammer noch treiben solte/ ehe die Seele aus der beschwerlichen Herber-
ge des Leibes Abscheid nehmen würde. Noch rieff ich täglich alle Götter an/ sie möchten
gnädig abwenden/ daß meine liebe Tochter/ die von dem Himmel selbst zu aller Tugend ge-
zogen würde/ dem boßhafften Menschen nicht in die Hände fiele; worin ich von den güti-
gen Götter ohn Zweiffel erhöret bin. Als ich nun dieses Elend die drey viertel Jahr durch
in der engen Finsterniß gebauet hatte/ und die liebe Sonne mich wiedersehen wolte/ trug
sich zu/ daß Ninisla mit seinem Sohn außgeritten wahr/ und eine starke Schaar Panno-
nischer Räuber sein Schloß überfielen/ welche alle Menschen/ groß und klein erschlugen/
die verschlossenen Tühren und Kasten öffneten/ und allen Raub auff Wagen luden. Ich
hörete den Jammer und das Klagen der sterbenden/ auch dz die Pannonische Sprache über-
al ging/ daß sie auch endlich mein Loch mit einer Axt auffschlugen/ der Meinung/ einen ver-
borgenen Schaz daselbst anzutreffen. Sie funden mich bald/ und frageten/ wer ich währe.
Da gab ich zur Antwort: Ich währe ein armer Mann/ Bürger-Standes/ und hätte der
Herr dieses Schlosses mich vor drey viertel Jahr in diß Loch geworffen/ fint der Zeit ich
keines Tages Licht gesehen/ mich auch nicht auffrichten oder außstrecken können; bähte sie
demnach um aller Götter Willen/ sie möchten sich meines Elendes erbarmen/ und daß ich
hieselbst nit gar verdürbe/ mich heraus und mit sich davon nehmen. Diesen Räubern/ wie
grausam sie sonst wahren/ ging mein Elend zu Herzen/ weil ich meiner Trähnen nicht spa-
rete/ und zogen mich bey den Füssen hervor; aber da ich an die Lufft kam/ und meine Augen
des Sonnen-scheins empfunden/ wuste ich nicht zubleiben/ kunte auch auff keinen Fuß tre-
ten/ noch auffrechts stehen/ sondern lag auff der Erden als ein sterbender; sie schleppeten
mich aber hinaus/ und legeten mich auff einen Wagen/ da ich das Angesicht unterwärz
kehrete/ und meine Glieder fein gemach dehnete und lenkete/ auch durch die zugetahnen
Finger/ die ich vor die Augen hielt/ des Tages Liecht gar ein wenig durchscheinen ließ/ da-
mit ich nicht gar erblendete. So bald die Beute zusammen getragen und auffgeladen war/
zündeten sie das Schloß an allen Ecken und Enden an/ daß es ohn zweifel in kurzer frist
wird eingeäschert seyn/ wovon ich eigentlich nicht zusagen weiß/ weil die Räuber nicht lan-

ge
x x x x x ij

Achtes Buch.
mit dieſem Jammer zuvergleichen waͤhre. Die alte Koͤnigin waͤhre ſchier von Traͤhnen zer-
floſſen/ und muſten faſt alle anweſende Mannes Bilder ihr im weinen Geſelſchafft leiſten/
daß man auch an Koͤnig Mnata die Backen Traͤhnen rinnen ſahe/ und einer den andern
fragete/ mit was wirdiger Straffe ein ſolcher verzweifelter Erz Bube zu belegen waͤhre/
der an ſeinem heꝛſchen den Koͤnige ein ſolches zubegehen ſich nicht geſcheuhet haͤtte. Das
Frauenzimmer wuͤnſchete/ der Koͤnig moͤchte ſeiner Erzaͤhlung die Endſchafft geben/ da-
mit ſie in den Traͤhnen nicht gar erſticketen; er aber ſobald ſich das ſtarke Geheule geſtil-
let hatte/ fuhr alſo fort; verſichert euch/ meine liebe Anweſende/ daß ich gerne alle Tage
zwanzigmahl den Tod erlitten haͤtte/ wann mir nur haͤtte moͤgen gegoͤnnet werden/ mich
des Tages ein Stuͤndichen außzuſtrecken; ich muſte ſtets ſitzen/ und die Knie ſchier vorm
