Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Sechstes Buch. Fabius aber mündlich abgelegt/ und von jenem gar keine/ von diesem aber zum ersten mah-le diese Antwort erhalten/ daß sein Kind nicht einheimisch/ darzu jung/ und vielleicht schon einem andern zugedacht währe. Worauff ich etwas in Ruhe gestanden/ und nach Ver- lauff etlicher Wochen von Frl. Lukrezien dieses angenehme Brieflein (welches er loßwic- kelte und zeigete) bekommen. Von mir ein Brieflein? sagte Lukrezie mit einem Geläch- ter. Wollet ihr solches/ und eure eigene Hand leugnen? sagte Prokulus. So müste ichs acht Tage vor meiner Geburt geschrieben haben/ antwortete sie/ biß dahin ich dann nicht gedenken kan. Ihr Vater aber redete ihr ein/ sie solte ihn zuvor ausreden lassen. Also fuhr jener weiter also fort: Fünff Tage nach Empfahung dieses/ ist mir ein anders (welches er auch zeigete) von Padua aus/ von Frl. Sibyllen zugeschrieben worden. Ey behüte Gott/ sagte dieselbe/ was wil endlich aus diesen Lügen werden? Ein freies Affenspiel/ antwortete Lukrezie mit einem untergedrukten Lachen; Jene aber fuhr fort: Schämet ihr euch nicht/ Prokulus/ euren Käyser/ und andere anwesende grosse Herren dergestalt umzutreiben? Weil aber ihr Vater sie schweigen hieß/ setzete jener sein Vorbringen also fort; Es gebüh- ret sich nicht/ das geschehene zuleugnen/ wo man ehrlich ist/ insonderheit/ wann es mit ei- genhändiger Schrifft kan erwiesen werden/ halte auch davor/ dafern der Teutsche und Schwede nicht Zauber Künste gebraucht hätten/ würden sie dieser beyder Fräulein guten und ergebenen Willen gegen mich/ mit keinem Wasser abgespület habet. Du vermissest dich ein grosses auff deine Briefe/ sagte der Käyser zu ihm/ und wann es niemand von den Anwesenden zuwider seyn würde/ müsten sie öffentlich verlesen werden. Alle gegenwärtige/ insonderheit die beyden Fürstinnen/ bahten sehr/ daß es geschehen möchte. Worauff der Käyser den ersten von Prokulus nahm/ und es seinem geheimen Schreiber reichete/ da Prokulus die Fürstinnen umb Verzeihung baht/ daß durch ihre Unträue er gezwungen würde/ ihre Heimligkeiten zuoffenbahren; worüber diese beyde sich schier zum Schiefer gelachet hätten. Der Diener aber fing zuerst an die stolze Auffschrifft zulesen/ welche auff diese Art eingerichtet wahr: Dem Wolgebohrnen Herrn und Ritterlichen Helden/ Herrn Sextus Marzius Prokulus/ Rö- Wir lassen diesen Streich jetzo hingehen/ sagte der Käyser/ nur möchten wir gerne be- Wolgebohrner Herr/ und durch diesen Weltkreiß hochgepreiseter Ritterlicher Held. Was heyrah-
Sechſtes Buch. Fabius aber muͤndlich abgelegt/ und von jenem gaꝛ keine/ von dieſem aber zum eꝛſten mah-le dieſe Antwort erhalten/ daß ſein Kind nicht einheimiſch/ darzu jung/ und vielleicht ſchon einem andern zugedacht waͤhre. Worauff ich etwas in Ruhe geſtanden/ und nach Ver- lauff etlicher Wochen von Frl. Lukrezien dieſes angenehme Brieflein (welches er loßwic- kelte und zeigete) bekom̃en. Von mir ein Brieflein? ſagte Lukrezie mit einem Gelaͤch- ter. Wollet ihr ſolches/ und eure eigene Hand leugnen? ſagte Prokulus. So muͤſte ichs acht Tage vor meiner Geburt geſchrieben haben/ antwortete