Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

Bild:
<< vorherige Seite

Anderes Buch.
ganz keines Gehülffen. So sage ich nun; Die Sonne/ der Monde/ die Sternen alle mit
einander halten ihren Lauff in gewisser masse und unfehlbarem Schritte/ weil es Gott also
haben wil/ und derselbe ihnen dieses eingepflantzet hat/ gleich wie die Bäume von sich selbst
müssen zu ihrer Zeit grünen/ blühen/ und Früchte bringen. Aber ich halte mich in dieser
Frage gar zu lange auff/ und berühre mit wenigen/ was des Menschen Seele sey; ist sie
schlecht oder dreyfach? Zwar die unterschiedlichen Wirkungen zeigen überflüssig an/ daß
ihre Kräffte mannicherley sind; dann eine andere Krafft ist/ wodurch ich lebe und wachse;
eine andere/ wodurch ich fühle/ sehe und höre; eine andere/ wodurch ich verstehe/ und von einen
dinge Urtel abfassen kan. Dieses wird mir nit bald einer leugnen; Ob aber dieses drey unter-
schiedliche Seelen/ od' drey unterschiedliche kräfte einer einigen Seelen in mir wirken/ warum
zanken wir darüber so eiferig? lasset uns vielmehr zusehen und fleiß anwenden/ dz wir diese
Kräfte recht/ nemlich zu Gottes Lob und Ehren/ auch zu unsers Nähesten Besserung und unser
selbst eigenen Erbauung gebrauchen/ dann haben wir die rechte Weißheit schon ergriffen.
Zwar ich kan wol leiden/ daß ein und ander davon so lange katzebalget als er wil; wann er
aber sich so müde geplaudert hat/ daß ihm der Odem stehen bleibet/ was hat er mehr da-
von/ er wird nicht umb ein Haar besser dadurch. Die lezte Frage gefält mir noch am be-
sten/ dann deren Erkäntniß lehret mich/ was Tugend oder Schande/ gut oder böse/ erbar
oder lasterhafft ist. Nun habe ich eines jedweden Meynung vielleicht nicht recht einge-
nommen/ und deßwegen mir keine Urtel darüber anmasse; jedoch meine Gedanken davon
zueröffnen/ spreche ich/ daß freilich die ehrliche Seelenwollust ein treffliches Gut sey/ als
welche nirgends seyn kan/ wo nicht die Tugend die Herschafft führet; aber sie dünket mich
mehr der Glükseligkeit Begleiterin/ als die Glükseligkeit selber seyn; massen ein Tugend-
haffter ihm die Wollust nicht zum Ziel stecket/ sondern ein tugendhafftes Leben und Wan-
del/ welches diese Wollust ohn das schon geben wird/ als die Gott zu dem ende der Glükse-
ligkeit zugeordnet hat/ daß sie uns reizen sol/ dem guten desto hitziger nachzustreben. Se-
het; die Niessung der Speisen/ ist wegen des Leibes Erhaltung/ und hat unser Gott solcher
Niessung deswegen eine angenehme Wollust beygefüget/ daß wir dadurch gereitzet wer-
den/ unsere Leiber durch Speisen zuerhalten; nicht/ dz wir umb dieser Wollust zugeniessen/
essen oder trincken solten. Daß aber die blosse Besitzung der Tugend/ da nemlich einer weiß
und gelernet hat gutes zu tuhn/ noch die grösseste glükseligkeit nit sey/ möchte ein Kind urtei-
len; massen auch der Schlaffende solches bey ihm hat/ aber im Schlaffe der wahren Glükse-
ligkeit nit geniessenmag. Bleibet demnach eins vor alles/ dz die zeitliche oder weltliche Glük-
seligkeit in der übung und gebrauch der Tugend bestehe/ und niemand seliger möge geschätzet
werden/ als wann er von den Lastern abgesondert/ sich der herlichen Tugend besteissiget/ und
nach derselben sein Leben anstellet. Hier hätte ich nun wol von einer weitbesseren Glükse-
ligkeit zu reden/ welche einem Menschen in dieser Welt kan zu teile werden/ und durch wel-
che er zu der künftigen ewigen und himlischen Glükseligkeit befodert wird; weil aber ich
damit meinen Herren und lieben Freunden nur möchte verdrißlich seyn/ und ohn daß an-
lezt keine gute einfälle habe/ meinen Reden eine Zierligkeit anzubringen/ bitte ich sehr/ so
wol ins gemein/ als einen jeden insonderheit/ mir meine Kühnheit und grobe Einfalt freund-
lich zuverzeihen. Die ganze Geselschafft zeigete an/ sein Gespräch währe ihnen sehr an-

genehm

Anderes Buch.
