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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Erstes Buch.
dem Fräulein die Außsteur nicht versagen würdet. Also wahr dieser Kauff geschlossen/ und
wurden die junge Leute nach Römischem Gebrauch ehelich vermählet. Bey der Abend-
mahlzeit gingen allerhand kurzweilige Unterredungen vor/ da Frl. Ursul sich rechtschaffen
leiden muste; dann Frl. Sophia/ umb ein Gelächter zu machen/ sagte zu ihr: Herzliebe
Schwester/ ihr meynet nun aller Gefahr entrunnen seyn/ weil ihr mit eurem Liebsten ver-
mählet seyd/ aber die euch von den Eltern angedräuete Straffen werden euch den Kitzel
rechtschaffen vertreiben/ massen euer H. Vater euch frische Ruhten gebunden/ und die
unbarmherzige Mutter euch in die finstere Kammer sperren wil/ daß euch in vier Wochen
kein Tagesliecht bescheinen sol; den Brodkorb wird sie euch so hoch hängen/ daß ihr täg-
lich nur einmahl essen/ und die ganze Zeit über das klare Wasser trinken/ auch kein weiß
leinen Gerähte anlegen sollet. Was gebet ihr mir nun/ daß ich meinen Bruder bitte/ euch
in der Finsterniß Geselschafft zu leisten? Ich kenne ohn das euer furchtsames Herz/ und
daß ihr vor grauen in der Einsamkeit würdet müssen des Todes seyn. Frl. Ursul hatte ei-
nen breiten Rücken/ achtete des Gespöttes und entstandenen Gelächters nicht groß/ son-
dern gab mit höflicher Antwort so viel zu verstehen/ daß sie ihr Glük und Heil zu verschlaf-
fen nicht währe gesinnet gewesen; dann/ sagte sie/ meine Fr. Mutter hätte mein sechzig-
stes Jahr abgewartet/ ehe sie mir von heyrahten das allergeringste gesaget. Muß ich nun
die Schuld tragen? antwortete ihre Mutter/ die etwas einfältig wahr; hastu dich doch
kein mahl nicht verlauten lassen/ daß du zu heyrahten willens währest; Welches noch vor
das kurzweiligste auffgenommen ward/ und der Stathalter es also beantwortete: So hat
mein Sohn wol getahn/ daß wie er der Mutter verseumniß/ und der Tochter Blödigkeit
verspüret/ er durch seine gutwillige Anbietung nicht allein den Mutterplatz vertreten/ son-
dern auch der Tochter Ansuchen zuvor kommen ist; gleich wie aber H. Kornelius und sein
Gemahl sich heut als Vorbitter meines Sohns haben gebrauchen lassen; also wil ich hin-
wiederumb mich ihrer Frl. Tochter annehmen/ und die scharffen Ruhten und stokfinstere
Kammter von ihr abzuwenden/ gefliessen seyn.

Nach abgehobenen Speisen erklang das Seitenspiel in drey unterschiedlichen Ver-
teilungen/ und fehlete nichts bey dieser Lust/ als Herkules Gegenwart/ umb dessen Abwe-
senheit Frl. Helena sehr traurig wahr/ weil sie sahe/ daß ihre Gespielen den Zweg ihres
Wunsches erreichet/ sie aber ohn allen Trost in ihrem verborgenen Feur sich selbst verzeh-
ren muste. Hingegen wahr Frl. Sophia so voller Lust/ daß sie meynete/ alles Unglük währe
nun überwunden/ und hätte niemand mehr Ursach traurig zu seyn; doch wahr Helenen
Unmuht ihr unverborgen/ welchen zu vertreiben sie schon alle gedanken anwendete; setzete
sich vor dißmahl zu ihr nieder/ und fragete nach der Ursach ihrer schwermühtigen Trau-
rigkeit/ ob derselben nicht raht zu schaffen währe. Diese/ nachdem sie einen tieffen
Seuffzer aus dem verborgensten ihres Herzen her vorgesucht/ gab zur Antwort: Ach herz-
liebe Schwester/ die Ursach meiner Traurigkeit ist wichtiger/ als daß ihr durch andere
Mittel ohn durch den Tod solte können abgeholffen werden; Bitte deßwegen/ dieser Nach-
frage euch zubegeben/ und meine Bekümmernis ungestöret zulassen. Ey daß währe Wun-
der/ sagte Sophia/ daß mein Vermögen so schlecht/ undener Ubel so unheilbar seyn solte;
lasset mich/ bitte ich/ euer Anliegen wissen/ vielleicht habe ich noch ein Kunststükchen in