Maule halten/ oder ſo gekruͤm̃et mich auff die Seite legen; bißweilen lag ich auff Knien
und Haͤnden; bißweilen wand ich den Leib wunderlich und mit groſſen Schmerzen/ nur dz
ich die Beine außſtrecken moͤchte/ welche mir anfingen krum zuwachſen/ weil die Sehna-
dern ſich kuͤrzeten/ und wahr mein hoͤchſter Wunſch/ nur allein zuwiſſen/ wie lange ich die-
ſen unſaͤglichen Jammer noch treiben ſolte/ ehe die Seele aus der beſchwerlichen Herber-
ge des Leibes Abſcheid nehmen wuͤrde. Noch rieff ich taͤglich alle Goͤtter an/ ſie moͤchten
gnaͤdig abwenden/ daß meine liebe Tochter/ die von dem Himmel ſelbſt zu aller Tugend ge-
zogen wuͤrde/ dem boßhafften Menſchen nicht in die Haͤnde fiele; worin ich von den guͤti-
gen Goͤtter ohn Zweiffel erhoͤret bin. Als ich nun dieſes Elend die drey viertel Jahr durch
in der engen Finſterniß gebauet hatte/ und die liebe Sonne mich wiederſehen wolte/ trug
ſich zu/ daß Niniſla mit ſeinem Sohn außgeritten wahr/ und eine ſtarke Schaar Panno-
niſcher Raͤuber ſein Schloß uͤberfielen/ welche alle Menſchen/ groß und klein erſchlugen/
die verſchloſſenen Tuͤhren und Kaſten oͤffneten/ und allen Raub auff Wagen luden. Ich
hoͤrete den Jam̃er und das Klagen der ſterbenden/ auch dz die Pannoniſche Sprache uͤbeꝛ-
al ging/ daß ſie auch endlich mein Loch mit einer Axt auffſchlugen/ der Meinung/ einen ver-
borgenen Schaz daſelbſt anzutreffen. Sie funden mich bald/ und frageten/ wer ich waͤhre.
Da gab ich zur Antwort: Ich waͤhre ein armer Mann/ Buͤrger-Standes/ und haͤtte der
Herr dieſes Schloſſes mich vor drey viertel Jahr in diß Loch geworffen/ fint der Zeit ich
keines Tages Licht geſehen/ mich auch nicht auffrichten oder außſtrecken koͤnnen; baͤhte ſie
demnach um aller Goͤtter Willen/ ſie moͤchten ſich meines Elendes erbarmen/ und daß ich
hieſelbſt nit gar verduͤrbe/ mich heraus und mit ſich davon nehmen. Dieſen Raͤubern/ wie
grauſam ſie ſonſt wahren/ ging mein Elend zu Herzen/ weil ich meiner Traͤhnen nicht ſpa-
rete/ und zogen mich bey den Fuͤſſen hervor; aber da ich an die Lufft kam/ und meine Augen
des Sonnen-ſcheins empfunden/ wuſte ich nicht zubleiben/ kunte auch auff keinen Fuß tꝛe-
ten/ noch auffrechts ſtehen/ ſondern lag auff der Erden als ein ſterbender; ſie ſchleppeten
mich aber hinaus/ und legeten mich auff einen Wagen/ da ich das Angeſicht unterwaͤrz
kehrete/ und meine Glieder fein gemach dehnete und lenkete/ auch durch die zugetahnen
Finger/ die ich vor die Augen hielt/ des Tages Liecht gar ein wenig durchſcheinen ließ/ da-
mit ich nicht gar erblendete. So bald die Beute zuſammen getragen und auffgeladen war/
zuͤndeten ſie das Schloß an allen Ecken und Enden an/ daß es ohn zweifel in kurzer friſt
wird eingeaͤſchert ſeyn/ wovon ich eigentlich nicht zuſagen weiß/ weil die Raͤubeꝛ nicht lan-

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[899/0905] Achtes Buch. mit dieſem Jammer zuvergleichen waͤhre. Die alte Koͤnigin waͤhre ſchier von Traͤhnen zer- floſſen/ und muſten faſt alle anweſende Mannes Bilder ihr im weinen Geſelſchafft leiſten/ daß man auch an Koͤnig Mnata die Backen Traͤhnen rinnen ſahe/ und einer den andern fragete/ mit was wirdiger Straffe ein ſolcher verzweifelter Erz Bube zu belegen waͤhre/ der an ſeinem heꝛſchen den Koͤnige ein ſolches zubegehen ſich nicht geſcheuhet haͤtte. Das Frauenzimmer wuͤnſchete/ der Koͤnig moͤchte ſeiner Erzaͤhlung