ganz keines Gehuͤlffen. So ſage ich nun; Die Sonne/ der Monde/ die Sternen alle mit
einander halten ihren Lauff in gewiſſer maſſe und unfehlbarem Schritte/ weil es Gott alſo
haben wil/ und derſelbe ihnen dieſes eingepflantzet hat/ gleich wie die Baͤume von ſich ſelbſt
muͤſſen zu ihrer Zeit gruͤnen/ bluͤhen/ und Fruͤchte bringen. Aber ich halte mich in dieſer
Frage gar zu lange auff/ und beruͤhre mit wenigen/ was des Menſchen Seele ſey; iſt ſie
ſchlecht oder dreyfach? Zwar die unterſchiedlichen Wirkungen zeigen uͤberfluͤſſig an/ daß
ihre Kraͤffte mannicherley ſind; dann eine andere Krafft iſt/ wodurch ich lebe und wachſe;
eine andere/ wodurch ich fuͤhle/ ſehe uñ hoͤre; eine andere/ wodurch ich verſtehe/ uñ von einẽ
dinge Urtel abfaſſen kan. Dieſes wird mir nit bald einer leugnẽ; Ob aber dieſes drey unteꝛ-
ſchiedliche Seelẽ/ od’ drey unterſchiedliche kraͤfte einer einigẽ Seelẽ in mir wirken/ warum
zanken wir daruͤber ſo eiferig? laſſet uns vielmehr zuſehen und fleiß anwenden/ dz wir dieſe
Kꝛaͤfte recht/ nemlich zu Gottes Lob uñ Ehren/ auch zu unſers Naͤheſtẽ Beſſerung uñ unſer
ſelbſt eigenen Erbauung gebrauchen/ dann haben wir die rechte Weißheit ſchon ergriffen.
Zwar ich kan wol leiden/ daß ein und ander davon ſo lange katzebalget als er wil; wann er
aber ſich ſo muͤde geplaudert hat/ daß ihm der Odem ſtehen bleibet/ was hat er mehr da-
von/ er wird nicht umb ein Haar beſſer dadurch. Die lezte Frage gefaͤlt mir noch am be-
ſten/ dann deren Erkaͤntniß lehret mich/ was Tugend oder Schande/ gut oder boͤſe/ erbar
oder laſterhafft iſt. Nun habe ich eines jedweden Meynung vielleicht nicht recht einge-
nommen/ und deßwegen mir keine Urtel daruͤber anmaſſe; jedoch meine Gedanken davon
zueroͤffnen/ ſpreche ich/ daß freilich die ehrliche Seelenwolluſt ein treffliches Gut ſey/ als
welche nirgends ſeyn kan/ wo nicht die Tugend die Herſchafft fuͤhret; aber ſie duͤnket mich
mehr der Gluͤkſeligkeit Begleiterin/ als die Gluͤkſeligkeit ſelber ſeyn; maſſen ein Tugend-
haffter ihm die Wolluſt nicht zum Ziel ſtecket/ ſondern ein tugendhafftes Leben und Wan-
del/ welches dieſe Wolluſt ohn das ſchon geben wird/ als die Gott zu dem ende der Gluͤkſe-
ligkeit zugeordnet hat/ daß ſie uns reizen ſol/ dem guten deſto hitziger nachzuſtreben. Se-
het; die Nieſſung der Speiſen/ iſt wegen des Leibes Erhaltung/ und hat unſer Gott ſolcheꝛ
Nieſſung deswegen eine angenehme Wolluſt beygefuͤget/ daß wir dadurch gereitzet wer-
den/ unſere Leiber durch Speiſen zuerhalten; nicht/ dz wir umb dieſer Wolluſt zugenieſſen/
eſſen oder trincken ſolten. Daß aber die bloſſe Beſitzung der Tugend/ da nemlich einer weiß
uñ gelernet hat gutes zu tuhn/ noch die groͤſſeſte gluͤkſeligkeit nit ſey/ moͤchte ein Kind urtei-
