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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Achtes Buch.
Könige einen Unwillen unter sich angefangen/ daß sie sich rauffen wolten. Als die beyde
Helden in den Plaz kahmen/ sahen sie Krokus sich wieder erheben/ und daß er nebest Pri-
bisla den alten Betler auffrichteten/ auch ihn als einen König ehreten. Valiska kam auch
zu sich selbst/ stund auff/ fiel dem alten umb den Hals/ herzete und drückete ihn auch so in-
brünstig/ daß alle Anwesende/ denen es unbewust wahr/ meineten/ ob währe sie bezaubert/
daher Herkules hinzutrat sie hinweg zureissen; woran sie sich doch nicht kehrete/ sondern
zu dem alten mit heissen Trähnen sagete: Ach mein herzallerliebster Herr und Vater/ an
was unseligem Orte hat eure Hocheit sich so lange auffgehalten? O wie schwere Rache
mus demselben vorbehalten seyn/ der euch in diesen Stand gestürtzet hat! Der Alte antwor-
tete ihr: Herzallerliebstes Kind/ ich danke dem gütigen Himmel/ der mich aus meiner elen-
den Gefängnis und schmählichen Dienstbarkeit erlöset/ und mich daher geführet hat/ mei-
ne lieben Kinder noch vor meinem ende zu sehen. Und ihr mein herzgeliebter Sohn Her-
kules/ sagete er weiter/ verwundert euch nicht über eures geliebten Gemahls Bezeigung/
dann ihr werdet euren Vater Notesterich den unseligen an mir gar bald erkennen. Ladisla
hörete diese Worte auch/ und fiel nebest Herkules ihm umb den Hals/ dann die Zeichen des
Angesichts gaben ihm bald kundschafft/ daher sagete er zu ihm: Gnädiger Herr und Va-
ter; mein Herr JEsus ist mein Zeuge/ daß mir angenehmers in dieser Welt nicht begeg-
nen könte/ als daß ich euch lebendig vor mir sehen sol; aber lasset euch doch erbitten/ und
kehret mit mir auff das näheste Gemach/ daß man euch daselbst Königlich ziere/ dann ich
schwöre zu Gott im Himmel/ daß bey eurer Lebezeit/ welche Gott lange fristen wolle/ ich die-
ses Reich nicht beherschen wil. Nicht also/ mein allerliebster Sohn/ antwortete sein Va-
ter; dann wie solte dieser mein krumgebogener Rücken solche schwere Last nach diesem er-
tragen können; beschaue mich nur in dieser meiner Schwacheit/ und betrachte/ ob es mög-
lich sey/ daß ein solcher durch allerhand Unglük und Elend abgemergelter Mensch/ der sei-
ne Knochen kaum fortschleppen kan/ ein Königreich solte verwalten können? daher ist mir
dein äidschwur sehr hart zuwieder. Vor dismahl aber wil ich dir zu Willen seyn/ und auff
das näheste Gemach/ welches mir vor diesen zu Lust dienete/ mich verfügen/ damit ich die-
se Betlers-Kleider ablegen möge. Sonsten wundert mich nicht wenig/ daß noch einiger
Mensch mein durch Sonnenbrand/ Hunger und Unglük verstelletes Angesicht hat erken-
nen mögen/ daher ich mich auch nicht wenig befürchtet/ ich dürffte anfangs vor einen Be-
trieger gehalten werden/ aber Gott Lob/ daß die Buben noch im Leben sind/ welche mich in
dieses Elend gestürzet/ und von mir Zeugniß werden geben müssen. Bald ward ein Feld-
Scherer herzugefodert/ der ihn putzen und waschen muste/ nachgehends brachte man ihm
Königliche Kleider/ und ward inzwischen seinem Gemahl kund getahn/ daß ihr Gemahl
und König lebendig zu Lande geschlagen währe/ und gleich jetzo auff dem Saale sich finden
würde; über welche Zeitung sie vor unsäglicher Freude als eine Leiche dahin fiel/ und bey
allen fremden eine grosse Verwunderung entstund. Nachdem er gebührlich augetahn war/
kanten ihn alle/ die vorhin viel mit ihm umgangen wahren/ ward von seinem Schwager
König Henrich brüderlich empfangen und bey der Hand auff den grossen Saal gesühret/
da gleich sein Gemahl wieder zu Kräfften kommen wahr. Als sie eines des andern ansich-
tig wurden/ kunte keines einigen Fuß aus der stelle setzen/ biß endlich die alte Königin zu

ihm

Achtes Buch.
