Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Siebendes Buch. und seinem Verdienste nach/ fortgeschleppet. Als sie zu Magdeburg ankahmen/ entstundgrosse Freude bey allen Hofeleuten; Weil sie aber vernam/ daß die Königliche Geselschaft schon vor etlichen Wochen nach Prag verreiset währe/ wolte sie daselbst nicht länger als eine Nacht verharren; gab Wolffgangen ein schönes Scharlaken Kleid/ dessen Wunden/ (wie dann die Bauren gute Haut zuheilen haben) in kurzer Zeit anfingen sich zusetzen und schliessen/ und muste noch immerfort bey ihr auff der Gutsche bleiben. Sie wahr über die masse betrübt/ daß man ihr zu Magdeburg so gar nichts von dem Fürsten zusagen wuste/ nur daß die Königliche Geselschafft denselben nebest dem Fräulein sehr beklaget hätte/ und sie daher an seinem Leben anfing zuverzweifeln/ so daß ihre Augen selten ohn Trähnen/ und ihr Herz ohn Seuffzen wahr; da gleichwol Wolffgang sie nach vermögen tröstete; man müste dem Allerhöchsten trauen/ er würde diesen gläubigen und frommen Fürsten ja so wol im Unglük/ als sie/ erhalten haben/ wie er dann nimmermehr gläuben könte/ daß er in dem Streite mit den Bürgern des abgebranten Städleins solte erschlagen seyn; und wer weiß/ sagete er/ ob seine Fürstl. Gn. nit wol schon zu Prag ankommen ist/ und gleich so grosses Leid über ihren vermeinten Tod trägt/ als sie über ihn? Sie reiseten ohn einige sonderliche begebniß fort/ biß sieauf 3 Meilen an Prag kamen/ da sie einen Jäger in fremder Kleidungsart/ vor einen sitzenden Betler ganz demühtig stehen/ und den Huht in der Hand halten sahen welches sie wunder nam; und weil es nicht weit von dem Fahrwege wahr/ befahl das Fräulein Wolf- gangen (der nunmehr geheilet wahr) hinzugehen/ und zuvernehmen/ warumb dieser wol- geputzeter Jäger einem so unachtsamen Menschen in zurissenen Kleidern/ diese grosse Ehr- erbietigkeit erzeigete. Dieser/ so bald er hinzutrat/ ward er/ ungeachtet seines schönen unge- wöhnlichen Kleides von dem Betler (dann derselbe wahr Fürst Arbianes) erkennet/ wel- cher voller Hoffnung und Begierden mit lauter Stimme zu ruffen anfing: Wolfgang Wolfgang/ verbirge dich nicht vor mir in deinem Ritter-kleide/ und sage mir/ wo das liebe Fräulein ist/ damit ich meiner grossen Herzensangst entweder lebendig oder Tod abkom- men möge. Gute Zeitung/ glükliche Zeitung gnädiger Fürst/ antwortete er; wolte auch weiter reden; aber das Fräulein; welche alle Worte des Fürsten eigentlich hörete/ und sei- ne Stimme alsbald erkennete/ sprang herunter von ihrer Gutsche/ und wolte zu ihm lauf- fen/ aber aus grosser herzlicher Liebe/ und nicht weniger aus erbarmung uber feinen klägli- chen Zustand/ fiel sie in Ohmacht zur Erden nieder. Arbianes sahe sie/ und geriet in eben denselben Zustand/ daß der Jäger mit ihm/ und Wolfgang mit dem Fräulein gnug zu tuhn hatten/ ehe sie wieder zum verstande und zu kräften kahmen. Das Fräulein ermunterte sich zu allererst/ lieff ungescheuhet hin zu ihrem allerliebsten Bräutigam/ umbfing ihn in seinen Betlers Kleidern und ganz verworrenen Haaren/ herzete und küssete ihn/ und sagete end- lich: O weh mir unglükseligen/ daß der teure Fürst aus Meden/ meinetwegen zum Betler worden ist/ und es meinem Erlöser viel unglüklicher als mir selbst hat gehen müssen. Nun nun mein Schaz/ der almächtige Gott hat uns auf die Läuterung gestellet/ wir haben durch seine Gnade und Hülffe ausgehalten/ und sind in den Augen seiner Barmherzigkeit wert erfunden worden/ daß euer Bettelstand/ und meine elende Magdschaft (HErr Gott dir sey dank vor die Stäupe und vor die Hülffe) zum ende gelauffen ist. Arbianes saß noch/ als währe er verzukt/ die Zehren lieffen ihm über die Wangen/ und fand so viel Kraft nicht in seinen
Siebendes Buch. und ſeinem Verdienſte nach/ fortgeſchleppet. Als ſie zu Magdeburg ankahmen/ entſtundgroſſe Freude bey allen Hofeleuten; Weil ſie aber vernam/ daß die Koͤnigliche Geſelſchaft ſchon vor etlichen Wochen nach Prag verreiſet waͤhre/ wolte ſie daſelbſt nicht laͤnger als eine Nacht verharren; gab Wolffgangen ein ſchoͤnes Scharlaken Kleid/ deſſen Wundẽ/ (wie dann die Bauren gute Haut zuheilen haben) in kurzer Zeit anfingen ſich zuſetzen und ſchlieſſen/ und muſte noch immerfort bey ihr auff der Gutſche bleiben. Sie wahr über die maſſe betruͤbt/ daß man ihr zu Magdeburg ſo gar nichts von dem Fuͤrſten zuſagen wuſte/ nur daß die Koͤnigliche Geſelſchafft denſelben nebeſt dem Fraͤulein ſehr beklaget haͤtte/ und ſie daher an ſeinem Leben anfing zuverzweifeln/ ſo daß ihre Augen ſelten ohn Traͤhnen/ und ihr Herz ohn Seuffzen wahr; da gleichwol Wolffgang ſie nach vermoͤgen troͤſtete; man müſte dem Allerhoͤchſten trauen/ er wuͤrde dieſen glaͤubigen und frommen Fuͤrſten ja ſo wol im Ungluͤk/ als ſie/ erhalten haben/ wie er dann nimmermehr glaͤuben koͤnte/ daß er in dem Streite mit den Buͤrgern des abgebranten Staͤdleins ſolte erſchlagen ſeyn; uñ wer weiß/ ſagete er/ ob ſeine Fürſtl. Gn. nit wol ſchon zu Prag ankom̃en iſt/ und gleich ſo groſſes Leid uͤber ihrẽ vermeintẽ Tod traͤgt/ als ſie uͤber ihn? Sie reiſetẽ ohn einige ſonderliche begebniß fort/ biß ſieauf 3 Meilẽ an Prag kamẽ/ da ſie einẽ Jaͤger in fremder Kleidungsart/ voꝛ einẽ ſitzenden Betler ganz demuͤhtig ſtehen/ und den Huht in der Hand halten ſahen welches ſie wunder nam; und weil es nicht weit von dem Fahrwege wahr/ befahl das Fraͤulein Wolf- gangen (der nunmehr geheilet wahr) hinzugehen/ und zuvernehmen/ warumb dieſer wol- geputzeter Jaͤger einem ſo unachtſamen Menſchen in zuriſſenen Kleidern/ dieſe groſſe Ehr- erbietigkeit erzeigete. Dieſer/ ſo bald er hinzutrat/ ward er/ ungeachtet ſeines ſchoͤnen unge- woͤhnlichen Kleides von dem Betler (dann derſelbe wahr Fürſt Arbianes) erkennet/ wel- cher voller Hoffnung und Begierden mit lauter Stimme zu ruffen anfing: Wolfgang Wolfgang/ verbirge dich nicht vor mir in deinem Ritter-kleide/ und ſage mir/ wo das liebe Fraͤulein iſt/ damit ich meiner groſſen Herzensangſt entweder lebendig oder Tod abkom- men moͤge. Gute Zeitung/ gluͤkliche Zeitung gnaͤdiger Fuͤrſt/ antwortete er; wolte auch weiter reden; aber das Fraͤulein; welche alle Worte des Fuͤrſten eigentlich hoͤrete/ uñ ſei- ne Stimme alsbald erkennete/ ſprang herunter von ihrer Gutſche/ und wolte zu ihm lauf- fen/ aber aus groſſer herzlicher Liebe/ und nicht weniger aus erbarmung uber feinen klaͤgli- chen Zuſtand/ fiel ſie in Ohmacht zur Erden nieder. Arbianes ſahe ſie/ und geriet in eben denſelben Zuſtand/ daß der Jaͤger mit ihm/ und Wolfgang mit dem Fraͤulein gnug zu tuhn hatten/ ehe ſie wieder zum verſtande uñ zu kraͤften kahmen. Das Fraͤulein ermunterte ſich zu allererſt/ lieff ungeſcheuhet hin zu ihrem allerliebſten Braͤutigam/ umbfing ihn in ſeinen Betlers Kleidern und ganz verworrenen Haaren/ herzete und kuͤſſete ihn/ und ſagete end- lich: O weh mir ungluͤkſeligen/ daß der teure Fürſt aus Meden/ meinetwegen zum Betler worden iſt/ und es meinem Erloͤſer viel ungluͤklicher als mir ſelbſt hat gehen muͤſſen. Nun nun mein Schaz/ der almaͤchtige Gott hat uns auf die Laͤuterung geſtellet/ wir haben durch ſeine Gnade und Huͤlffe ausgehalten/ und ſind in den Augen ſeiner Barmherzigkeit wert erfunden worden/ daß euer Bettelſtand/ und meine elende Magdſchaft (HErr Gott dir ſey dank vor die Staͤupe und vor die Huͤlffe) zum ende gelauffen iſt. Arbianes ſaß noch/ als waͤhre er verzukt/ die Zehren lieffen ihm uͤber die Wangen/ und fand ſo viel Kraft nicht in ſeinen
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Siebendes Buch.
und ſeinem Verdienſte nach/ fortgeſchleppet. Als ſie zu Magdeburg ankahmen/ entſtund
groſſe Freude bey allen Hofeleuten; Weil ſie aber vernam/ daß die Koͤnigliche Geſelſchaft
ſchon vor etlichen Wochen nach Prag verreiſet waͤhre/ wolte ſie daſelbſt nicht laͤnger als
eine Nacht verharren; gab Wolffgangen ein ſchoͤnes Scharlaken Kleid/ deſſen Wundẽ/
(wie dann die Bauren gute Haut zuheilen haben) in kurzer Zeit anfingen ſich zuſetzen und
ſchlieſſen/ und muſte noch immerfort bey ihr auff der Gutſche bleiben. Sie wahr über die
maſſe betruͤbt/ daß man ihr zu Magdeburg ſo gar nichts von dem Fuͤrſten zuſagen wuſte/
nur daß die Koͤnigliche Geſelſchafft denſelben nebeſt dem Fraͤulein ſehr beklaget haͤtte/ und
ſie daher an ſeinem Leben anfing zuverzweifeln/ ſo daß ihre Augen ſelten ohn Traͤhnen/ und
ihr Herz ohn Seuffzen wahr; da gleichwol Wolffgang ſie nach vermoͤgen troͤſtete; man
müſte dem Allerhoͤchſten trauen/ er wuͤrde dieſen glaͤubigen und frommen Fuͤrſten ja ſo wol