len; maſſen auch der Schlaffende ſolches bey ihm hat/ aber im Schlaffe der wahrẽ Gluͤkſe-
ligkeit nit genieſſẽmag. Bleibet demnach eins vor alles/ dz die zeitliche odeꝛ weltliche Gluͤk-
ſeligkeit in der uͤbung und gebrauch deꝛ Tugend beſtehe/ uñ niemand ſeligeꝛ moͤge geſchaͤtzet
werden/ als wann er von den Laſtern abgeſondert/ ſich der herlichẽ Tugend beſteiſſiget/ und
nach derſelben ſein Leben anſtellet. Hier haͤtte ich nun wol von einer weitbeſſeren Gluͤkſe-
ligkeit zu reden/ welche einem Menſchen in dieſer Welt kan zu teile werden/ und durch wel-
che er zu der kuͤnftigen ewigen und himliſchen Gluͤkſeligkeit befodert wird; weil aber ich
damit meinen Herren und lieben Freunden nur moͤchte verdrißlich ſeyn/ und ohn daß an-
lezt keine gute einfaͤlle habe/ meinen Reden eine Zierligkeit anzubringen/ bitte ich ſehr/ ſo
wol ins gemein/ als einen jedẽ inſonderheit/ mir meine Kuͤhnheit uñ grobe Einfalt freund-
lich zuverzeihen. Die ganze Geſelſchafft zeigete an/ ſein Geſpraͤch waͤhre ihnen ſehr an-

genehm
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0346" n="308"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anderes Buch.</hi></fw><lb/>
ganz keines Gehu&#x0364;lffen. So &#x017F;age ich nun; Die Sonne/ der Monde/ die Sternen alle mit<lb/>
einander halten ihren Lauff in gewi&#x017F;&#x017F;er ma&#x017F;&#x017F;e und unfehlbarem Schritte/ weil es Gott al&#x017F;o<lb/>
haben wil/ und der&#x017F;elbe ihnen die&#x017F;es eingepflantzet hat/ gleich wie die Ba&#x0364;ume von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en zu ihrer Zeit gru&#x0364;nen/ blu&#x0364;hen/ und Fru&#x0364;chte bringen. Aber ich halte mich in die&#x017F;er<lb/>
Frage gar zu lange auff/ und beru&#x0364;hre mit wenigen/ was des Men&#x017F;chen Seele &#x017F;ey; i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chlecht oder dreyfach? Zwar die unter&#x017F;chiedlichen Wirkungen zeigen u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig an/ daß<lb/>
ihre Kra&#x0364;ffte mannicherley &#x017F;ind; dann eine andere Krafft i&#x017F;t/ wodurch ich lebe und wach&#x017F;e;<lb/>
eine andere/ wodurch ich fu&#x0364;hle/ &#x017F;ehe un&#x0303; ho&#x0364;re; eine andere/ wodurch ich ver&#x017F;tehe/ un&#x0303; von eine&#x0303;<lb/>
dinge Urtel abfa&#x017F;&#x017F;en kan. Die&#x017F;es wird mir nit bald einer leugne&#x0303;; Ob aber die&#x017F;es drey unte&#xA75B;-<lb/>
&#x017F;chiedliche Seele&#x0303;/ od&#x2019; drey unter&#x017F;chiedliche kra&#x0364;fte einer einige&#x0303; Seele&#x0303; in mir wirken/ warum<lb/>
zanken wir daru&#x0364;ber &#x017F;o eiferig? la&#x017F;&#x017F;et uns vielmehr zu&#x017F;ehen und fleiß anwenden/ dz wir die&#x017F;e<lb/>
