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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Vierdes Buch.
spiel/ und die himlische Stimme hätte anhören mögen. Das Fräulein hatte dieser Frauen
gute Zuneigung zeit wehrender ihrer Schwacheit wol gespüret/ und ob ihr diese Rede
gleich sehr zuwider wahr/ wolte sie ihr doch keine ursach zum Widerwillen geben/ wie sie
ohn das ihr alles zugute hielt/ damit sie ein vollkommenes Vertrauen bey ihr erhalten möch-
te/ und auff den Nohtfall desto leichter könte hintergangen werden; vor dißmahl aber gab
sie ihr die Antwort: Geliebte Freundin; Gottes Versehung bestehet in seinen heimlichen
Rahtschlägen/ die keines Menschen Witz erfahren kan; Zu wessen ehelicher Vertrauung
mich der Himmel nun verordnet hat/ dem muß ich ohn zweifel zu teile werden/ solte er mich
gleich/ oder ich ihn/ in den äussersten Grenzen der Erden suchen; was ihr aber von meiner
Volkommenheit redet/ höre ich zwar an/ und weiß mich doch zugleich meiner Gebrechen sehr
wol zuerinnern; je doch mein Wille ist auf Tugend gerichtet/ und wz menschlicher schwacheit
und meinem Unvermögen abgehet/ wird unter and'n auch meiner Jugend zugerechnet wer-
den. Nachgehends hieß sie einer ihrer Jungfrauen einen Tantz spielen/ da sie unter der Einbil-
dung/ ob ihr liebster Herkules/ sie bey der Hand führete/ solche zierliche Sprünge/ Schren-
kungen der Beine/ und dergleichen Fertigkeiten sehen ließ/ dz alle anwesende wunder nam;
und weil sie den Anfang gemacht/ musten die Jungfern auch tanzen/ so gut sie es gelernet hatten/
biß sie endlich mit dem späten Abend sich zur ruhe legete/ da Herkules ihr im Schlaffe immer
vor Augen und im Gedächtnis fchwebete/ welcher inzwischen auf nichts so viel bedacht war/
als dz er ihr den Christlichen Glauben beybringen möchte/ wie er solches seinem Gotte an-
gelobet hatte/ befand aber/ daß es durch Schreiben schwerlich würde zuver richten seyn/ und
sahe doch nicht/ wie er sein Vorhaben/ sie zu sprechen/ so schleunig ins Werk richten könte.
Das liebe Fräulein/ da sie mit dem anbruche der ersten Morgen röhte erwachete/ ging un-
vermerket auff den obristen Lustgang/ ob etwa vorigen Abend ihr der hohle Pfeil hinauff
geschossen währe/ weil sie aber zu früh kam/ und nichts fand/ machte sie sich eilends wieder
nach ihrem Gemache und legte sich zur ruhe/ da sie etliche Stunden vom Schlaffe einge-
nommen ward/ und die Einbildungen ihr mannicherley vorstelleten. Wie sie nun erwa-
chete/ schämete sie sich/ so lange geschlaffen zu haben/ legte ihre Kleider an/ und ging zum
andernmahle auff den Gang/ da sie den Pfeil fand/ ihn frölich zu sich nam/ und in ihrem
Gemache öfnete/ zohe das Brieflein heraus/ und aus der Auffschrift (Der Durchleuchtigsten
Fräulein/ Fräulein Valisken etc meiner höchstgeliebeten Frl. Wasen und Schwester) erkennete sie
alsbald ihres Herkules Hand/ küssete den Brieff/ und sagete: O ihr mein herzgeliebter
Freund/ wann wird uns der Himmel unsere Vergnügung gönnen? O daß ich mir Flü-
gel wünschen oder machen könte/ nur biß über diese Stad weg zu fliegen/ daß ihr eurer Lie-
be und Träue schuldige Vergeltung spüretet! brach hiemit das Schreiben/ lase es/ und
sagete: Nun mein geliebtes Herz/ ob ich gleich viel zu unvermögen bin/ deiner Träue und
Tugend die Wage zu halten/ wil ich doch mein äusserstes dran wenden/ damit die dankwil-
lige Herkuliska ihrem Valikules gebührliche Gegenliebe erzeigen/ und in Geduld alles ver-
tragen möge/ biß dereins Valiska ihres Herkules in ehren vollig wird geniessen können.