ſie/ biß dahin ich dann nicht gedenken kan. Ihr Vater aber redete ihr ein/ ſie ſolte ihn zuvor ausreden laſſen. Alſo fuhr jener weiter alſo fort: Fuͤnff Tage nach Empfahung dieſes/ iſt mir ein anders (welches er auch zeigete) von Padua aus/ von Frl. Sibyllen zugeſchrieben worden. Ey behuͤte Gott/ ſagte dieſelbe/ was wil endlich aus dieſen Luͤgen werden? Ein freies Affenſpiel/ antwortete Lukrezie mit einem untergedrukten Lachen; Jene aber fuhr fort: Schaͤmet ihr euch nicht/ Prokulus/ euren Kaͤyſer/ und andere anweſende groſſe Herren dergeſtalt umzutreiben? Weil aber ihr Vater ſie ſchweigen hieß/ ſetzete jener ſein Vorbringen alſo fort; Es gebuͤh- ret ſich nicht/ das geſchehene zuleugnen/ wo man ehrlich iſt/ inſonderheit/ wann es mit ei- genhaͤndiger Schrifft kan erwieſen werden/ halte auch davor/ dafern der Teutſche und Schwede nicht Zauber Kuͤnſte gebraucht haͤtten/ wuͤrden ſie dieſer beyder Fraͤulein guten und ergebenen Willen gegen mich/ mit keinem Waſſer abgeſpuͤlet habet. Du vermiſſeſt dich ein groſſes auff deine Briefe/ ſagte der Kaͤyſer zu ihm/ und wann es niemand von den Anweſenden zuwider ſeyn wuͤrde/ muͤſten ſie oͤffentlich verleſen werdẽ. Alle gegenwaͤrtige/ inſonderheit die beyden Fuͤrſtinnen/ bahten ſehr/ daß es geſchehen moͤchte. Worauff der Kaͤyſer den erſten von Prokulus nahm/ und es ſeinem geheimen Schreiber reichete/ da Prokulus die Fuͤrſtinnen umb Verzeihung baht/ daß durch ihre Untraͤue er gezwungen wuͤrde/ ihre Heimligkeiten zuoffenbahren; woruͤber dieſe beyde ſich ſchier zum Schiefer gelachet haͤtten. Der Diener aber fing zuerſt an die ſtolze Auffſchrifft zuleſen/ welche auff dieſe Art eingerichtet wahr: Dem Wolgebohrnen Herrn und Ritterlichen Helden/ Herrn Sextus Marzius Prokulus/ Roͤ- Wir laſſen dieſen Streich jetzo hingehen/ ſagte der Kaͤyſer/ nur moͤchten wir gerne be- Wolgebohrner Herr/ und durch dieſen Weltkreiß hochgepreiſeter Ritterlicher Held. Was heyrah-
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Sechſtes Buch.
Fabius aber muͤndlich abgelegt/ und von jenem gaꝛ keine/ von dieſem aber zum eꝛſten mah-
le dieſe Antwort erhalten/ daß ſein Kind nicht einheimiſch/ darzu jung/ und vielleicht ſchon
einem andern zugedacht waͤhre. Worauff ich etwas in Ruhe geſtanden/ und nach Ver-
lauff etlicher Wochen von Frl. Lukrezien dieſes angenehme Brieflein (welches er loßwic-
kelte und zeigete) bekom̃en. Von mir ein Brieflein? ſagte Lukrezie mit einem Gelaͤch-
ter. Wollet ihr ſolches/ und eure eigene Hand leugnen? ſagte Prokulus. So muͤſte ichs
acht Tage vor meiner Geburt geſchrieben haben/ antwortete ſie/ biß dahin ich dann nicht
gedenken kan. Ihr Vater aber redete ihr ein/ ſie ſolte ihn zuvor ausreden laſſen. Alſo fuhr
jener weiter alſo fort: Fuͤnff Tage nach Empfahung dieſes/ iſt mir ein anders (welches er
auch zeigete) von Padua aus/ von Frl. Sibyllen zugeſchrieben worden. Ey behuͤte Gott/
ſagte dieſelbe/ was wil endlich aus dieſen Luͤgen werden? Ein freies Affenſpiel/ antwortete
Lukrezie mit einem untergedrukten Lachen; Jene aber fuhr fort: Schaͤmet ihr euch nicht/
Prokulus/ euren Kaͤyſer/ und andere anweſende groſſe Herren dergeſtalt umzutreiben?
