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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Sechstes Buch.
stend/ zu ihnen eintkat/ und in dem sie zu ihm naheten/ dem einen straks angesichts das Maul
und die rechte Vörder Tatze in einem Hiebe dergestalt zurichtete/ daß er mit greulichem
Geheule sich hinweg stahl. Der andere verließ ihn auch/ und lief gerade nach dem Baum
auff das Fräulein zu/ welche den gewissen Tod vor sich zusehen meynend/ ihrem Gott die
Seele schon befahl; und zwar/ hätte Baldrich sich umb ein Augenblik geseumet/ würde er
ihrer Liebe nimmermehr genossen haben; weil sie ihm aber tausendmahl lieber als sein Leben
wahr/ setzete er dem Bähren mit vollen Sprüngen nach/ und gleich da derselbe das Fräu-
lein mit der linken Tatze angriff/ und ihr den Rok an der Seite gar zuriß/ hieb er ihm die-
selbe Tatze reine hinweg/ jedoch mit einem so unglüklichen Streiche/ daß er zugleich seinem
Fräulein eine zimliche Wunde oben ins Bein schlug/ daß wann er einer guten Hand breit
höher getroffen/ er ihr das Gedärm im Leibe würde beschädiget haben; der Bähre aber
wolte nicht weichen/ sondern setzete auff Baldrich an/ traff ihn auch mit der Rechten Tatze
an den linken Arm dermassen/ daß ihm das klare Blut heraus drang/ wiewol er ihm davor
geschwinde lohnete/ und den Kopff vor die Füsse legete/ gleich da das Fräulein sich nieder
auff die Erde setzete/ und zu ihm sagete: Ach mein Herzen Schaz/ mich deucht/ ich bin hart
verwundet. Bald lief er hinzu/ den Schaden zubesichtigen/ dessen sie anfangs sich aus
Scham wegerte/ aber wegen Todesfurcht/ und weil sie das Blut häuffig sahe herablauf-
fen/ endlich zuließ; Da er nun sahe/ daß er sie mit dem Schwerte verwundet hatte/ fehlete
wenig/ er hätte sich selbst entleibet/ wo das Fräulein ihm nicht frisch zugesprochen hätte/
da sie zu ihm sagete: Mein allerliebstes Herz/ dafern ihr euch einiges Leid antuht/ sollet ihr
aller meiner Hulde ewig entsetzet seyn. Ich danke meinem Gott/ daß er unser Leben gefristet
hat/ und ihr wollet euch selbst schaden? O du unbesonnene Faust/ und schandloses Schwert/
sagte er; fassete es grimmig/ und schlug es wider den Baum/ in Meynung/ es zuzerbrechen/
welches ihm aber wegen seiner güte unmöglich wahr. Das Fräulein redete ihm freund-
lich zu/ stellete sich/ als empfünde sie des Schmerzen wenig/ und baht/ er möchte ihr sein
Schnupftuch reichen/ damit sie die Wunde verbinden könte; nahm ihren köstlichen Blut-
stein hervor/ und stillete damit das Blut/ wischete das vergossene Blut rein abe/ und durch
Baldrichs Hülffe/ dem seine Trauer-Trähnen flossen/ verband sie die Wunde/ nicht ohn
grosse Schahm/ daß sie dergestalt sich vor ihm entblössen muste; Er aber legete sich vor ihr
in die Knie/ und baht lauter umb Gottes willen/ ihm diesen unvorsichtigen groben Fehler
hochgünstig zuverzethen/ weil es ohn allen Vorsaz geschehen/ und ihr Leben zuretten fast
nicht anders hätte seyn können. Das Fräulein umfing ihn freundlich/ mit Bitte/ sich der
Verwundung halben keine Gedanken zumachen; es währe Gott ihr Zeuge/ daß ihr seine
Angst und Wehmuht tausendmahl hefftiger/ als eben die Wunde schmerzete; Ihrer not-
wendigen Entblössung aber trüge sie die allergröste Schahm/ welches sie doch/ weil er ihr
versprochener Gemahl währe/ noch endlich verschmerzen wolte; umfing ihn darauff zum
andern mahle/ und entsetzete sich nicht ein geringes/ da sie seines hartblutenden Armes ge-
wahr ward/ welchen er alsbald entblössen/ und von ihr verbinden lassen muste. Nun sorge-
te er vor nichts so sehr/ als wie er sie ohn sonderliche Bewägung nach der Geselschaft brin-
gen könte/ leitete sie anfangs mit langsamen Tritten fort/ sahe aber/ daß ihr weiter zugehen
unmöglich wahr/ hieb geschwinde einen zimlichen Teil Sträucher/ band dieselben zusam-

men/

Sechſtes Buch.
