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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Sechstes Buch.
wärtig zuseyn. Ich bin und werde seyn (nähst Begrüssung Eurer Liebe Eltern/ als meines Gn. Herrn
Vaters und Fr. Mutter) meines höchstgeliebeten Herrn Bruders/ des teuren Fürsten Markomir eh-
renbereitwilligste Schwester Valiska.

Dem Könige überlieffen die Augen von Freuden Trähnen/ und der Arzt freuete sich
nicht wenig des übergeschikten Geschenkes/ rieht/ daß dem jungen Fürsten das Schrei-
ben alsbald gelieffert würde/ welches sie/ weil das Pitschafft unverletzet wahr/ fein und
unvermerket zumachten: nahmen die Wetscher und Kleinot Schachtel mit sich/ und gin-
gen zu dem jungen Fürsten in sein Gemach/ welcher auff seinem Lager lag/ und allerhand
Gedanken in seinem Gehirn herumb schweben ließ/ da der Vater ihn also anredete: Ge-
liebter Sohn/ wir werden dir Zeitung bringen von grosser Wichtigkeit/ und erinnern dich
beiderseits/ daß du solches ohn sonderliche Gemühts Bewägung annehmest. Gn. Herr
Vater/ antwortete er; was kan einem solchen elenden Menschen/ als ich bin/ vorgebracht
werden/ daß ihn sonderlich bewägen solte? Er wolte weiter reden/ aber der Vater fiel ihm
ins Wort/ und sagte: Was nennestu dich einen elenden? ist dir ein Ungemach zugestossen/
das schlage auß dem Sinne/ und danke den gütigen Göttern/ daß sie deiner Gesundheit
dich wieder vergewissern wollen. Damit wir dich aber nit zulange auffhalten/ so wisse/ daß
deine allerbeste und angenehmste Freundin und Schwester dir diesen Brieff sendet/ und
andere Sachen mehr; hoffen/ du werdest es gerne annehmen/ und dich brüderlich
gegen dieselbe erklären. Markomir/ als auß einem tieffen Schlaffe erwachete/ fragete den
Vater/ was vor eine Freundin er dann hätte? je mein Sohn/ antwortete er/ eben dieselbe/
ümb deret Willen du dich diese ganze Zeit her gehermet hast. Ach mein Herr Vater/ sagte
er/ ist dieselbe meine Schwester und Freundin? ja ist dieselbe annoch im Leben? freilich ist
sie noch im leben/ antwortete er; und ob sie deine Freundin sey/ wird/ meinem vermuhten
nach/ dieser Brieff dir sagen/ dafern du ihn nur lesen wirst. O mein Herr Vater/ ein Brief?
sagte er/ ein Brieff von dem unvergleichlichen Fräulein an mich Unwirdigen? rede nicht
so verächtlich von dir selbst/ antwortete der Vater; du weist ja wer du bist; nim vielmehr
dieses Schreiben und liese es sein bedachtsam durch. Er griff mit beiden Händen darnach/
besahe das Pitschafft/ umb welches der Nahme Valiska gegraben wahr/ küssete den
Brieff/ laß ihn langsam durch mit Trähnen fliessenden Augen/ und als er ihn gar zu Ende
gebracht hatte/ sagte er mit einem Seuffzer: Ihr Götter/ O ihr gütigen Götter; euch
danke ich von Herzen/ daß ihr dieser allerwirdigsten Fräulein Gnade und Gewogenheit
mir erworben und zugewendet habet/ und mich wirdig gemacht/ einen Gruß und Befehl
von ihr zuerhalten. O ihr mein lieber Arzt/ wendet allen Fleiß an zu meiner Gesundheit/
damit ich dieselbe bald sehen möge/ welche nach diesem als meine allerwirdigste Frl.
Schwester ich ehren wil/ weil ich deren ehelicher Liebe mich ganz unwirdig weiß. Der Va-
ter und der Arzt höreten diese Worte mit sonderlicher Herzens Freude an/ und öffnete der
junge Fürst darauff die Schachtel/ auß welcher er sechs köstliche Ringe/ so viel mänliche
Kleinot/ und eine Demant Kette hervor nam/ aber das unterste/ welches in einem seidenen
Tüchlein eingewickelt wahr/ erfreuete ihn noch am meisten/ nehmlich ein Armband auß
ihren Haaren/ mit den köstlichsten Perlen durchwickelt/ wobey dieses kleine Brieflein lag:

Meinem

Sechſtes Buch.
waͤrtig zuſeyn. Ich bin und werde ſeyn (naͤhſt Begruͤſſung Eurer Liebe Eltern/ als meines Gn. Herrn
Vaters und Fr. Mutter) meines hoͤchſtgeliebeten Herrn Bruders/ des teuren Fuͤrſten Markomir eh-
renbereitwilligſte Schweſter Valiſka.