Weil aber ihr Vater ſie ſchweigen hieß/ ſetzete jener ſein Vorbringen alſo fort; Es gebuͤh-
ret ſich nicht/ das geſchehene zuleugnen/ wo man ehrlich iſt/ inſonderheit/ wann es mit ei-
genhaͤndiger Schrifft kan erwieſen werden/ halte auch davor/ dafern der Teutſche und
Schwede nicht Zauber Kuͤnſte gebraucht haͤtten/ wuͤrden ſie dieſer beyder Fraͤulein guten
und ergebenen Willen gegen mich/ mit keinem Waſſer abgeſpuͤlet habet. Du vermiſſeſt
dich ein groſſes auff deine Briefe/ ſagte der Kaͤyſer zu ihm/ und wann es niemand von den
Anweſenden zuwider ſeyn wuͤrde/ muͤſten ſie oͤffentlich verleſen werdẽ. Alle gegenwaͤrtige/
inſonderheit die beyden Fuͤrſtinnen/ bahten ſehr/ daß es geſchehen moͤchte. Worauff der
Kaͤyſer den erſten von Prokulus nahm/ und es ſeinem geheimen Schreiber reichete/ da
Prokulus die Fuͤrſtinnen umb Verzeihung baht/ daß durch ihre Untraͤue er gezwungen
wuͤrde/ ihre Heimligkeiten zuoffenbahren; woruͤber dieſe beyde ſich ſchier zum Schiefer
gelachet haͤtten. Der Diener aber fing zuerſt an die ſtolze Auffſchrifft zuleſen/ welche auff
dieſe Art eingerichtet wahr:
Dem Wolgebohrnen Herrn und Ritterlichen Helden/ Herrn Sextus Marzius Prokulus/ Roͤ-
miſcher Kaͤyſerl. Hocheit gewirdigtem Ritter/ Hof- und Kriegs Naht/ ꝛc. meinem hochgeneigeten
Herrn/ und in Ehren herzangenehmen allerliebſten Freunde.
Wir laſſen dieſen Streich jetzo hingehen/ ſagte der Kaͤyſer/ nur moͤchten wir gerne be-
richtet ſeyn/ von welchem ehemahligen Kaͤyſer du magſt zu ſolchem Raht beſtellet ſeyn?
Allergnaͤdigſter Kaͤyſer/ antwortete er; ich habe niemahls mir unwirdigen dieſe Ehren-
benennung zugelegt/ und bin in den Gedanken geſtanden/ das liebe Fraͤulein wuͤrde durch
ein falſches Geruͤchte betrogen ſeyn. Ja mein/ ſagte Lukrezie/ wann ihr nur nicht ſelbſt gar
zu heßlich beſchmiſſen waͤhret. Der Diener falzete inzwiſchen den Brief von einander/ und
laſe folgenden Inhalt:
Wolgebohrner Herr/ und durch dieſen Weltkreiß hochgepreiſeter Ritterlicher Held. Was
geſtalt Eure Liebe mein Herr/ bey meinem Herr Vater umb meine Heyraht ganz ehrerbietige und
wolſtaͤndige Anſuchung getahn haben ſolle/ bin ich von meiner herzlieben Fr. Mutter in hoͤchſter ge-
heim berichtet worden/ auch daß mein harter Vater nicht willens ſey/ Eurer Liebe einige Antwort zu
erteilen/ unter der Hoffnung/ Euer Liebe gute Neigung gegen mich/ durch ſolches ſtilſchweigen in eu-
rem Herzen zuerſticken/ weil er willens ſeyn ſol/ mich mit einem Ravenniſchen reichen Witwer zuver-
heyrah-
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Zitationshilfe: | Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/418>, abgerufen am 16.07.2024. |