im Ungluͤk/ als ſie/ erhalten haben/ wie er dann nimmermehr glaͤuben koͤnte/ daß er in dem
Streite mit den Buͤrgern des abgebranten Staͤdleins ſolte erſchlagen ſeyn; uñ wer weiß/
ſagete er/ ob ſeine Fürſtl. Gn. nit wol ſchon zu Prag ankom̃en iſt/ und gleich ſo groſſes Leid
uͤber ihrẽ vermeintẽ Tod traͤgt/ als ſie uͤber ihn? Sie reiſetẽ ohn einige ſonderliche begebniß
fort/ biß ſieauf 3 Meilẽ an Prag kamẽ/ da ſie einẽ Jaͤger in fremder Kleidungsart/ voꝛ einẽ
ſitzenden Betler ganz demuͤhtig ſtehen/ und den Huht in der Hand halten ſahen welches ſie
wunder nam; und weil es nicht weit von dem Fahrwege wahr/ befahl das Fraͤulein Wolf-
gangen (der nunmehr geheilet wahr) hinzugehen/ und zuvernehmen/ warumb dieſer wol-
geputzeter Jaͤger einem ſo unachtſamen Menſchen in zuriſſenen Kleidern/ dieſe groſſe Ehr-
erbietigkeit erzeigete. Dieſer/ ſo bald er hinzutrat/ ward er/ ungeachtet ſeines ſchoͤnen unge-
woͤhnlichen Kleides von dem Betler (dann derſelbe wahr Fürſt Arbianes) erkennet/ wel-
cher voller Hoffnung und Begierden mit lauter Stimme zu ruffen anfing: Wolfgang
Wolfgang/ verbirge dich nicht vor mir in deinem Ritter-kleide/ und ſage mir/ wo das liebe
Fraͤulein iſt/ damit ich meiner groſſen Herzensangſt entweder lebendig oder Tod abkom-
men moͤge. Gute Zeitung/ gluͤkliche Zeitung gnaͤdiger Fuͤrſt/ antwortete er; wolte auch
weiter reden; aber das Fraͤulein; welche alle Worte des Fuͤrſten eigentlich hoͤrete/ uñ ſei-
ne Stimme alsbald erkennete/ ſprang herunter von ihrer Gutſche/ und wolte zu ihm lauf-
fen/ aber aus groſſer herzlicher Liebe/ und nicht weniger aus erbarmung uber feinen klaͤgli-
chen Zuſtand/ fiel ſie in Ohmacht zur Erden nieder. Arbianes ſahe ſie/ und geriet in eben
denſelben Zuſtand/ daß der Jaͤger mit ihm/ und Wolfgang mit dem Fraͤulein gnug zu tuhn
hatten/ ehe ſie wieder zum verſtande uñ zu kraͤften kahmen. Das Fraͤulein ermunterte ſich
zu allererſt/ lieff ungeſcheuhet hin zu ihrem allerliebſten Braͤutigam/ umbfing ihn in ſeinen
Betlers Kleidern und ganz verworrenen Haaren/ herzete und kuͤſſete ihn/ und ſagete end-
lich: O weh mir ungluͤkſeligen/ daß der teure Fürſt aus Meden/ meinetwegen zum Betler
worden iſt/ und es meinem Erloͤſer viel ungluͤklicher als mir ſelbſt hat gehen muͤſſen. Nun
nun mein Schaz/ der almaͤchtige Gott hat uns auf die Laͤuterung geſtellet/ wir haben durch
ſeine Gnade und Huͤlffe ausgehalten/ und ſind in den Augen ſeiner Barmherzigkeit wert
erfunden worden/ daß euer Bettelſtand/ und meine elende Magdſchaft (HErr Gott dir ſey
dank vor die Staͤupe und vor die Huͤlffe) zum ende gelauffen iſt. Arbianes ſaß noch/ als
waͤhre er verzukt/ die Zehren lieffen ihm uͤber die Wangen/ und fand ſo viel Kraft nicht in
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 686. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/692>, abgerufen am 16.07.2024. |