Koͤnige einen Unwillen unter ſich angefangen/ daß ſie ſich rauffen wolten. Als die beyde
Helden in den Plaz kahmen/ ſahen ſie Krokus ſich wieder erheben/ und daß er nebeſt Pri-
biſla den alten Betler auffrichteten/ auch ihn als einen Koͤnig ehreten. Valiſka kam auch
zu ſich ſelbſt/ ſtund auff/ fiel dem alten umb den Hals/ herzete und druͤckete ihn auch ſo in-
bruͤnſtig/ daß alle Anweſende/ denen es unbewuſt wahr/ meineten/ ob waͤhre ſie bezaubert/
daher Herkules hinzutrat ſie hinweg zureiſſen; woran ſie ſich doch nicht kehrete/ ſondern
zu dem alten mit heiſſen Traͤhnen ſagete: Ach mein herzallerliebſter Herr und Vater/ an
was unſeligem Orte hat eure Hocheit ſich ſo lange auffgehalten? O wie ſchwere Rache
mus demſelben vorbehalten ſeyn/ der euch in dieſen Stand geſtuͤrtzet hat! Der Alte antwoꝛ-
tete ihr: Herzallerliebſtes Kind/ ich danke dem guͤtigen Himmel/ der mich aus meiner elen-
den Gefaͤngnis und ſchmaͤhlichen Dienſtbarkeit erloͤſet/ und mich daher gefuͤhret hat/ mei-
ne lieben Kinder noch vor meinem ende zu ſehen. Und ihr mein herzgeliebter Sohn Her-
kules/ ſagete er weiter/ verwundert euch nicht uͤber eures geliebten Gemahls Bezeigung/
dann ihr werdet euren Vater Noteſterich den unſeligen an mir gar bald erkennen. Ladiſla
hoͤrete dieſe Worte auch/ und fiel nebeſt Herkules ihm umb den Hals/ dann die Zeichen des
Angeſichts gaben ihm bald kundſchafft/ daher ſagete er zu ihm: Gnaͤdiger Herr und Va-
ter; mein Herr JEſus iſt mein Zeuge/ daß mir angenehmers in dieſer Welt nicht begeg-
nen koͤnte/ als daß ich euch lebendig vor mir ſehen ſol; aber laſſet euch doch erbitten/ und
kehret mit mir auff das naͤheſte Gemach/ daß man euch daſelbſt Koͤniglich ziere/ dann ich
ſchwoͤre zu Gott im Himmel/ daß bey eurer Lebezeit/ welche Gott lange friſten wolle/ ich die-
ſes Reich nicht beherſchen wil. Nicht alſo/ mein allerliebſter Sohn/ antwortete ſein Va-
ter; dann wie ſolte dieſer mein krumgebogener Ruͤcken ſolche ſchwere Laſt nach dieſem er-
tragen koͤnnen; beſchaue mich nur in dieſer meiner Schwacheit/ und betrachte/ ob es moͤg-
lich ſey/ daß ein ſolcher durch allerhand Ungluͤk und Elend abgemergelter Menſch/ der ſei-
ne Knochen kaum fortſchleppen kan/ ein Koͤnigreich ſolte verwalten koͤnnen? daher iſt miꝛ
dein aͤidſchwur ſehr hart zuwieder. Vor diſmahl aber wil ich dir zu Willen ſeyn/ und auff
das naͤheſte Gemach/ welches mir vor dieſen zu Luſt dienete/ mich verfuͤgen/ damit ich die-
ſe Betlers-Kleider ablegen moͤge. Sonſten wundert mich nicht wenig/ daß noch einiger
Menſch mein durch Sonnenbrand/ Hunger und Ungluͤk verſtelletes Angeſicht hat erken-
nen moͤgen/ daher ich mich auch nicht wenig befuͤrchtet/ ich duͤrffte anfangs vor einen Be-
trieger gehalten werden/ aber Gott Lob/ daß die Buben noch im Leben ſind/ welche mich in
dieſes Elend geſtuͤrzet/ und von mir Zeugniß werden geben muͤſſen. Bald ward ein Feld-
Scherer herzugefodert/ der ihn putzen und waſchen muſte/ nachgehends brachte man ihm
Koͤnigliche Kleider/ und ward inzwiſchen ſeinem Gemahl kund getahn/ daß ihr Gemahl
und Koͤnig lebendig zu Lande geſchlagen waͤhre/ und gleich jetzo auff dem Saale ſich finden
würde; uͤber welche Zeitung ſie vor unſaͤglicher Freude als eine Leiche dahin fiel/ und bey
allen fremdẽ eine groſſe Verwunderung entſtund. Nachdem er gebuͤhrlich augetahn war/
kanten ihn alle/ die vorhin viel mit ihm umgangen wahren/ ward von ſeinem Schwager
Koͤnig Henrich bruͤderlich empfangen und bey der Hand auff den groſſen Saal geſuͤhret/