K&#xA75B;a&#x0364;fte recht/ nemlich zu Gottes Lob un&#x0303; Ehren/ auch zu un&#x017F;ers Na&#x0364;he&#x017F;te&#x0303; Be&#x017F;&#x017F;erung un&#x0303; un&#x017F;er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t eigenen Erbauung gebrauchen/ dann haben wir die rechte Weißheit &#x017F;chon ergriffen.<lb/>
Zwar ich kan wol leiden/ daß ein und ander davon &#x017F;o lange katzebalget als er wil; wann er<lb/>
aber &#x017F;ich &#x017F;o mu&#x0364;de geplaudert hat/ daß ihm der Odem &#x017F;tehen bleibet/ was hat er mehr da-<lb/>
von/ er wird nicht umb ein Haar be&#x017F;&#x017F;er dadurch. Die lezte Frage gefa&#x0364;lt mir noch am be-<lb/>
&#x017F;ten/ dann deren Erka&#x0364;ntniß lehret mich/ was Tugend oder Schande/ gut oder bo&#x0364;&#x017F;e/ erbar<lb/>
oder la&#x017F;terhafft i&#x017F;t. Nun habe ich eines jedweden Meynung vielleicht nicht recht einge-<lb/>
nommen/ und deßwegen mir keine Urtel daru&#x0364;ber anma&#x017F;&#x017F;e; jedoch meine Gedanken davon<lb/>
zuero&#x0364;ffnen/ &#x017F;preche ich/ daß freilich die ehrliche Seelenwollu&#x017F;t ein treffliches Gut &#x017F;ey/ als<lb/>
welche nirgends &#x017F;eyn kan/ wo nicht die Tugend die Her&#x017F;chafft fu&#x0364;hret; aber &#x017F;ie du&#x0364;nket mich<lb/>
mehr der Glu&#x0364;k&#x017F;eligkeit Begleiterin/ als die Glu&#x0364;k&#x017F;eligkeit &#x017F;elber &#x017F;eyn; ma&#x017F;&#x017F;en ein Tugend-<lb/>
haffter ihm die Wollu&#x017F;t nicht zum Ziel &#x017F;tecket/ &#x017F;ondern ein tugendhafftes Leben und Wan-<lb/>
del/ welches die&#x017F;e Wollu&#x017F;t ohn das &#x017F;chon geben wird/ als die Gott zu dem ende der Glu&#x0364;k&#x017F;e-<lb/>
ligkeit zugeordnet hat/ daß &#x017F;ie uns reizen &#x017F;ol/ dem guten de&#x017F;to hitziger nachzu&#x017F;treben. Se-<lb/>
het; die Nie&#x017F;&#x017F;ung der Spei&#x017F;en/ i&#x017F;t wegen des Leibes Erhaltung/ und hat un&#x017F;er Gott &#x017F;olche&#xA75B;<lb/>
Nie&#x017F;&#x017F;ung deswegen eine angenehme Wollu&#x017F;t beygefu&#x0364;get/ daß wir dadurch gereitzet wer-<lb/>
den/ un&#x017F;ere Leiber durch Spei&#x017F;en zuerhalten; nicht/ dz wir umb die&#x017F;er Wollu&#x017F;t zugenie&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en oder trincken &#x017F;olten. Daß aber die blo&#x017F;&#x017F;e Be&#x017F;itzung der Tugend/ da nemlich einer weiß<lb/>
un&#x0303; gelernet hat gutes zu tuhn/ noch die gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te glu&#x0364;k&#x017F;eligkeit nit &#x017F;ey/ mo&#x0364;chte ein Kind urtei-<lb/>
len; ma&#x017F;&#x017F;en auch der Schlaffende &#x017F;olches bey ihm hat/ aber im Schlaffe der wahre&#x0303; Glu&#x0364;k&#x017F;e-<lb/>