Aber o ihr mein höchster Schaz/ wollen wir des Glückes Gunst uns versprechen/ müssen
wir trauen nicht mit Gewalt verfahren/ da wo Gewalt nur Tohrheit ist/ sondern Vernunft
und Vorsichtigkeit wird in diesem Spiel daß beste seyn/ auff daß die Liebesbegierden die

wirk-
Y y y y iij

Vierdes Buch.
ſpiel/ und die himliſche Stimme haͤtte anhoͤren moͤgen. Das Fraͤulein hatte dieſer Frauẽ
gute Zuneigung zeit wehrender ihrer Schwacheit wol geſpuͤret/ und ob ihr dieſe Rede
gleich ſehr zuwider wahr/ wolte ſie ihr doch keine urſach zum Widerwillen geben/ wie ſie
ohn das ihr alles zugute hielt/ damit ſie ein vollkom̃enes Vertrauen bey ihr erhalten moͤch-
te/ und auff den Nohtfall deſto leichter koͤnte hintergangen werden; vor dißmahl aber gab
ſie ihr die Antwort: Geliebte Freundin; Gottes Verſehung beſtehet in ſeinen heimlichen
Rahtſchlaͤgen/ die keines Menſchen Witz erfahren kan; Zu weſſen ehelicher Vertrauung
mich der Himmel nun verordnet hat/ dem muß ich ohn zweifel zu teile werden/ ſolte eꝛ mich
gleich/ oder ich ihn/ in den aͤuſſerſten Grenzen der Erden ſuchen; was ihr aber von meineꝛ
Volkom̃enheit redet/ hoͤre ich zwar an/ und weiß mich doch zugleich meineꝛ Gebrechẽ ſehꝛ
wol zueriñern; je doch mein Wille iſt auf Tugend gerichtet/ uñ wz menſchlicher ſchwacheit
und meinem Unvermoͤgẽ abgehet/ wird unter and’n auch meiner Jugend zugerechnet weꝛ-
den. Nachgehends hieß ſie einer ihrer Jungfrauen einẽ Tantz ſpielẽ/ da ſie unter der Einbil-
dung/ ob ihr liebſter Herkules/ ſie bey der Hand fuͤhrete/ ſolche zierliche Spruͤnge/ Schren-
kungen der Beine/ und dergleichen Fertigkeiten ſehen ließ/ dz alle anweſende wunder nam;
uñ weil ſie den Anfang gemacht/ muſtẽ die Jungfern auch tanzẽ/ ſo gut ſie es gelernet hattẽ/
biß ſie endlich mit dem ſpaͤten Abend ſich zur ruhe legete/ da Herkules ihr im Schlaffe im̃eꝛ
vor Augen uñ im Gedaͤchtnis fchwebete/ welcher inzwiſchẽ auf nichts ſo viel bedacht war/
als dz er ihr den Chriſtlichen Glauben beybringen moͤchte/ wie er ſolches ſeinem Gotte an-
gelobet hatte/ befand aber/ daß es durch Schreiben ſchwerlich wuͤrde zuver richten ſeyn/ uñ
ſahe doch nicht/ wie er ſein Vorhaben/ ſie zu ſprechen/ ſo ſchleunig ins Werk richten koͤnte.
