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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Achtes Buch.
es nicht viel zankens; solte aber euer Herz euch des widrigen anklagen/ daß ihr etwan aus
Rachgier oder Feindschafft/ oder unbillicher Begierde euren alten frommen König hinter-
gangen/ und euch an ihm vergriffen hättet/ möchte ich zu eurem besten wünschen/ ihr hiel-
tet umb Vergebung an; dann der gerechte Gott lässet keine verdeckete Boßheit ungestraf-
fet/ ob gleich anfangs die Ubeltähter vermeynen in Sicherheit zuseyn. Hier fing Ninisla
an/ sich unnütze zumachen; er wüste nicht/ mit wes Standes Herren er redete/ nur daß er
muhtmassete/ es geschähe mit einem jungen Fürsten/ weil er seinem Könige allernähest säs-
se/ und vor demselben das Wort tähte. Dafern ihn aber ein ander nidriges Standes des-
sen zeihen würde/ wolte er ihm der Gebühr antworten/ und könte anders nicht urteilen/ als
ob man einen Unschuldigen in güte bereden wolte/ sich einer Missetaht/ vielleicht einem an-
dern zugefallen/ schuldig zugeben/ wovor er lieber zehnmahl sterben wolte; wie er auch/ wann
er schuldig erfunden würde/ den allergrausamesten Tod ohn Anruffung einiger Barmher-
zigkeit über sich nehmen wolte. Wolan/ sagte König Ladisla/ euer Frevel ist groß/ und der
Troz verwägen/ darumb sey hiemit der strängen Gerechtigkeit alles übergeben/ und die
Gnaden-Tühr gänzlich verriegelt. Hieß sie darauff abtreten/ und eines Bescheides er-
warten. Sein Herr Vater/ welcher im Neben-Gemache alles gehöret hatte/ setzete sich o-
ben an/ nähest bey König Hilderich/ und wurden die Tähter wieder hinein geruffen/ welche
mit gar verwirretem Gemüht sich darstelleten/ so daß sie des alten Königes auff dem Kö-
niglichen Stuel nicht eins gewahr wurden/ dann sie sahen sich nach der Seite umb/ was
vor Gezeugen sich wider sie wolten finden lassen; biß König Notesterich sie mit gewöhnli-
cher Sanfftmuht also anredete: Lieber sage mir doch/ Ninisla/ was habe ich dir jemahls
zuwider getahn/ daß du mich drey ganze Viertel Jahr mit dem Brodte der unaussprechli-
chen Angst gespeiset/ und mit dem Wasser der unerhörten Trübsaal getränket hast/ dessen
dieser mein krummer Rücken/ weil ich lebe/ mir wol stete Erinnerung tuhn wird? Als die-
se Verrähter den alten König reden höreten/ und sein Angesicht eigentlich kenneten/ er-
starreten sie anfangs vor grossem entsetzen/ daß sie weder reden noch sich bewägen kunten/
erhohleten sich aber/ zücketen ihre Brodmesser/ und wolten sich damit selbst entleiben; aber
die umstehende Auffwarter/ welche scharffen Befehl hatten/ ihnen wol auff die Hände zu
sehen/ wurden dessen zeitig inne/ und fielen ihnen in die Arme/ daß ihrer drey drüber ver-
wundet wurden/ fesselten ihnen darauff die Hände/ und fragete sie Herkules/ ob sie nun-
mehr Gottes Rache schier sehen könten/ und was vor Entschuldigung ihre erzeigete Ver-
mässenheit führete. Da Ninisla zur Antwort gab: Er könte nicht außsinnen/ was vor Un-
glük diesen Alten wieder aus dem Grabe hervor geruffen hätte/ dahin man ihn schon vor-
längst geleget/ und er von rechtswegen schon halb solte vermodert seyn; merkete aber wol/
daß das unbilliche Verhängniß keine geträue Vorsteher des Vaterlandes leiden wolte/
und welche bemühet währen/ den Untertahnen die angebohrne Freyheit zuwege zubringen;
daher er sich dann willig in den Tod geben wolte/ und da er gesündiget hätte/ welches doch
nicht böser Meinung geschehen/ währe er bereit/ mit dem Halse zubezahlen. Sein Sohn
Urisla schweig stokstille/ stund und sahe Königin Valisken mit starren unverwendeten Au-
gen an; welches sein Vater merkend/ zu ihm sagete: Lieber Sohn/ das anschauen ist nun-
mehr zuspäht und vergeblich/ weil wir sie auff unserm Schlosse nicht haben sehen mögen.