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[858/0864] Achtes Buch. Koͤnige einen Unwillen unter ſich angefangen/ daß ſie ſich rauffen wolten. Als die beyde Helden in den Plaz kahmen/ ſahen ſie Krokus ſich wieder erheben/ und daß er nebeſt Pri- biſla den alten Betler auffrichteten/ auch ihn als einen Koͤnig ehreten. Valiſka kam auch zu ſich ſelbſt/ ſtund auff/ fiel dem alten umb den Hals/ herzete und druͤckete ihn auch ſo in- bruͤnſtig/ daß alle Anweſende/ denen es unbewuſt wahr/ meineten/ ob waͤhre ſie bezaubert/ daher Herkules hinzutrat ſie hinweg zureiſſen; woran ſie ſich doch nicht kehrete/ ſondern zu dem alten mit heiſſen Traͤhnen ſagete: Ach mein herzallerliebſter Herr und Vater/ an was unſeligem Orte hat eure Hocheit ſich ſo lange auffgehalten? O wie ſchwere Rache mus demſelben vorbehalten ſeyn/ der euch in dieſen Stand geſtuͤrtzet hat! Der Alte antwoꝛ- tete ihr: Herzallerliebſtes Kind/ ich danke dem guͤtigen Himmel/ der mich aus meiner elen- den Gefaͤngnis und ſchmaͤhlichen Dienſtbarkeit erloͤſet/ und mich daher gefuͤhret hat/ mei- ne lieben Kinder noch vor meinem ende zu ſehen. Und ihr mein herzgeliebter Sohn Her- kules/ ſagete er weiter/ verwundert euch nicht uͤber eures geliebten Gemahls Bezeigung/ dann ihr werdet euren Vater Noteſterich den unſeligen an mir gar bald erkennen. Ladiſla hoͤrete dieſe Worte auch/ und fiel nebeſt Herkules ihm umb den Hals/ dann die Zeichen des Angeſichts gaben ihm bald kundſchafft/ daher ſagete er zu ihm: Gnaͤdiger Herr und Va- ter; mein Herr JEſus iſt mein Zeuge/ daß mir angenehmers in dieſer Welt nicht begeg- nen koͤnte/ als daß ich euch lebendig vor mir ſehen ſol; aber laſſet euch doch erbitten/ und kehret mit mir auff das naͤheſte Gemach/ daß man euch daſelbſt Koͤniglich ziere/ dann ich ſchwoͤre zu Gott im Himmel/ daß bey eurer Lebezeit/ welche Gott lange friſten wolle/ ich die- ſes Reich nicht beherſchen wil. Nicht alſo/ mein allerliebſter Sohn/ antwortete ſein Va- ter; dann wie ſolte dieſer mein krumgebogener Ruͤcken ſolche ſchwere Laſt nach dieſem er- tragen koͤnnen; beſchaue mich nur in dieſer meiner Schwacheit/ und betrachte/ ob es moͤg- lich ſey/ daß ein ſolcher durch allerhand Ungluͤk und Elend abgemergelter Menſch/ der ſei- ne Knochen kaum fortſchleppen kan/ ein Koͤnigreich ſolte verwalten koͤnnen? daher iſt miꝛ dein aͤidſchwur ſehr hart zuwieder. Vor diſmahl aber wil ich dir zu Willen ſeyn/ und auff das naͤheſte Gemach/ welches mir vor dieſen zu Luſt dienete/ mich verfuͤgen/ damit ich die- ſe Betlers-Kleider ablegen moͤge. Sonſten wundert mich nicht wenig/ daß noch einiger Menſch mein durch Sonnenbrand/ Hunger und Ungluͤk verſtelletes Angeſicht hat erken- nen moͤgen/ daher ich mich auch nicht wenig befuͤrchtet/ ich duͤrffte anfangs vor einen Be- trieger gehalten werden/ aber Gott Lob/ daß die Buben noch im Leben ſind/ welche mich in dieſes Elend geſtuͤrzet/ und von mir Zeugniß werden geben muͤſſen. Bald ward ein Feld- Scherer herzugefodert/ der ihn putzen und waſchen muſte/ nachgehends brachte man ihm Koͤnigliche Kleider/ und ward inzwiſchen ſeinem Gemahl kund getahn/ daß ihr Gemahl und Koͤnig lebendig zu Lande geſchlagen waͤhre/ und gleich jetzo auff dem Saale ſich finden würde; uͤber welche Zeitung ſie vor unſaͤglicher Freude als eine Leiche dahin fiel/ und bey allen fremdẽ eine groſſe Verwunderung entſtund. Nachdem er gebuͤhrlich augetahn war/ kanten ihn alle/ die vorhin viel mit ihm umgangen wahren/ ward von ſeinem Schwager Koͤnig Henrich bruͤderlich empfangen und bey der Hand auff den groſſen Saal geſuͤhret/ da gleich ſein Gemahl wieder zu Kraͤfften kommen wahr. Als ſie eines des andern anſich- tig wurden/ kunte keines einigen Fuß aus der ſtelle ſetzen/ biß endlich die alte Koͤnigin zu ihm

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 858. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/864>, abgerufen am 23.11.2024.