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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Siebendes Buch.
genwart ertragen kan/ würde sonst die Künheit nicht gehabt haben/ sich vor eurem Ange-
sicht finden zulassen. Ich danke aber dem grundgütigen Gott/ daß er mir so hohe Gnade
verlihen/ meinen herzlieben Eltern in ihrem Gefängniß beypflichtig zuseyn/ und die räube-
rische Boßheit straffen zuhelffen. O mein lieber Sohn/ stehe auff/ sagete der Vater/
wolte auch weiter mit ihm reden/ aber die übermässige Herzens-Bewägung zog seine Le-
bens-Geister zurük/ daß er zur Erden nidersank/ und von den seinen Erquickung einneh-
men muste/ da es dann der alten Großfürstin nit anders erging/ welche schon vor ihm in
tieffer Ohmacht lage/ und von Valiska gerieben und geschüttelt ward. Der Großfürst er-
hohlete sich bald wieder/ stund auff und umfing seinen Herkules mit diesen Worten: Nun
du mein teurer Sohn/ du unsterblicher Ruhm und Ehre deines Vaterlandes; die Götter
werden mir verleihen/ daß ich auch teil an dir haben möge/ nachdem sie mir schon eine gros-
se Erfüllung meines unauffhörlichen Wunsches gönnen/ und dich mir wiederumb sehen
lassen/ werde mich auch dergestalt gegen dich zubezeigen wissen/ daß du nicht Ursach haben
solt/ dich über mich zubeschweren/ oder aus deinem Erbreiche zuweichen. Aber wer sind
dann jene/ die dort gegen uns daher treten? Es ist mein geträuer Bruder/ König Ladisla/
und sein wirdiges Gemahl/ antwortete Herkules/ die wol verdienet/ daß sie von ihm gelie-
bet und geehret werde. Der Großfürst ging ihm entgegen/ und nach freundlichem umfa-
hen sagte er: Herzgeliebter Oheim und Sohn; euer Liebe gesundheit und wolergehen ist
mir eine vergnügliche Freude/ und danke dem gütigen Himmel/ daß er uns dereins gesund
und frisch wieder zusammen geführet hat/ wie ich dann euer Liebe mich wegen geschehener
Erlösung nicht wenig verbunden befinde und erkenne. Die alte Groß Fürstin hatte sich in-
zwischen auch erhohlet/ herzete und drückete ihre Schwieger Tochter ohn einiges Wort-
sprechen/ biß sie auch an ihren Herkules geriet/ an welchen sie sich mit beyden Armen hen-
kete/ endlich aber anfing: Nun wil ich gerne und willig sterben/ nachdem die Götter mich
dein Angesicht wiederumb haben sehen lassen. O du mein herzallerliebster Sohn/ den ich
über mich selbst geliebet habe/ wie hastu doch über dein liebreiches Herz bringen können/ daß
du dich mein so lange entäusserst/ und kaum etliche wenig Schreiben mir zugeschicket hast?
hastu an meinem Mutterherzen gezweiffelt/ so verzeihe dirs dein GOtt; hat dich aber die
Furcht und die Ernsthaftigkeit deines Vaters abgehalten/ hätte ich noch wol mittel finden
wollen/ ihn zubegütigen/ weil er wieder seinen Willen und als gezwungen dich verlassen
müssen. Der Almächtige wahre Gott hat uns früh genug zusammen geführet/ antwortete
er/ nachdem derselbe zuvor meines Herr Vaters Herz mir zugewendet hat. Ladisla trat auch
zu ihr hin (da unterdessen der Großfürst seine liebe Schwieger Tochter wilkommen hieß)
meldete ihr seiner Fr. Mutter Gruß an/ und baht umb vezeihung/ daß er bißdaher sich vor
ihr verborgen gehalten; da sie zur Antwort gab: Freundlicher herzgeliebeter Herr Sohn/
ich bin euch mich selbst schuldig/ vor die brüderliche Träue/ welche ihr meinem Herkules in
seinen höchsten nöhten erzeiget/ und ihn nicht habt verstossen wollen/ da er von seinen Eltern
selbst hat müssen verlassen/ ja verstossen seyn; über welche Worte sie eine so grosse Menge
Trähnen vergoß/ daß ihr Wischtuch feuchtenaß ward/ und alle Anwesende mit ihr über-
laut weineten; dann ihnen ward hiedurch Herkules ausgestandenes Leid zu gedächtnis
bracht/ und daß er so lange Zeit in Leibeigenschaft hatte leben müssen; doch nam diese Be-

trübnis

Siebendes Buch.