Dem Koͤnige uͤberlieffen die Augen von Freuden Traͤhnen/ und der Arzt freuete ſich
nicht wenig des uͤbergeſchikten Geſchenkes/ rieht/ daß dem jungen Fuͤrſten das Schrei-
ben alsbald gelieffert wuͤrde/ welches ſie/ weil das Pitſchafft unverletzet wahr/ fein und
unvermerket zumachten: nahmen die Wetſcher und Kleinot Schachtel mit ſich/ und gin-
gen zu dem jungen Fuͤrſten in ſein Gemach/ welcher auff ſeinem Lager lag/ und allerhand
Gedanken in ſeinem Gehirn herumb ſchweben ließ/ da der Vater ihn alſo anredete: Ge-
liebter Sohn/ wir werden dir Zeitung bringen von groſſer Wichtigkeit/ und erinnern dich
beiderſeits/ daß du ſolches ohn ſonderliche Gemuͤhts Bewaͤgung annehmeſt. Gn. Herr
Vater/ antwortete er; was kan einem ſolchen elenden Menſchen/ als ich bin/ vorgebracht
werden/ daß ihn ſonderlich bewaͤgen ſolte? Er wolte weiter reden/ aber der Vater fiel ihm
ins Wort/ und ſagte: Was nenneſtu dich einen elenden? iſt dir ein Ungemach zugeſtoſſẽ/
das ſchlage auß dem Sinne/ und danke den gütigen Goͤttern/ daß ſie deiner Geſundheit
dich wieder vergewiſſern wollen. Damit wir dich abeꝛ nit zulange auffhalten/ ſo wiſſe/ daß
deine allerbeſte und angenehmſte Freundin und Schweſter dir dieſen Brieff ſendet/ und
andere Sachen mehr; hoffen/ du werdeſt es gerne annehmen/ und dich bruͤderlich
gegen dieſelbe erklaͤren. Markomir/ als auß einem tieffen Schlaffe erwachete/ fragete den
Vater/ was vor eine Freundin er dann haͤtte? je mein Sohn/ antwortete er/ eben dieſelbe/
uͤmb deret Willen du dich dieſe ganze Zeit her gehermet haſt. Ach mein Herr Vater/ ſagte
er/ iſt dieſelbe meine Schweſter und Freundin? ja iſt dieſelbe annoch im Leben? freilich iſt
ſie noch im leben/ antwortete er; und ob ſie deine Freundin ſey/ wird/ meinem vermuhten
nach/ dieſer Brieff dir ſagen/ dafern du ihn nur leſen wirſt. O mein Herr Vater/ ein Brief?
ſagte er/ ein Brieff von dem unvergleichlichen Fraͤulein an mich Unwirdigen? rede nicht
ſo veraͤchtlich von dir ſelbſt/ antwortete der Vater; du weiſt ja wer du biſt; nim vielmehr
dieſes Schreiben und lieſe es ſein bedachtſam durch. Er griff mit beiden Haͤnden darnach/
beſahe das Pitſchafft/ umb welches der Nahme Valiſka gegraben wahr/ kuͤſſete den
Brieff/ laß ihn langſam durch mit Traͤhnen flieſſenden Augen/ und als er ihn gar zu Ende
gebracht hatte/ ſagte er mit einem Seuffzer: Ihr Goͤtter/ O ihr guͤtigen Goͤtter; euch
danke ich von Herzen/ daß ihr dieſer allerwirdigſten Fraͤulein Gnade und Gewogenheit
mir erworben und zugewendet habet/ und mich wirdig gemacht/ einen Gruß und Befehl
von ihr zuerhalten. O ihr mein lieber Arzt/ wendet allen Fleiß an zu meiner Geſundheit/
damit ich dieſelbe bald ſehen moͤge/ welche nach dieſem als meine allerwirdigſte Frl.
Schweſter ich ehren wil/ weil ich deren ehelicher Liebe mich ganz unwirdig weiß. Der Va-
ter und der Arzt hoͤreten dieſe Worte mit ſonderlicher Herzens Freude an/ und oͤffnete der
junge Fürſt darauff die Schachtel/ auß welcher er ſechs koͤſtliche Ringe/ ſo viel maͤnliche
Kleinot/ und eine Demant Kette hervor nam/ aber das unterſte/ welches in einem ſeidenẽ
Tüchlein eingewickelt wahr/ erfreuete ihn noch am meiſten/ nehmlich ein Armband auß
ihren Haaren/ mit den koͤſtlichſten Perlen durchwickelt/ wobey dieſes kleine Brieflein lag:

Meinem
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[476/0482] Sechſtes Buch. waͤrtig zuſeyn. Ich bin und werde ſeyn (naͤhſt Begruͤſſung Eurer Liebe Eltern/ als meines Gn. Herrn Vaters und Fr. Mutter) meines hoͤchſtgeliebeten Herrn Bruders/ des teuren Fuͤrſten Markomir eh- renbereitwilligſte Schweſter Valiſka. Dem Koͤnige uͤberlieffen die Augen von Freuden Traͤhnen/ und der Arzt freuete ſich nicht wenig des uͤbergeſchikten Geſchenkes/ rieht/ daß dem jungen Fuͤrſten das Schrei- ben alsbald gelieffert wuͤrde/ welches ſie/ weil das Pitſchafft unverletzet wahr/ fein und unvermerket zumachten: nahmen die Wetſcher und Kleinot Schachtel mit ſich/ und gin- gen zu dem jungen Fuͤrſten in ſein Gemach/ welcher auff ſeinem Lager lag/ und allerhand Gedanken in ſeinem Gehirn herumb ſchweben ließ/ da der Vater ihn alſo anredete: Ge- liebter Sohn/ wir werden dir Zeitung bringen von groſſer Wichtigkeit/ und erinnern dich beiderſeits/ daß du ſolches ohn ſonderliche Gemuͤhts Bewaͤgung annehmeſt. Gn. Herr Vater/ antwortete er; was kan einem ſolchen elenden Menſchen/ als ich bin/ vorgebracht werden/ daß ihn ſonderlich bewaͤgen ſolte? Er wolte weiter reden/ aber der Vater fiel ihm ins Wort/ und ſagte: Was nenneſtu dich einen elenden? iſt dir ein Ungemach zugeſtoſſẽ/ das ſchlage auß dem Sinne/ und danke den gütigen Goͤttern/ daß ſie deiner Geſundheit dich wieder vergewiſſern wollen. Damit wir dich abeꝛ nit zulange auffhalten/ ſo wiſſe/ daß deine allerbeſte und angenehmſte Freundin und Schweſter dir dieſen Brieff ſendet/ und andere Sachen mehr; hoffen/ du werdeſt es gerne annehmen/ und dich bruͤderlich gegen dieſelbe erklaͤren. Markomir/ als auß einem tieffen Schlaffe erwachete/ fragete den Vater/ was vor eine Freundin er dann haͤtte? je mein Sohn/ antwortete er/ eben dieſelbe/ uͤmb deret Willen du dich dieſe ganze Zeit her gehermet haſt. Ach mein Herr Vater/ ſagte er/ iſt dieſelbe meine Schweſter und Freundin? ja iſt dieſelbe annoch im Leben? freilich iſt ſie noch im leben/ antwortete er; und ob ſie deine Freundin ſey/ wird/ meinem vermuhten nach/ dieſer Brieff dir ſagen/ dafern du ihn nur leſen wirſt. O mein Herr Vater/ ein Brief? ſagte er/ ein Brieff von dem unvergleichlichen Fraͤulein an mich Unwirdigen? rede nicht ſo veraͤchtlich von dir ſelbſt/ antwortete der Vater; du weiſt ja wer du biſt; nim vielmehr dieſes Schreiben und lieſe es ſein bedachtſam durch. Er griff mit beiden Haͤnden darnach/ beſahe das Pitſchafft/ umb welches der Nahme Valiſka gegraben wahr/ kuͤſſete den Brieff/ laß ihn langſam durch mit Traͤhnen flieſſenden Augen/ und als er ihn gar zu Ende gebracht hatte/ ſagte er mit einem Seuffzer: Ihr Goͤtter/ O ihr guͤtigen Goͤtter; euch danke ich von Herzen/ daß ihr dieſer allerwirdigſten Fraͤulein Gnade und Gewogenheit mir erworben und zugewendet habet/ und mich wirdig gemacht/ einen Gruß und Befehl von ihr zuerhalten. O ihr mein lieber Arzt/ wendet allen Fleiß an zu meiner Geſundheit/ damit ich dieſelbe bald ſehen moͤge/ welche nach dieſem als meine allerwirdigſte Frl. Schweſter ich ehren wil/ weil ich deren ehelicher Liebe mich ganz unwirdig weiß. Der Va- ter und der Arzt hoͤreten dieſe Worte mit ſonderlicher Herzens Freude an/ und oͤffnete der junge Fürſt darauff die Schachtel/ auß welcher er ſechs koͤſtliche Ringe/ ſo viel maͤnliche Kleinot/ und eine Demant Kette hervor nam/ aber das unterſte/ welches in einem ſeidenẽ Tüchlein eingewickelt wahr/ erfreuete ihn noch am meiſten/ nehmlich ein Armband auß ihren Haaren/ mit den koͤſtlichſten Perlen durchwickelt/ wobey dieſes kleine Brieflein lag: Meinem

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/482>, abgerufen am 22.11.2024.