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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Vierdes Buch.
welchen die Hoffmeisterin vor ihrem Abscheide geschrieben/ auff dem Neben Tische lie-
gen/ der also lautete:

Allergnädigster König/ was vor ein herbes Unglük mein gnädigstes Fräulein von diesem
Schlosse gebracht/ ist mir unmöglich zuersinnen/ es sey dann daß der boßhafte verfluchte Valikules
zugleich eure Hocheit und mich hintergangen/ und den Raub hinweg geführet hat/ welches eigentlich
zuerforschen/ mir die Furcht eures unerträglichen Zorns nicht zulassen wil; ich bezeuge aber bey eu-
rer Hocheit allerheiligstem Häupte/ daß weder ich noch mein Sohn hierumb einige Wissenschaft ge-
tragen/ vielweniger Raht oder Taht darzu verlihen/ sondern um keiner Gefahr oder Freundschafft
willen hätte ich unterlassen/ es ihrer Hocheit anzuzeigen. Das ich aber durch der Fräulein Schreiben
gewarnet/ die Flucht zur Hand nehme/ ist bloß darumb/ daß nicht etwa durch des mir auffsätzigen
Frauenzimmers Verleumdung bey ihrer Hocheit ich in ungleichen Verdacht gerahten/ und in mei-
ner höchsten Unschuld untergedrukt werden möge; zweiffele nicht/ die Krämerey sey zu dem Ende an-
gestellet/ mir und andern die Augen zu blenden/ welches alles die Zeit öffnen wird; daß auch der ertich-
tete Valikules vor diesem seinen Weg nicht nach Böhmen sondern nach der Fräulein Bruder ange-
stellet/ habe ich nunmehr starke Mutmassungen. Ihre Hocheit bitte ich durch alle Götter/ sie wollen
meiner Flucht mich nicht verdenken/ welche mein unschuldiges Blut zuretten auff mich genommen
habe/ bin und verbleibe sonst ihrer Hocheit untertähnigste geträueste Magd Sysigambis das aller
unglükseligste Weib auff dem ganzen Erdbodem.

Wie ein boßhaftes Weib/ sagte er nach verlesung/ muß die Hoffmeisterin seyn/ daß
sie ihren König noch darzu spotten und äffen darff. Aber hie muß man länger nicht seumen/
ob die flüchtigen vielleicht noch könten erhaschet werden; lieff also aus ganzen kräften vor
den andern her/ daß ihm der Odem stehen blieb; und wie er in des Königes Gemach trat/
und denselben so traurig sahe/ fiel er zu seinen Füssen in Ohmacht als ein Todter Mensch
nider. Dem Könige begegnete ein gleichmässiges/ wurden aber von den Anwesenden wie-
der erquicket/ und sagte Artabanus zu dem Hoffmeister; Sage uns du geträuer Diener/
ist unsere Lust und Wonne gar Tod/ oder lebendig verschwunden? Allergnädigster König/
antwortete er mit schwacher Stimme; wir haben der Fräulein Gemach/ und andere mehr
fleissig durchsuchet/ aber keine als diese gedoppelte schriftliche Nachricht antreffen können;
reichete hiemit dem Könige beyde Schreiben hin/ da inzwischen das anwesende Frauen-
zimmer ein so klägliches Geschrey und Heulen anfing/ daß man sie mit Gewalt hinaus trei-
ben muste/ welches auch zu ihres Lebens Rettung dienete; gestaltsam der König vor erst
nicht anders als ein grausamer Löuerasete/ rieff und schriehe; fahet den boßhaften Räu-
ber/ und haltet ihn feste/ daß er euch nicht entweiche/ haltet ihn/ daß wir durch gebührliche
Rache den Meinäid vergelten/ welchen er uns erwiesen hat. Wo seid ihr meine Henker/
wo seid ihr? so recht! foltert und dähnet ihn die länge und quere/ und was vor Pein ihr
immermehr erdenken möget/ lasset getrost über ihn ergehen. Wo ist unser Säbel/ wo ist
er? Aber durch unsere eigene Faust ertödtet zu werden/ währe ihm viel zu grosse Ehre; er
muß etliche Jahr ohn auffhören gequelet werden/ damit er lange und ohn auffhören sterbe.
Hierauff fing er an zu zittern und brüllen/ daß jederman wähnete/ er würde vor Zorn ver-
gehen/ und durfte ihm doch kein Mensch zureden/ weil sie alle sich des Todes vermuhten
wahren. Endlich verwandelte sich das viehische Rasen in ein wehmühtiges Klagen/ da
er zu ruffen anfing: O mein Fräulein/ unsers herzen Krone/ unserer Gedanken einige Wol-
lust/ unserer Begierden höchstvolkommene Vergnügung! O wo bistu wo bistu? hat ein

so

Vierdes Buch.
welchen die Hoffmeiſterin vor ihrem Abſcheide geſchrieben/ auff dem Neben Tiſche lie-
gen/ der alſo lautete:

Allergnaͤdigſter Koͤnig/ was vor ein herbes Ungluͤk mein gnaͤdigſtes Fraͤulein von dieſem
Schloſſe gebracht/ iſt mir unmoͤglich zuerſinnen/ es ſey dann daß der boßhafte verfluchte Valikules
zugleich eure Hocheit und mich hintergangen/ und den Raub hinweg gefuͤhret hat/ welches eigentlich
zuerforſchen/ mir die Furcht eures unertraͤglichen Zorns nicht zulaſſen wil; ich bezeuge aber bey eu-
rer Hocheit allerheiligſtem Haͤupte/ daß weder ich noch mein Sohn hierumb einige Wiſſenſchaft ge-
tragen/ vielweniger Raht oder Taht darzu verlihen/ ſondern um keiner Gefahr oder Freundſchafft
willen haͤtte ich unterlaſſen/ es ihrer Hocheit anzuzeigen. Das ich aber durch der Fraͤulein Schreibẽ
gewarnet/ die Flucht zur Hand nehme/ iſt bloß darumb/ daß nicht etwa durch des mir auffſaͤtzigen
Frauenzimmers Verleumdung bey ihrer Hocheit ich in ungleichen Verdacht gerahten/ und in mei-
ner hoͤchſten Unſchuld untergedrukt werden moͤge; zweiffele nicht/ die Kraͤmerey ſey zu dem Ende an-
geſtellet/ mir und andern die Augen zu blenden/ welches alles die Zeit oͤffnen wird; daß auch der ertich-
tete Valikules vor dieſem ſeinen Weg nicht nach Boͤhmen ſondern nach der Fraͤulein Bruder ange-
ſtellet/ habe ich nunmehr ſtarke Mutmaſſungen. Ihre Hocheit bitte ich durch alle Goͤtter/ ſie wollen
meiner Flucht mich nicht verdenken/ welche mein unſchuldiges Blut zuretten auff mich genommen
habe/ bin und verbleibe ſonſt ihrer Hocheit untertaͤhnigſte getraͤueſte Magd Syſigambis das aller
ungluͤkſeligſte Weib auff dem ganzen Erdbodem.

Wie ein boßhaftes Weib/ ſagte er nach verleſung/ muß die Hoffmeiſterin ſeyn/ daß
ſie ihren Koͤnig noch darzu ſpotten und aͤffen darff. Aber hie muß man laͤnger nicht ſeumẽ/
ob die fluͤchtigen vielleicht noch koͤnten erhaſchet werden; lieff alſo aus ganzen kraͤften vor
den andern her/ daß ihm der Odem ſtehen blieb; und wie er in des Koͤniges Gemach trat/
und denſelben ſo traurig ſahe/ fiel er zu ſeinen Fuͤſſen in Ohmacht als ein Todter Menſch
nider. Dem Koͤnige begegnete ein gleichmaͤſſiges/ wurden aber von den Anweſenden wie-
der erquicket/ und ſagte Artabanus zu dem Hoffmeiſter; Sage uns du getraͤuer Diener/
iſt unſere Luſt und Wonne gar Tod/ oder lebendig verſchwunden? Allergnaͤdigſter Koͤnig/
antwortete er mit ſchwacher Stimme; wir haben der Fraͤulein Gemach/ und andere mehr
fleiſſig durchſuchet/ aber keine als dieſe gedoppelte ſchriftliche Nachricht antreffen koͤñen;
reichete hiemit dem Koͤnige beyde Schreiben hin/ da inzwiſchen das anweſende Frauen-
zimmer ein ſo klaͤgliches Geſchrey uñ Heulen anfing/ daß man ſie mit Gewalt hinaus trei-
ben muſte/ welches auch zu ihres Lebens Rettung dienete; geſtaltſam der Koͤnig vor erſt
nicht anders als ein grauſamer Loͤueraſete/ rieff und ſchriehe; fahet den boßhaften Raͤu-
ber/ und haltet ihn feſte/ daß er euch nicht entweiche/ haltet ihn/ daß wir durch gebührliche
Rache den Meinaͤid vergelten/ welchen er uns erwieſen hat. Wo ſeid ihr meine Henker/
wo ſeid ihr? ſo recht! foltert und daͤhnet ihn die laͤnge und quere/ und was vor Pein ihr
immermehr erdenken moͤget/ laſſet getroſt uͤber ihn ergehen. Wo iſt unſer Saͤbel/ wo iſt
er? Aber durch unſere eigene Fauſt ertoͤdtet zu werden/ waͤhre ihm viel zu groſſe Ehre; er
muß etliche Jahr ohn auffhoͤren gequelet werden/ damit er lange uñ ohn auffhoͤren ſterbe.
Hierauff fing er an zu zittern und brüllen/ daß jederman waͤhnete/ er würde vor Zorn ver-
gehen/ und durfte ihm doch kein Menſch zureden/ weil ſie alle ſich des Todes vermuhten
wahren. Endlich verwandelte ſich das viehiſche Raſen in ein wehmuͤhtiges Klagen/ da
er zu ruffen anfing: O mein Fraͤulein/ unſers herzen Krone/ unſerer Gedankẽ einige Wol-
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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 880. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/918>, abgerufen am 01.09.2024.