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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Anderes Buch.
ganz keines Gehülffen. So sage ich nun; Die Sonne/ der Monde/ die Sternen alle mit
einander halten ihren Lauff in gewisser masse und unfehlbarem Schritte/ weil es Gott also
haben wil/ und derselbe ihnen dieses eingepflantzet hat/ gleich wie die Bäume von sich selbst
müssen zu ihrer Zeit grünen/ blühen/ und Früchte bringen. Aber ich halte mich in dieser
Frage gar zu lange auff/ und berühre mit wenigen/ was des Menschen Seele sey; ist sie
schlecht oder dreyfach? Zwar die unterschiedlichen Wirkungen zeigen überflüssig an/ daß
ihre Kräffte mannicherley sind; dann eine andere Krafft ist/ wodurch ich lebe und wachse;
eine andere/ wodurch ich fühle/ sehe und höre; eine andere/ wodurch ich verstehe/ und von einen
dinge Urtel abfassen kan. Dieses wird mir nit bald einer leugnen; Ob aber dieses drey unter-
schiedliche Seelen/ od' drey unterschiedliche kräfte einer einigen Seelen in mir wirken/ warum
zanken wir darüber so eiferig? lasset uns vielmehr zusehen und fleiß anwenden/ dz wir diese
Kräfte recht/ nemlich zu Gottes Lob und Ehren/ auch zu unsers Nähesten Besserung und unser
selbst eigenen Erbauung gebrauchen/ dann haben wir die rechte Weißheit schon ergriffen.
Zwar ich kan wol leiden/ daß ein und ander davon so lange katzebalget als er wil; wann er
aber sich so müde geplaudert hat/ daß ihm der Odem stehen bleibet/ was hat er mehr da-
von/ er wird nicht umb ein Haar besser dadurch. Die lezte Frage gefält mir noch am be-
sten/ dann deren Erkäntniß lehret mich/ was Tugend oder Schande/ gut oder böse/ erbar
oder lasterhafft ist. Nun habe ich eines jedweden Meynung vielleicht nicht recht einge-
nommen/ und deßwegen mir keine Urtel darüber anmasse; jedoch meine Gedanken davon
zueröffnen/ spreche ich/ daß freilich die ehrliche Seelenwollust ein treffliches Gut sey/ als
welche nirgends seyn kan/ wo nicht die Tugend die Herschafft führet; aber sie dünket mich
mehr der Glükseligkeit Begleiterin/ als die Glükseligkeit selber seyn; massen ein Tugend-
haffter ihm die Wollust nicht zum Ziel stecket/ sondern ein tugendhafftes Leben und Wan-
del/ welches diese Wollust ohn das schon geben wird/ als die Gott zu dem ende der Glükse-
ligkeit zugeordnet hat/ daß sie uns reizen sol/ dem guten desto hitziger nachzustreben. Se-
het; die Niessung der Speisen/ ist wegen des Leibes Erhaltung/ und hat unser Gott solcher
Niessung deswegen eine angenehme Wollust beygefüget/ daß wir dadurch gereitzet wer-
den/ unsere Leiber durch Speisen zuerhalten; nicht/ dz wir umb dieser Wollust zugeniessen/
essen oder trincken solten. Daß aber die blosse Besitzung der Tugend/ da nemlich einer weiß
und gelernet hat gutes zu tuhn/ noch die grösseste glükseligkeit nit sey/ möchte ein Kind urtei-
len; massen auch der Schlaffende solches bey ihm hat/ aber im Schlaffe der wahren Glükse-
ligkeit nit geniessenmag. Bleibet demnach eins vor alles/ dz die zeitliche oder weltliche Glük-
seligkeit in der übung und gebrauch der Tugend bestehe/ und niemand seliger möge geschätzet
werden/ als wann er von den Lastern abgesondert/ sich der herlichen Tugend besteissiget/ und
nach derselben sein Leben anstellet. Hier hätte ich nun wol von einer weitbesseren Glükse-
ligkeit zu reden/ welche einem Menschen in dieser Welt kan zu teile werden/ und durch wel-
che er zu der künftigen ewigen und himlischen Glükseligkeit befodert wird; weil aber ich
damit meinen Herren und lieben Freunden nur möchte verdrißlich seyn/ und ohn daß an-
lezt keine gute einfälle habe/ meinen Reden eine Zierligkeit anzubringen/ bitte ich sehr/ so
wol ins gemein/ als einen jeden insonderheit/ mir meine Kühnheit und grobe Einfalt freund-
lich zuverzeihen. Die ganze Geselschafft zeigete an/ sein Gespräch währe ihnen sehr an-

genehm

Anderes Buch.