ligkeit nit genie&#x017F;&#x017F;e&#x0303;mag. Bleibet demnach eins vor alles/ dz die zeitliche ode&#xA75B; weltliche Glu&#x0364;k-<lb/>
&#x017F;eligkeit in der u&#x0364;bung und gebrauch de&#xA75B; Tugend be&#x017F;tehe/ un&#x0303; niemand &#x017F;elige&#xA75B; mo&#x0364;ge ge&#x017F;cha&#x0364;tzet<lb/>
werden/ als wann er von den La&#x017F;tern abge&#x017F;ondert/ &#x017F;ich der herliche&#x0303; Tugend be&#x017F;tei&#x017F;&#x017F;iget/ und<lb/>
nach der&#x017F;elben &#x017F;ein Leben an&#x017F;tellet. Hier ha&#x0364;tte ich nun wol von einer weitbe&#x017F;&#x017F;eren Glu&#x0364;k&#x017F;e-<lb/>
ligkeit zu reden/ welche einem Men&#x017F;chen in die&#x017F;er Welt kan zu teile werden/ und durch wel-<lb/>
che er zu der ku&#x0364;nftigen ewigen und himli&#x017F;chen Glu&#x0364;k&#x017F;eligkeit befodert wird; weil aber ich<lb/>
damit meinen Herren und lieben Freunden nur mo&#x0364;chte verdrißlich &#x017F;eyn/ und ohn daß an-<lb/>
lezt keine gute einfa&#x0364;lle habe/ meinen Reden eine Zierligkeit anzubringen/ bitte ich &#x017F;ehr/ &#x017F;o<lb/>
wol ins gemein/ als einen jede&#x0303; in&#x017F;onderheit/ mir meine Ku&#x0364;hnheit un&#x0303; grobe Einfalt freund-<lb/>
lich zuverzeihen. Die ganze Ge&#x017F;el&#x017F;chafft zeigete an/ &#x017F;ein Ge&#x017F;pra&#x0364;ch wa&#x0364;hre ihnen &#x017F;ehr an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">genehm</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0346] Anderes Buch. ganz keines Gehuͤlffen. So ſage ich nun; Die Sonne/ der Monde/ die Sternen alle mit einander halten ihren Lauff in gewiſſer maſſe und unfehlbarem Schritte/ weil es Gott alſo haben wil/ und derſelbe ihnen dieſes eingepflantzet hat/ gleich wie die Baͤume von ſich ſelbſt muͤſſen zu ihrer Zeit gruͤnen/ bluͤhen/ und Fruͤchte bringen. Aber ich halte mich in dieſer Frage gar zu lange auff/ und beruͤhre mit wenigen/ was des Menſchen Seele ſey; iſt ſie ſchlecht oder dreyfach? Zwar die unterſchiedlichen Wirkungen zeigen uͤberfluͤſſig an/ daß ihre Kraͤffte mannicherley ſind; dann eine andere Krafft iſt/ wodurch ich lebe und wachſe; eine andere/ wodurch ich fuͤhle/ ſehe uñ hoͤre; eine andere/ wodurch ich verſtehe/ uñ von einẽ dinge Urtel abfaſſen kan. Dieſes wird mir nit bald einer leugnẽ; Ob aber dieſes drey unteꝛ- ſchiedliche Seelẽ/ od’ drey unterſchiedliche kraͤfte einer einigẽ Seelẽ in mir wirken/ warum zanken wir daruͤber ſo eiferig? laſſet uns vielmehr zuſehen und fleiß anwenden/ dz wir dieſe Kꝛaͤfte recht/ nemlich zu Gottes Lob uñ Ehren/ auch zu unſers Naͤheſtẽ Beſſerung uñ unſer ſelbſt eigenen Erbauung gebrauchen/ dann haben wir die rechte Weißheit ſchon ergriffen. Zwar ich kan