Das liebe Fraͤulein/ da ſie mit dem anbruche der erſten Morgen roͤhte erwachete/ ging un-
vermerket auff den obriſten Luſtgang/ ob etwa vorigen Abend ihr der hohle Pfeil hinauff
geſchoſſen waͤhre/ weil ſie aber zu fruͤh kam/ und nichts fand/ machte ſie ſich eilends wieder
nach ihrem Gemache und legte ſich zur ruhe/ da ſie etliche Stunden vom Schlaffe einge-
nommen ward/ und die Einbildungen ihr mannicherley vorſtelleten. Wie ſie nun erwa-
chete/ ſchaͤmete ſie ſich/ ſo lange geſchlaffen zu haben/ legte ihre Kleider an/ und ging zum
andernmahle auff den Gang/ da ſie den Pfeil fand/ ihn froͤlich zu ſich nam/ und in ihrem
Gemache oͤfnete/ zohe das Brieflein heraus/ und aus der Auffſchrift (Der Durchleuchtigſtẽ
Fraͤulein/ Fraͤulein Valiſken ꝛc meiner hoͤchſtgeliebeten Frl. Waſen und Schweſter) erkennete ſie
alsbald ihres Herkules Hand/ kuͤſſete den Brieff/ und ſagete: O ihr mein herzgeliebter
Freund/ wann wird uns der Himmel unſere Vergnuͤgung goͤnnen? O daß ich mir Fluͤ-
gel wuͤnſchen oder machen koͤnte/ nur biß uͤber dieſe Stad weg zu fliegen/ daß ihr eurer Lie-
be und Traͤue ſchuldige Vergeltung ſpuͤretet! brach hiemit das Schreiben/ laſe es/ und
ſagete: Nun mein geliebtes Herz/ ob ich gleich viel zu unvermoͤgen bin/ deiner Traͤue und
Tugend die Wage zu halten/ wil ich doch mein aͤuſſerſtes dran wenden/ damit die dankwil-
lige Herkuliſka ihrem Valikules gebuͤhrliche Gegenliebe erzeigen/ und in Geduld alles ver-
tragen moͤge/ biß dereins Valiſka ihres Herkules in ehren vollig wird genieſſen koͤnnen.
Aber o ihr mein hoͤchſter Schaz/ wollen wir des Gluͤckes Gunſt uns verſprechen/ muͤſſen
wir trauen nicht mit Gewalt verfahren/ da wo Gewalt nuꝛ Tohrheit iſt/ ſondern Vernunft
und Vorſichtigkeit wird in dieſem Spiel daß beſte ſeyn/ auff daß die Liebesbegierden die

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[725/0763] Vierdes Buch. ſpiel/ und die himliſche Stimme haͤtte anhoͤren moͤgen. Das Fraͤulein hatte dieſer Frauẽ gute Zuneigung zeit wehrender ihrer Schwacheit wol geſpuͤret/ und ob ihr dieſe Rede gleich ſehr zuwider wahr/ wolte ſie ihr doch keine urſach zum Widerwillen geben/ wie ſie ohn das ihr alles zugute hielt/ damit ſie ein vollkom̃enes Vertrauen bey ihr erhalten moͤch- te/ und auff den Nohtfall deſto leichter koͤnte hintergangen werden; vor dißmahl aber gab ſie ihr die Antwort: Geliebte Freundin; Gottes Verſehung beſtehet in ſeinen heimlichen Rahtſchlaͤgen/ die keines Menſchen Witz erfahren kan; Zu weſſen ehelicher Vertrauung mich der Himmel nun verordnet hat/ dem muß ich ohn zweifel zu teile werden/ ſolte eꝛ mich gleich/ oder ich ihn/ in den aͤuſſerſten Grenzen der Erden ſuchen; was ihr aber von meineꝛ Volkom̃enheit redet/ hoͤre ich zwar an/ und weiß mich doch zugleich meineꝛ Gebrechẽ ſehꝛ wol zueriñern; je doch mein Wille iſt auf Tugend gerichtet/ uñ wz