die Endſchafft geben/ da- mit ſie in den Traͤhnen nicht gar erſticketen; er aber ſobald ſich das ſtarke Geheule geſtil- let hatte/ fuhr alſo fort; verſichert euch/ meine liebe Anweſende/ daß ich gerne alle Tage zwanzigmahl den Tod erlitten haͤtte/ wann mir nur haͤtte moͤgen gegoͤnnet werden/ mich des Tages ein Stuͤndichen außzuſtrecken; ich muſte ſtets ſitzen/ und die Knie ſchier vorm Maule halten/ oder ſo gekruͤm̃et mich auff die Seite legen; bißweilen lag ich auff Knien und Haͤnden; bißweilen wand ich den Leib wunderlich und mit groſſen Schmerzen/ nur dz ich die Beine außſtrecken moͤchte/ welche mir anfingen krum zuwachſen/ weil die Sehna- dern ſich kuͤrzeten/ und wahr mein hoͤchſter Wunſch/ nur allein zuwiſſen/ wie lange ich die- ſen unſaͤglichen Jammer noch treiben ſolte/ ehe die Seele aus der beſchwerlichen Herber- ge des Leibes Abſcheid nehmen wuͤrde. Noch rieff ich taͤglich alle Goͤtter an/ ſie moͤchten gnaͤdig abwenden/ daß meine liebe Tochter/ die von dem Himmel ſelbſt zu aller Tugend ge- zogen wuͤrde/ dem boßhafften Menſchen nicht in die Haͤnde fiele; worin ich von den guͤti- gen Goͤtter ohn Zweiffel erhoͤret bin. Als ich nun dieſes Elend die drey viertel Jahr durch in der engen Finſterniß gebauet hatte/ und die liebe Sonne mich wiederſehen wolte/ trug ſich zu/ daß Niniſla mit ſeinem Sohn außgeritten wahr/ und eine ſtarke Schaar Panno- niſcher Raͤuber ſein Schloß uͤberfielen/ welche alle Menſchen/ groß und klein erſchlugen/ die verſchloſſenen Tuͤhren und Kaſten oͤffneten/ und allen Raub auff Wagen luden. Ich hoͤrete den Jam̃er und das Klagen der ſterbenden/ auch dz die Pannoniſche Sprache uͤbeꝛ- al ging/ daß ſie auch endlich mein Loch mit einer Axt auffſchlugen/ der Meinung/ einen ver- borgenen Schaz daſelbſt anzutreffen. Sie funden mich bald/ und frageten/ wer ich waͤhre. Da gab ich zur Antwort: Ich waͤhre ein armer Mann/ Buͤrger-Standes/ und haͤtte der Herr dieſes Schloſſes mich vor drey viertel Jahr in diß Loch geworffen/ fint der Zeit ich keines Tages Licht geſehen/ mich auch nicht auffrichten oder außſtrecken koͤnnen; baͤhte ſie demnach um aller Goͤtter Willen/ ſie moͤchten ſich meines Elendes erbarmen/ und daß ich hieſelbſt nit gar verduͤrbe/ mich heraus und mit ſich davon nehmen. Dieſen Raͤubern/ wie grauſam ſie ſonſt wahren/ ging mein Elend zu Herzen/ weil ich meiner Traͤhnen nicht ſpa- rete/ und zogen mich bey den Fuͤſſen hervor; aber da ich an die Lufft kam/ und meine Augen des Sonnen-ſcheins empfunden/ wuſte ich nicht zubleiben/ kunte auch auff keinen Fuß tꝛe- ten/ noch auffrechts ſtehen/ ſondern lag auff der Erden als ein ſterbender; ſie ſchleppeten mich aber hinaus/ und legeten mich auff einen Wagen/ da ich das Angeſicht unterwaͤrz kehrete/ und meine Glieder fein gemach dehnete und lenkete/ auch durch die zugetahnen Finger/ die ich vor die Augen hielt/ des Tages Liecht gar ein wenig durchſcheinen ließ/ da- mit ich nicht gar erblendete. So bald die Beute zuſammen getragen und auffgeladen war/ zuͤndeten ſie das Schloß an allen Ecken und Enden an/ daß es ohn zweifel in kurzer friſt wird eingeaͤſchert ſeyn/ wovon ich eigentlich nicht zuſagen weiß/ weil die Raͤubeꝛ nicht lan- ge x x x x x ij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 899. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/905>, abgerufen am 18.05.2024.