genwart ertragen kan/ wuͤrde ſonſt die Kuͤnheit nicht gehabt haben/ ſich vor eurem Ange-
ſicht finden zulaſſen. Ich danke aber dem grundguͤtigen Gott/ daß er mir ſo hohe Gnade
verlihen/ meinen herzlieben Eltern in ihrem Gefaͤngniß beypflichtig zuſeyn/ und die raͤube-
riſche Boßheit ſtraffen zuhelffen. O mein lieber Sohn/ ſtehe auff/ ſagete der Vater/
wolte auch weiter mit ihm reden/ aber die uͤbermaͤſſige Herzens-Bewaͤgung zog ſeine Le-
bens-Geiſter zuruͤk/ daß er zur Erden niderſank/ und von den ſeinen Erquickung einneh-
men muſte/ da es dann der alten Großfuͤrſtin nit anders erging/ welche ſchon vor ihm in
tieffer Ohmacht lage/ und von Valiſka gerieben und geſchuͤttelt ward. Der Großfuͤrſt er-
hohlete ſich bald wieder/ ſtund auff und umfing ſeinen Herkules mit dieſen Worten: Nun
du mein teurer Sohn/ du unſterblicher Ruhm und Ehre deines Vaterlandes; die Goͤtter
werdẽ mir verleihen/ daß ich auch teil an dir haben moͤge/ nachdem ſie mir ſchon eine groſ-
ſe Erfuͤllung meines unauffhoͤrlichen Wunſches goͤnnen/ und dich mir wiederumb ſehen
laſſen/ werde mich auch dergeſtalt gegen dich zubezeigen wiſſen/ daß du nicht Urſach haben
ſolt/ dich uͤber mich zubeſchweren/ oder aus deinem Erbreiche zuweichen. Aber wer ſind
dann jene/ die dort gegen uns daher treten? Es iſt mein getraͤuer Bruder/ Koͤnig Ladiſla/
und ſein wirdiges Gemahl/ antwortete Herkules/ die wol verdienet/ daß ſie von ihm gelie-
bet und geehret werde. Der Großfuͤrſt ging ihm entgegen/ und nach freundlichem umfa-
hen ſagte er: Herzgeliebter Oheim und Sohn; euer Liebe geſundheit und wolergehen iſt
mir eine vergnuͤgliche Freude/ und danke dem guͤtigen Himmel/ daß er uns dereins geſund
und friſch wieder zuſammen gefuͤhret hat/ wie ich dann euer Liebe mich wegen geſchehener
Erloͤſung nicht wenig verbunden befinde und erkenne. Die alte Groß Fuͤrſtin hatte ſich in-
zwiſchen auch erhohlet/ herzete und druͤckete ihre Schwieger Tochter ohn einiges Wort-
ſprechen/ biß ſie auch an ihren Herkules geriet/ an welchen ſie ſich mit beyden Armen hen-
kete/ endlich aber anfing: Nun wil ich gerne und willig ſterben/ nachdem die Goͤtter mich
dein Angeſicht wiederumb haben ſehen laſſen. O du mein herzallerliebſter Sohn/ den ich
uͤber mich ſelbſt geliebet habe/ wie haſtu doch uͤber dein liebreiches Herz bringen koͤñen/ daß
du dich mein ſo lange entaͤuſſerſt/ und kaum etliche wenig Schreiben mir zugeſchicket haſt?
haſtu an meinem Mutterherzen gezweiffelt/ ſo verzeihe dirs dein GOtt; hat dich aber die
Furcht und die Ernſthaftigkeit deines Vaters abgehalten/ haͤtte ich noch wol mittel finden
wollen/ ihn zubeguͤtigen/ weil er wieder ſeinen Willen und als gezwungen dich verlaſſen
muͤſſen. Der Almaͤchtige wahre Gott hat uns fruͤh genug zuſammen gefuͤhret/ antwortete
er/ nachdem derſelbe zuvor meines Herꝛ Vaters Herz mir zugewendet hat. Ladiſla trat auch
zu ihr hin (da unterdeſſen der Großfuͤrſt ſeine liebe Schwieger Tochter wilkommen hieß)
meldete ihr ſeiner Fr. Mutter Gruß an/ und baht umb vezeihung/ daß er bißdaher ſich vor
ihr verborgen gehalten; da ſie zur Antwort gab: Freundlicher herzgeliebeter Herꝛ Sohn/
ich bin euch mich ſelbſt ſchuldig/ vor die bruͤderliche Traͤue/ welche ihr meinem Herkules in
ſeinen hoͤchſten noͤhten erzeiget/ und ihn nicht habt verſtoſſen wollen/ da er von ſeinen Eltern
ſelbſt hat muͤſſen verlaſſen/ ja verſtoſſen ſeyn; uͤber welche Worte ſie eine ſo groſſe Menge
Traͤhnen vergoß/ daß ihr Wiſchtuch feuchtenaß ward/ und alle Anweſende mit ihr uͤber-
laut weineten; dann ihnen ward hiedurch Herkules ausgeſtandenes Leid zu gedaͤchtnis