Es

Achtes Buch.
es nicht viel zankens; ſolte aber euer Herz euch des widrigen anklagen/ daß ihr etwan aus
Rachgier oder Feindſchafft/ oder unbillicher Begierde euren alten frommẽ Koͤnig hinter-
gangen/ und euch an ihm vergriffen haͤttet/ moͤchte ich zu eurem beſten wuͤnſchen/ ihr hiel-
tet umb Vergebung an; dann der gerechte Gott laͤſſet keine verdeckete Boßheit ungeſtraf-
fet/ ob gleich anfangs die Ubeltaͤhter vermeynen in Sicherheit zuſeyn. Hier fing Niniſla
an/ ſich unnuͤtze zumachen; er wuͤſte nicht/ mit wes Standes Herren er redete/ nur daß er
muhtmaſſete/ es geſchaͤhe mit einem jungen Fuͤrſten/ weil er ſeinem Koͤnige allernaͤheſt ſaͤſ-
ſe/ und vor demſelben das Wort taͤhte. Dafern ihn aber ein ander nidriges Standes deſ-
ſen zeihen wuͤrde/ wolte er ihm der Gebuͤhr antworten/ und koͤnte anders nicht urteilen/ als
ob man einen Unſchuldigen in guͤte bereden wolte/ ſich einer Miſſetaht/ vielleicht einem an-
dern zugefallen/ ſchuldig zugeben/ wovor er lieber zehnmahl ſterben wolte; wie er auch/ wañ
er ſchuldig erfunden wuͤrde/ den allergrauſameſten Tod ohn Anruffung einiger Barmheꝛ-
zigkeit uͤber ſich nehmen wolte. Wolan/ ſagte Koͤnig Ladiſla/ euer Frevel iſt groß/ und der
Troz verwaͤgen/ darumb ſey hiemit der ſtraͤngen Gerechtigkeit alles uͤbergeben/ und die
Gnaden-Tuͤhr gaͤnzlich verriegelt. Hieß ſie darauff abtreten/ und eines Beſcheides er-
warten. Sein Herr Vater/ welcher im Neben-Gemache alles gehoͤret hatte/ ſetzete ſich o-
ben an/ naͤheſt bey Koͤnig Hilderich/ und wurden die Taͤhter wieder hinein geruffen/ welche
mit gar verwirretem Gemuͤht ſich darſtelleten/ ſo daß ſie des alten Koͤniges auff dem Koͤ-
niglichen Stuel nicht eins gewahr wurden/ dann ſie ſahen ſich nach der Seite umb/ was
vor Gezeugen ſich wider ſie wolten finden laſſen; biß Koͤnig Noteſterich ſie mit gewoͤhnli-
cher Sanfftmuht alſo anredete: Lieber ſage mir doch/ Niniſla/ was habe ich dir jemahls
zuwider getahn/ daß du mich drey ganze Viertel Jahr mit dem Brodte der unausſprechli-
chen Angſt geſpeiſet/ und mit dem Waſſer der unerhoͤrten Truͤbſaal getraͤnket haſt/ deſſen
dieſer mein krummer Ruͤcken/ weil ich lebe/ mir wol ſtete Erinnerung tuhn wird? Als die-
ſe Verraͤhter den alten Koͤnig reden hoͤreten/ und ſein Angeſicht eigentlich kenneten/ er-
ſtarreten ſie anfangs vor groſſem entſetzen/ daß ſie weder reden noch ſich bewaͤgen kunten/
erhohleten ſich aber/ zuͤcketen ihre Brodmeſſer/ und wolten ſich damit ſelbſt entleiben; abeꝛ
die umſtehende Auffwarter/ welche ſcharffen Befehl hatten/ ihnen wol auff die Haͤnde zu
ſehen/ wurden deſſen zeitig inne/ und fielen ihnen in die Arme/ daß ihrer drey druͤber ver-
wundet wurden/ feſſelten ihnen darauff die Haͤnde/ und fragete ſie Herkules/ ob ſie nun-
mehr Gottes Rache ſchier ſehen koͤnten/ und was vor Entſchuldigung ihre erzeigete Ver-
maͤſſenheit fuͤhrete. Da Niniſla zur Antwort gab: Er koͤnte nicht außſinnen/ was vor Un-
gluͤk dieſen Alten wieder aus dem Grabe hervor geruffen haͤtte/ dahin man ihn ſchon vor-
laͤngſt geleget/ und er von rechtswegen ſchon halb ſolte vermodert ſeyn; merkete aber wol/
daß das unbilliche Verhaͤngniß keine getraͤue Vorſteher des Vaterlandes leiden wolte/
und welche bemuͤhet waͤhren/ den Untertahnen die angebohrne Freyheit zuwege zubringẽ;
daher er ſich dann willig in den Tod geben wolte/ und da er geſuͤndiget haͤtte/ welches doch
nicht boͤſer Meinung geſchehen/ waͤhre er bereit/ mit dem Halſe zubezahlen. Sein Sohn
Uriſla ſchweig ſtokſtille/ ſtund und ſahe Koͤnigin Valiſken mit ſtarren unverwendeten Au-
gen an; welches ſein Vater merkend/ zu ihm ſagete: Lieber Sohn/ das anſchauen iſt nun-
mehr zuſpaͤht und vergeblich/ weil wir ſie auff unſerm Schloſſe nicht haben ſehen moͤgen.

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 892. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/898>, abgerufen am 23.11.2024.