wol leiden/ daß ein und ander davon ſo lange katzebalget als er wil; wann er aber ſich ſo muͤde geplaudert hat/ daß ihm der Odem ſtehen bleibet/ was hat er mehr da- von/ er wird nicht umb ein Haar beſſer dadurch. Die lezte Frage gefaͤlt mir noch am be- ſten/ dann deren Erkaͤntniß lehret mich/ was Tugend oder Schande/ gut oder boͤſe/ erbar oder laſterhafft iſt. Nun habe ich eines jedweden Meynung vielleicht nicht recht einge- nommen/ und deßwegen mir keine Urtel daruͤber anmaſſe; jedoch meine Gedanken davon zueroͤffnen/ ſpreche ich/ daß freilich die ehrliche Seelenwolluſt ein treffliches Gut ſey/ als welche nirgends ſeyn kan/ wo nicht die Tugend die Herſchafft fuͤhret; aber ſie duͤnket mich mehr der Gluͤkſeligkeit Begleiterin/ als die Gluͤkſeligkeit ſelber ſeyn; maſſen ein Tugend- haffter ihm die Wolluſt nicht zum Ziel ſtecket/ ſondern ein tugendhafftes Leben und Wan- del/ welches dieſe Wolluſt ohn das ſchon geben wird/ als die Gott zu dem ende der Gluͤkſe- ligkeit zugeordnet hat/ daß ſie uns reizen ſol/ dem guten deſto hitziger nachzuſtreben. Se- het; die Nieſſung der Speiſen/ iſt wegen des Leibes Erhaltung/ und hat unſer Gott ſolcheꝛ Nieſſung deswegen eine angenehme Wolluſt beygefuͤget/ daß wir dadurch gereitzet wer- den/ unſere Leiber durch Speiſen zuerhalten; nicht/ dz wir umb dieſer Wolluſt zugenieſſen/ eſſen oder trincken ſolten. Daß aber die bloſſe Beſitzung der Tugend/ da nemlich einer weiß uñ gelernet hat gutes zu tuhn/ noch die groͤſſeſte gluͤkſeligkeit nit ſey/ moͤchte ein Kind urtei- len; maſſen auch der Schlaffende ſolches bey ihm hat/ aber im Schlaffe der wahrẽ Gluͤkſe- ligkeit nit genieſſẽmag. Bleibet demnach eins vor alles/ dz die zeitliche odeꝛ weltliche Gluͤk- ſeligkeit in der uͤbung und gebrauch deꝛ Tugend beſtehe/ uñ niemand ſeligeꝛ moͤge geſchaͤtzet werden/ als wann er von den Laſtern abgeſondert/ ſich der herlichẽ Tugend beſteiſſiget/ und nach derſelben ſein Leben anſtellet. Hier haͤtte ich nun wol von einer weitbeſſeren Gluͤkſe- ligkeit zu reden/ welche einem Menſchen in dieſer Welt kan zu teile werden/ und durch wel- che er zu der kuͤnftigen ewigen und himliſchen Gluͤkſeligkeit befodert wird; weil aber ich damit meinen Herren und lieben Freunden nur moͤchte verdrißlich ſeyn/ und ohn daß an- lezt keine gute einfaͤlle habe/ meinen Reden eine Zierligkeit anzubringen/ bitte ich ſehr/ ſo wol ins gemein/ als einen jedẽ inſonderheit/ mir meine Kuͤhnheit uñ grobe Einfalt freund- lich zuverzeihen. Die ganze Geſelſchafft zeigete an/ ſein Geſpraͤch waͤhre ihnen ſehr an- genehm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/346
Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/346>, abgerufen am 21.12.2024.