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[510/0516] Siebendes Buch. genwart ertragen kan/ wuͤrde ſonſt die Kuͤnheit nicht gehabt haben/ ſich vor eurem Ange- ſicht finden zulaſſen. Ich danke aber dem grundguͤtigen Gott/ daß er mir ſo hohe Gnade verlihen/ meinen herzlieben Eltern in ihrem Gefaͤngniß beypflichtig zuſeyn/ und die raͤube- riſche Boßheit ſtraffen zuhelffen. O mein lieber Sohn/ ſtehe auff/ ſagete der Vater/ wolte auch weiter mit ihm reden/ aber die uͤbermaͤſſige Herzens-Bewaͤgung zog ſeine Le- bens-Geiſter zuruͤk/ daß er zur Erden niderſank/ und von den ſeinen Erquickung einneh- men muſte/ da es dann der alten Großfuͤrſtin nit anders erging/ welche ſchon vor ihm in tieffer Ohmacht lage/ und von Valiſka gerieben und geſchuͤttelt ward. Der Großfuͤrſt er- hohlete ſich bald wieder/ ſtund auff und umfing ſeinen Herkules mit dieſen Worten: Nun du mein teurer Sohn/ du unſterblicher Ruhm und Ehre deines Vaterlandes; die Goͤtter werdẽ mir verleihen/ daß ich auch teil an dir haben moͤge/ nachdem ſie mir ſchon eine groſ- ſe Erfuͤllung meines unauffhoͤrlichen Wunſches goͤnnen/ und dich mir wiederumb ſehen laſſen/ werde mich auch dergeſtalt gegen dich zubezeigen wiſſen/ daß du nicht Urſach haben ſolt/ dich uͤber mich zubeſchweren/ oder aus deinem Erbreiche zuweichen. Aber wer ſind dann jene/ die dort gegen uns daher treten? Es iſt mein getraͤuer Bruder/ Koͤnig Ladiſla/ und ſein wirdiges Gemahl/ antwortete Herkules/ die wol verdienet/ daß ſie von ihm gelie- bet und geehret werde. Der Großfuͤrſt ging ihm entgegen/ und nach freundlichem umfa- hen ſagte er: Herzgeliebter Oheim und Sohn; euer Liebe geſundheit und wolergehen iſt mir eine vergnuͤgliche Freude/ und danke dem guͤtigen Himmel/ daß er uns dereins geſund und friſch wieder zuſammen gefuͤhret hat/ wie ich dann euer Liebe mich wegen geſchehener Erloͤſung nicht wenig verbunden befinde und erkenne. Die alte Groß Fuͤrſtin hatte ſich in- zwiſchen auch erhohlet/ herzete und druͤckete ihre Schwieger Tochter ohn einiges Wort- ſprechen/ biß ſie auch an ihren Herkules geriet/ an welchen ſie ſich mit beyden Armen hen- kete/ endlich aber anfing: Nun wil ich gerne und willig ſterben/ nachdem die Goͤtter mich dein Angeſicht wiederumb haben ſehen laſſen. O du mein herzallerliebſter Sohn/ den ich uͤber mich ſelbſt geliebet habe/ wie haſtu doch uͤber dein liebreiches Herz bringen koͤñen/ daß du dich mein ſo lange entaͤuſſerſt/ und kaum etliche wenig Schreiben mir zugeſchicket haſt? haſtu an meinem Mutterherzen gezweiffelt/ ſo verzeihe dirs dein GOtt; hat dich aber die Furcht und die Ernſthaftigkeit deines Vaters abgehalten/ haͤtte ich noch wol mittel finden wollen/ ihn zubeguͤtigen/ weil er wieder ſeinen Willen und als gezwungen dich verlaſſen muͤſſen. Der Almaͤchtige wahre Gott hat uns fruͤh genug zuſammen gefuͤhret/ antwortete er/ nachdem derſelbe zuvor meines Herꝛ Vaters Herz mir zugewendet hat. Ladiſla trat auch zu ihr hin (da unterdeſſen der Großfuͤrſt ſeine liebe Schwieger Tochter wilkommen hieß) meldete ihr ſeiner Fr. Mutter Gruß an/ und baht umb vezeihung/ daß er bißdaher ſich vor ihr verborgen gehalten; da ſie zur Antwort gab: Freundlicher herzgeliebeter Herꝛ Sohn/ ich bin euch mich ſelbſt ſchuldig/ vor die bruͤderliche Traͤue/ welche ihr meinem Herkules in ſeinen hoͤchſten noͤhten erzeiget/ und ihn nicht habt verſtoſſen wollen/ da er von ſeinen Eltern ſelbſt hat muͤſſen verlaſſen/ ja verſtoſſen ſeyn; uͤber welche Worte ſie eine ſo groſſe Menge Traͤhnen vergoß/ daß ihr Wiſchtuch feuchtenaß ward/ und alle Anweſende mit ihr uͤber- laut weineten; dann ihnen ward hiedurch Herkules ausgeſtandenes Leid zu gedaͤchtnis bracht/ und daß er ſo lange Zeit in Leibeigenſchaft hatte leben muͤſſen; doch nam dieſe Be- truͤbnis

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/516>, abgerufen am 22.11.2024.