ſtend/ zu ihnen eintkat/ und in dem ſie zu ihm naheten/ dem einẽ ſtraks angeſichts das Maul
und die rechte Voͤrder Tatze in einem Hiebe dergeſtalt zurichtete/ daß er mit greulichem
Geheule ſich hinweg ſtahl. Der andere verließ ihn auch/ und lief gerade nach dem Baum
auff das Fraͤulein zu/ welche den gewiſſen Tod vor ſich zuſehen meynend/ ihrem Gott die
Seele ſchon befahl; und zwar/ haͤtte Baldrich ſich umb ein Augenblik geſeumet/ würde er
ihrer Liebe nimmermehr genoſſen haben; weil ſie ihm aber tauſendmahl lieber als ſein Lebẽ
wahr/ ſetzete er dem Baͤhren mit vollen Spruͤngen nach/ und gleich da derſelbe das Fraͤu-
lein mit der linken Tatze angriff/ und ihr den Rok an der Seite gar zuriß/ hieb er ihm die-
ſelbe Tatze reine hinweg/ jedoch mit einem ſo ungluͤklichen Streiche/ daß er zugleich ſeinem
Fraͤulein eine zimliche Wunde oben ins Bein ſchlug/ daß wann er einer guten Hand breit
hoͤher getroffen/ er ihr das Gedaͤrm im Leibe wuͤrde beſchaͤdiget haben; der Baͤhre aber
wolte nicht weichen/ ſondern ſetzete auff Baldrich an/ traff ihn auch mit der Rechten Tatze
an den linken Arm dermaſſen/ daß ihm das klare Blut heraus drang/ wiewol er ihm davor
geſchwinde lohnete/ und den Kopff vor die Fuͤſſe legete/ gleich da das Fraͤulein ſich nieder
auff die Erde ſetzete/ und zu ihm ſagete: Ach mein Herzen Schaz/ mich deucht/ ich bin hart
verwundet. Bald lief er hinzu/ den Schaden zubeſichtigen/ deſſen ſie anfangs ſich aus
Scham wegerte/ aber wegen Todesfurcht/ und weil ſie das Blut haͤuffig ſahe herablauf-
fen/ endlich zuließ; Da er nun ſahe/ daß er ſie mit dem Schwerte verwundet hatte/ fehlete
wenig/ er haͤtte ſich ſelbſt entleibet/ wo das Fraͤulein ihm nicht friſch zugeſprochen haͤtte/
da ſie zu ihm ſagete: Mein allerliebſtes Herz/ dafern ihr euch einiges Leid antuht/ ſollet ihr
aller meiner Hulde ewig entſetzet ſeyn. Ich danke meinem Gott/ daß er unſer Leben gefriſtet
hat/ und ihr wollet euch ſelbſt ſchaden? O du unbeſonnene Fauſt/ uñ ſchandloſes Schweꝛt/
ſagte er; faſſete es grimmig/ und ſchlug es wider den Baum/ in Meynung/ es zuzerbrechẽ/
welches ihm aber wegen ſeiner güte unmoͤglich wahr. Das Fraͤulein redete ihm freund-
lich zu/ ſtellete ſich/ als empfuͤnde ſie des Schmerzen wenig/ und baht/ er moͤchte ihr ſein
Schnupftuch reichen/ damit ſie die Wunde verbinden koͤnte; nahm ihren koͤſtlichen Blut-
ſtein hervor/ und ſtillete damit das Blut/ wiſchete das vergoſſene Blut rein abe/ und durch
Baldrichs Huͤlffe/ dem ſeine Trauer-Traͤhnen floſſen/ verband ſie die Wunde/ nicht ohn
groſſe Schahm/ daß ſie dergeſtalt ſich vor ihm entbloͤſſen muſte; Er aber legete ſich vor ihr
in die Knie/ und baht lauter umb Gottes willen/ ihm dieſen unvorſichtigen groben Fehler
hochguͤnſtig zuverzethen/ weil es ohn allen Vorſaz geſchehen/ und ihr Leben zuretten faſt
nicht anders haͤtte ſeyn koͤnnen. Das Fraͤulein umfing ihn freundlich/ mit Bitte/ ſich der
Verwundung halben keine Gedanken zumachen; es waͤhre Gott ihr Zeuge/ daß ihr ſeine
Angſt und Wehmuht tauſendmahl hefftiger/ als eben die Wunde ſchmerzete; Ihrer not-
wendigen Entbloͤſſung aber truͤge ſie die allergroͤſte Schahm/ welches ſie doch/ weil er ihr
verſprochener Gemahl waͤhre/ noch endlich verſchmerzen wolte; umfing ihn darauff zum
andern mahle/ und entſetzete ſich nicht ein geringes/ da ſie ſeines hartblutenden Armes ge-
wahr ward/ welchen er alsbald entbloͤſſen/ und von ihr verbinden laſſen muſte. Nun ſorge-
te er vor nichts ſo ſehr/ als wie er ſie ohn ſonderliche Bewaͤgung nach der Geſelſchaft brin-
gen koͤnte/ leitete ſie anfangs mit langſamen Tritten fort/ ſahe aber/ daß ihr weiter zugehen