ganz keines Gehuͤlffen. So ſage ich nun; Die Sonne/ der Monde/ die Sternen alle mit
einander halten ihren Lauff in gewiſſer maſſe und unfehlbarem Schritte/ weil es Gott alſo
haben wil/ und derſelbe ihnen dieſes eingepflantzet hat/ gleich wie die Baͤume von ſich ſelbſt
muͤſſen zu ihrer Zeit gruͤnen/ bluͤhen/ und Fruͤchte bringen. Aber ich halte mich in dieſer
Frage gar zu lange auff/ und beruͤhre mit wenigen/ was des Menſchen Seele ſey; iſt ſie
ſchlecht oder dreyfach? Zwar die unterſchiedlichen Wirkungen zeigen uͤberfluͤſſig an/ daß
ihre Kraͤffte mannicherley ſind; dann eine andere Krafft iſt/ wodurch ich lebe und wachſe;
eine andere/ wodurch ich fuͤhle/ ſehe uñ hoͤre; eine andere/ wodurch ich verſtehe/ uñ von einẽ
dinge Urtel abfaſſen kan. Dieſes wird mir nit bald einer leugnẽ; Ob aber dieſes drey unteꝛ-
ſchiedliche Seelẽ/ od’ drey unterſchiedliche kraͤfte einer einigẽ Seelẽ in mir wirken/ warum
zanken wir daruͤber ſo eiferig? laſſet uns vielmehr zuſehen und fleiß anwenden/ dz wir dieſe
Kꝛaͤfte recht/ nemlich zu Gottes Lob uñ Ehren/ auch zu unſers Naͤheſtẽ Beſſerung uñ unſer
ſelbſt eigenen Erbauung gebrauchen/ dann haben wir die rechte Weißheit ſchon ergriffen.
Zwar ich kan wol leiden/ daß ein und ander davon ſo lange katzebalget als er wil; wann er
aber ſich ſo muͤde geplaudert hat/ daß ihm der Odem ſtehen bleibet/ was hat er mehr da-
von/ er wird nicht umb ein Haar beſſer dadurch. Die lezte Frage gefaͤlt mir noch am be-
ſten/ dann deren Erkaͤntniß lehret mich/ was Tugend oder Schande/ gut oder boͤſe/ erbar
oder laſterhafft iſt. Nun habe ich eines jedweden Meynung vielleicht nicht recht einge-
nommen/ und deßwegen mir keine Urtel daruͤber anmaſſe; jedoch meine Gedanken davon
zueroͤffnen/ ſpreche ich/ daß freilich die ehrliche Seelenwolluſt ein treffliches Gut ſey/ als
welche nirgends ſeyn kan/ wo nicht die Tugend die Herſchafft fuͤhret; aber ſie duͤnket mich
mehr der Gluͤkſeligkeit Begleiterin/ als die Gluͤkſeligkeit ſelber ſeyn; maſſen ein Tugend-
haffter ihm die Wolluſt nicht zum Ziel ſtecket/ ſondern ein tugendhafftes Leben und Wan-
del/ welches dieſe Wolluſt ohn das ſchon geben wird/ als die Gott zu dem ende der Gluͤkſe-
ligkeit zugeordnet hat/ daß ſie uns reizen ſol/ dem guten deſto hitziger nachzuſtreben. Se-
het; die Nieſſung der Speiſen/ iſt wegen des Leibes Erhaltung/ und hat unſer Gott ſolcheꝛ
Nieſſung deswegen eine angenehme Wolluſt beygefuͤget/ daß wir dadurch gereitzet wer-
den/ unſere Leiber durch Speiſen zuerhalten; nicht/ dz wir umb dieſer Wolluſt zugenieſſen/