menſchlicher ſchwacheit und meinem Unvermoͤgẽ abgehet/ wird unter and’n auch meiner Jugend zugerechnet weꝛ- den. Nachgehends hieß ſie einer ihrer Jungfrauen einẽ Tantz ſpielẽ/ da ſie unter der Einbil- dung/ ob ihr liebſter Herkules/ ſie bey der Hand fuͤhrete/ ſolche zierliche Spruͤnge/ Schren- kungen der Beine/ und dergleichen Fertigkeiten ſehen ließ/ dz alle anweſende wunder nam; uñ weil ſie den Anfang gemacht/ muſtẽ die Jungfern auch tanzẽ/ ſo gut ſie es gelernet hattẽ/ biß ſie endlich mit dem ſpaͤten Abend ſich zur ruhe legete/ da Herkules ihr im Schlaffe im̃eꝛ vor Augen uñ im Gedaͤchtnis fchwebete/ welcher inzwiſchẽ auf nichts ſo viel bedacht war/ als dz er ihr den Chriſtlichen Glauben beybringen moͤchte/ wie er ſolches ſeinem Gotte an- gelobet hatte/ befand aber/ daß es durch Schreiben ſchwerlich wuͤrde zuver richten ſeyn/ uñ ſahe doch nicht/ wie er ſein Vorhaben/ ſie zu ſprechen/ ſo ſchleunig ins Werk richten koͤnte. Das liebe Fraͤulein/ da ſie mit dem anbruche der erſten Morgen roͤhte erwachete/ ging un- vermerket auff den obriſten Luſtgang/ ob etwa vorigen Abend ihr der hohle Pfeil hinauff geſchoſſen waͤhre/ weil ſie aber zu fruͤh kam/ und nichts fand/ machte ſie ſich eilends wieder nach ihrem Gemache und legte ſich zur ruhe/ da ſie etliche Stunden vom Schlaffe einge- nommen ward/ und die Einbildungen ihr mannicherley vorſtelleten. Wie ſie nun erwa- chete/ ſchaͤmete ſie ſich/ ſo lange geſchlaffen zu haben/ legte ihre Kleider an/ und ging zum andernmahle auff den Gang/ da ſie den Pfeil fand/ ihn froͤlich zu ſich nam/ und in ihrem Gemache oͤfnete/ zohe das Brieflein heraus/ und aus der Auffſchrift (Der Durchleuchtigſtẽ Fraͤulein/ Fraͤulein Valiſken ꝛc meiner hoͤchſtgeliebeten Frl. Waſen und Schweſter) erkennete ſie alsbald ihres Herkules Hand/ kuͤſſete den Brieff/ und ſagete: O ihr mein herzgeliebter Freund/ wann wird uns der Himmel unſere Vergnuͤgung goͤnnen? O daß ich mir Fluͤ- gel wuͤnſchen oder machen koͤnte/ nur biß uͤber dieſe Stad weg zu fliegen/ daß ihr eurer Lie- be und Traͤue ſchuldige Vergeltung ſpuͤretet! brach hiemit das Schreiben/ laſe es/ und ſagete: Nun mein geliebtes Herz/ ob ich gleich viel zu unvermoͤgen bin/ deiner Traͤue und Tugend die Wage zu halten/ wil ich doch mein aͤuſſerſtes dran wenden/ damit die dankwil- lige Herkuliſka ihrem Valikules gebuͤhrliche Gegenliebe erzeigen/ und in Geduld alles ver- tragen moͤge/ biß dereins Valiſka ihres Herkules in ehren vollig wird genieſſen koͤnnen. Aber o ihr mein hoͤchſter Schaz/ wollen wir des Gluͤckes Gunſt uns verſprechen/ muͤſſen wir trauen nicht mit Gewalt verfahren/ da wo Gewalt nuꝛ Tohrheit iſt/ ſondern Vernunft und Vorſichtigkeit wird in dieſem Spiel daß beſte ſeyn/ auff daß die Liebesbegierden die wirk- Y y y y iij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/763>, abgerufen am 22.12.2024.