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[356/0362] Sechſtes Buch. ſtend/ zu ihnen eintkat/ und in dem ſie zu ihm naheten/ dem einẽ ſtraks angeſichts das Maul und die rechte Voͤrder Tatze in einem Hiebe dergeſtalt zurichtete/ daß er mit greulichem Geheule ſich hinweg ſtahl. Der andere verließ ihn auch/ und lief gerade nach dem Baum auff das Fraͤulein zu/ welche den gewiſſen Tod vor ſich zuſehen meynend/ ihrem Gott die Seele ſchon befahl; und zwar/ haͤtte Baldrich ſich umb ein Augenblik geſeumet/ würde er ihrer Liebe nimmermehr genoſſen haben; weil ſie ihm aber tauſendmahl lieber als ſein Lebẽ wahr/ ſetzete er dem Baͤhren mit vollen Spruͤngen nach/ und gleich da derſelbe das Fraͤu- lein mit der linken Tatze angriff/ und ihr den Rok an der Seite gar zuriß/ hieb er ihm die- ſelbe Tatze reine hinweg/ jedoch mit einem ſo ungluͤklichen Streiche/ daß er zugleich ſeinem Fraͤulein eine zimliche Wunde oben ins Bein ſchlug/ daß wann er einer guten Hand breit hoͤher getroffen/ er ihr das Gedaͤrm im Leibe wuͤrde beſchaͤdiget haben; der Baͤhre aber wolte nicht weichen/ ſondern ſetzete auff Baldrich an/ traff ihn auch mit der Rechten Tatze an den linken Arm dermaſſen/ daß ihm das klare Blut heraus drang/ wiewol er ihm davor geſchwinde lohnete/ und den Kopff vor die Fuͤſſe legete/ gleich da das Fraͤulein ſich nieder auff die Erde ſetzete/ und zu ihm ſagete: Ach mein Herzen Schaz/ mich deucht/ ich bin hart verwundet. Bald lief er hinzu/ den Schaden zubeſichtigen/ deſſen ſie anfangs ſich aus Scham wegerte/ aber wegen Todesfurcht/ und weil ſie das Blut haͤuffig ſahe herablauf- fen/ endlich zuließ; Da er nun ſahe/ daß er ſie mit dem Schwerte verwundet hatte/ fehlete wenig/ er haͤtte ſich ſelbſt entleibet/ wo das Fraͤulein ihm nicht friſch zugeſprochen haͤtte/ da ſie zu ihm ſagete: Mein allerliebſtes Herz/ dafern ihr euch einiges Leid antuht/ ſollet ihr aller meiner Hulde ewig entſetzet ſeyn. Ich danke meinem Gott/ daß er unſer Leben gefriſtet hat/ und ihr wollet euch ſelbſt ſchaden? O du unbeſonnene Fauſt/ uñ ſchandloſes Schweꝛt/ ſagte er; faſſete es grimmig/ und ſchlug es wider den Baum/ in Meynung/ es zuzerbrechẽ/ welches ihm aber wegen ſeiner güte unmoͤglich wahr. Das Fraͤulein redete ihm freund- lich zu/ ſtellete ſich/ als empfuͤnde ſie des Schmerzen wenig/ und baht/ er moͤchte ihr ſein Schnupftuch reichen/ damit ſie die Wunde verbinden koͤnte; nahm ihren koͤſtlichen Blut- ſtein hervor/ und ſtillete damit das Blut/ wiſchete das vergoſſene Blut rein abe/ und durch Baldrichs Huͤlffe/ dem ſeine Trauer-Traͤhnen floſſen/ verband ſie die Wunde/ nicht ohn groſſe Schahm/ daß ſie dergeſtalt ſich vor ihm entbloͤſſen muſte; Er aber legete ſich vor ihr in die Knie/ und baht lauter umb Gottes willen/ ihm dieſen unvorſichtigen groben Fehler hochguͤnſtig zuverzethen/ weil es ohn allen Vorſaz geſchehen/ und ihr Leben zuretten faſt nicht anders haͤtte ſeyn koͤnnen. Das Fraͤulein umfing ihn freundlich/ mit Bitte/ ſich der Verwundung halben keine Gedanken zumachen; es waͤhre Gott ihr Zeuge/ daß ihr ſeine Angſt und Wehmuht tauſendmahl hefftiger/ als eben die Wunde ſchmerzete; Ihrer not- wendigen Entbloͤſſung aber truͤge ſie die allergroͤſte Schahm/ welches ſie doch/ weil er ihr verſprochener Gemahl waͤhre/ noch endlich verſchmerzen wolte; umfing ihn darauff zum andern mahle/ und entſetzete ſich nicht ein geringes/ da ſie ſeines hartblutenden Armes ge- wahr ward/ welchen er alsbald entbloͤſſen/ und von ihr verbinden laſſen muſte. Nun ſorge- te er vor nichts ſo ſehr/ als wie er ſie ohn ſonderliche Bewaͤgung nach der Geſelſchaft brin- gen koͤnte/ leitete ſie anfangs mit langſamen Tritten fort/ ſahe aber/ daß ihr weiter zugehen unmoͤglich wahr/ hieb geſchwinde einen zimlichen Teil Straͤucher/ band dieſelben zuſam- men/

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/362>, abgerufen am 15.05.2024.