eſſen oder trincken ſolten. Daß aber die bloſſe Beſitzung der Tugend/ da nemlich einer weiß
uñ gelernet hat gutes zu tuhn/ noch die groͤſſeſte gluͤkſeligkeit nit ſey/ moͤchte ein Kind urtei-
len; maſſen auch der Schlaffende ſolches bey ihm hat/ aber im Schlaffe der wahrẽ Gluͤkſe-
ligkeit nit genieſſẽmag. Bleibet demnach eins vor alles/ dz die zeitliche odeꝛ weltliche Gluͤk-
ſeligkeit in der uͤbung und gebrauch deꝛ Tugend beſtehe/ uñ niemand ſeligeꝛ moͤge geſchaͤtzet
werden/ als wann er von den Laſtern abgeſondert/ ſich der herlichẽ Tugend beſteiſſiget/ und
nach derſelben ſein Leben anſtellet. Hier haͤtte ich nun wol von einer weitbeſſeren Gluͤkſe-
ligkeit zu reden/ welche einem Menſchen in dieſer Welt kan zu teile werden/ und durch wel-
che er zu der kuͤnftigen ewigen und himliſchen Gluͤkſeligkeit befodert wird; weil aber ich
damit meinen Herren und lieben Freunden nur moͤchte verdrißlich ſeyn/ und ohn daß an-
lezt keine gute einfaͤlle habe/ meinen Reden eine Zierligkeit anzubringen/ bitte ich ſehr/ ſo
wol ins gemein/ als einen jedẽ inſonderheit/ mir meine Kuͤhnheit uñ grobe Einfalt freund-
lich zuverzeihen. Die ganze Geſelſchafft zeigete an/ ſein Geſpraͤch waͤhre ihnen ſehr an-

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[308/0346] Anderes Buch. ganz keines Gehuͤlffen. So ſage ich nun; Die Sonne/ der Monde/ die Sternen alle mit einander halten ihren Lauff in gewiſſer maſſe und unfehlbarem Schritte/ weil es Gott alſo haben wil/ und derſelbe ihnen dieſes eingepflantzet hat/ gleich wie die Baͤume von ſich ſelbſt muͤſſen zu ihrer Zeit gruͤnen/ bluͤhen/ und Fruͤchte bringen. Aber ich halte mich in dieſer Frage gar zu lange auff/ und beruͤhre mit wenigen/ was des Menſchen Seele ſey; iſt ſie ſchlecht oder dreyfach? Zwar die unterſchiedlichen Wirkungen zeigen uͤberfluͤſſig an/ daß ihre Kraͤffte mannicherley ſind; dann eine andere Krafft iſt/ wodurch ich lebe und wachſe; eine andere/ wodurch ich fuͤhle/ ſehe uñ hoͤre; eine andere/ wodurch ich verſtehe/ uñ von einẽ dinge Urtel abfaſſen kan. Dieſes wird mir nit bald einer leugnẽ; Ob aber dieſes drey unteꝛ- ſchiedliche Seelẽ/ od’ drey unterſchiedliche kraͤfte einer einigẽ Seelẽ in mir wirken/ warum zanken wir daruͤber ſo eiferig? laſſet uns vielmehr zuſehen und fleiß anwenden/ dz wir dieſe Kꝛaͤfte recht/ nemlich zu Gottes Lob uñ Ehren/ auch zu unſers Naͤheſtẽ Beſſerung uñ unſer ſelbſt eigenen Erbauung gebrauchen/ dann haben wir die rechte Weißheit ſchon ergriffen. Zwar ich kan wol leiden/ daß ein und ander davon ſo lange katzebalget als er wil; wann er aber ſich ſo muͤde geplaudert hat/ daß ihm der Odem ſtehen bleibet/ was hat er mehr da- von/ er wird nicht umb ein Haar beſſer dadurch. Die lezte Frage gefaͤlt mir noch am be- ſten/ dann deren Erkaͤntniß lehret mich/ was Tugend oder Schande/ gut oder boͤſe/ erbar oder laſterhafft iſt. Nun habe ich eines jedweden Meynung vielleicht nicht recht einge- nommen/ und deßwegen mir keine Urtel daruͤber anmaſſe; jedoch meine Gedanken davon zueroͤffnen/ ſpreche ich/ daß freilich die ehrliche Seelenwolluſt ein treffliches Gut ſey/ als welche nirgends ſeyn kan/ wo nicht die Tugend die Herſchafft fuͤhret; aber ſie duͤnket mich mehr der Gluͤkſeligkeit Begleiterin/ als die Gluͤkſeligkeit ſelber ſeyn; maſſen ein Tugend- haffter ihm die Wolluſt nicht zum Ziel ſtecket/ ſondern ein tugendhafftes Leben und Wan- del/ welches dieſe Wolluſt ohn das ſchon geben wird/ als die Gott zu dem ende der Gluͤkſe- ligkeit zugeordnet hat/ daß ſie uns reizen ſol/ dem guten deſto hitziger nachzuſtreben. Se- het; die Nieſſung der Speiſen/ iſt wegen des Leibes Erhaltung/ und hat unſer Gott ſolcheꝛ Nieſſung deswegen eine angenehme Wolluſt beygefuͤget/ daß wir dadurch gereitzet wer- den/ unſere Leiber durch Speiſen zuerhalten; nicht/ dz wir umb dieſer Wolluſt zugenieſſen/ eſſen oder trincken ſolten. Daß aber die bloſſe Beſitzung der Tugend/ da nemlich einer weiß uñ gelernet hat gutes zu tuhn/ noch die groͤſſeſte gluͤkſeligkeit nit ſey/ moͤchte ein Kind urtei- len; maſſen auch der Schlaffende ſolches bey ihm hat/ aber im Schlaffe der wahrẽ Gluͤkſe- ligkeit nit genieſſẽmag. Bleibet demnach eins vor alles/ dz die zeitliche odeꝛ weltliche Gluͤk- ſeligkeit in der uͤbung und gebrauch deꝛ Tugend beſtehe/ uñ niemand ſeligeꝛ moͤge geſchaͤtzet werden/ als wann er von den Laſtern abgeſondert/ ſich der herlichẽ Tugend beſteiſſiget/ und nach derſelben ſein Leben anſtellet. Hier haͤtte ich nun wol von einer weitbeſſeren Gluͤkſe- ligkeit zu reden/ welche einem Menſchen in dieſer Welt kan zu teile werden/ und durch wel- che er zu der kuͤnftigen ewigen und himliſchen Gluͤkſeligkeit befodert wird; weil aber ich damit meinen Herren und lieben Freunden nur moͤchte verdrißlich ſeyn/ und ohn daß an- lezt keine gute einfaͤlle habe/ meinen Reden eine Zierligkeit anzubringen/ bitte ich ſehr/ ſo wol ins gemein/ als einen jedẽ inſonderheit/ mir meine Kuͤhnheit uñ grobe Einfalt freund- lich zuverzeihen. Die ganze Geſelſchafft zeigete an/ ſein Geſpraͤch waͤhre ihnen ſehr an- genehm

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/346>, abgerufen am 18.06.2024.