meinem

Erſtes Buch.
dem Fraͤulein die Außſteur nicht verſagen wuͤrdet. Alſo wahr dieſer Kauff geſchloſſen/ und
wurden die junge Leute nach Roͤmiſchem Gebrauch ehelich vermaͤhlet. Bey der Abend-
mahlzeit gingen allerhand kurzweilige Unterredungen vor/ da Frl. Urſul ſich rechtſchaffen
leiden muſte; dann Frl. Sophia/ umb ein Gelaͤchter zu machen/ ſagte zu ihr: Herzliebe
Schweſter/ ihr meynet nun aller Gefahr entrunnen ſeyn/ weil ihr mit eurem Liebſten ver-
maͤhlet ſeyd/ aber die euch von den Eltern angedraͤuete Straffen werden euch den Kitzel
rechtſchaffen vertreiben/ maſſen euer H. Vater euch friſche Ruhten gebunden/ und die
unbarmherzige Mutter euch in die finſtere Kammer ſperren wil/ daß euch in vier Wochen
kein Tagesliecht beſcheinen ſol; den Brodkorb wird ſie euch ſo hoch haͤngen/ daß ihr taͤg-
lich nur einmahl eſſen/ und die ganze Zeit uͤber das klare Waſſer trinken/ auch kein weiß
leinen Geraͤhte anlegen ſollet. Was gebet ihr mir nun/ daß ich meinen Bruder bitte/ euch
in der Finſterniß Geſelſchafft zu leiſten? Ich kenne ohn das euer furchtſames Herz/ und
daß ihr vor grauen in der Einſamkeit wuͤrdet muͤſſen des Todes ſeyn. Frl. Urſul hatte ei-
nen breiten Ruͤcken/ achtete des Geſpoͤttes und entſtandenen Gelaͤchters nicht groß/ ſon-
dern gab mit hoͤflicher Antwort ſo viel zu verſtehen/ daß ſie ihr Gluͤk und Heil zu verſchlaf-
fen nicht waͤhre geſinnet geweſen; dann/ ſagte ſie/ meine Fr. Mutter haͤtte mein ſechzig-
ſtes Jahr abgewartet/ ehe ſie mir von heyrahten das allergeringſte geſaget. Muß ich nun
die Schuld tragen? antwortete ihre Mutter/ die etwas einfaͤltig wahr; haſtu dich doch
kein mahl nicht verlauten laſſen/ daß du zu heyrahten willens waͤhreſt; Welches noch vor
das kurzweiligſte auffgenommen ward/ und der Stathalter es alſo beantwortete: So hat
mein Sohn wol getahn/ daß wie er der Mutter verſeumniß/ und der Tochter Bloͤdigkeit
verſpuͤret/ er durch ſeine gutwillige Anbietung nicht allein den Mutterplatz vertreten/ ſon-
dern auch der Tochter Anſuchen zuvor kommen iſt; gleich wie aber H. Kornelius und ſein
Gemahl ſich heut als Vorbitter meines Sohns haben gebrauchen laſſen; alſo wil ich hin-
wiederumb mich ihrer Frl. Tochter annehmen/ und die ſcharffen Ruhten und ſtokfinſtere
Kammter von ihr abzuwenden/ geflieſſen ſeyn.

Nach abgehobenen Speiſen erklang das Seitenſpiel in drey unterſchiedlichen Ver-
teilungen/ und fehlete nichts bey dieſer Luſt/ als Herkules Gegenwart/ umb deſſen Abwe-
ſenheit Frl. Helena ſehr traurig wahr/ weil ſie ſahe/ daß ihre Geſpielen den Zweg ihres
Wunſches erreichet/ ſie aber ohn allen Troſt in ihrem verborgenen Feur ſich ſelbſt verzeh-
ren muſte. Hingegen wahr Frl. Sophia ſo voller Luſt/ daß ſie meynete/ alles Ungluͤk waͤhre
nun uͤberwunden/ und haͤtte niemand mehr Urſach traurig zu ſeyn; doch wahr Helenen
Unmuht ihr unverborgen/ welchen zu vertreiben ſie ſchon alle gedanken anwendete; ſetzete
ſich vor dißmahl zu ihr nieder/ und fragete nach der Urſach ihrer ſchwermuͤhtigen Trau-
rigkeit/ ob derſelben nicht raht zu ſchaffen waͤhre. Dieſe/ nachdem ſie einen tieffen
Seuffzer aus dem verborgenſtẽ ihres Herzen her vorgeſucht/ gab zur Antwort: Ach herz-
liebe Schweſter/ die Urſach meiner Traurigkeit iſt wichtiger/ als daß ihr durch andere
Mittel ohn durch den Tod ſolte koͤnnen abgeholffen werden; Bitte deßwegen/ dieſer Nach-
frage euch zubegeben/ und meine Bekuͤmmernis ungeſtoͤret zulaſſen. Ey daß waͤhre Wun-
der/ ſagte Sophia/ daß mein Vermoͤgen ſo ſchlecht/ undener Ubel ſo unheilbar ſeyn ſolte;
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[111/0149] Erſtes Buch. dem Fraͤulein die Außſteur nicht verſagen wuͤrdet. Alſo wahr dieſer Kauff geſchloſſen/ und wurden die junge Leute nach Roͤmiſchem Gebrauch ehelich vermaͤhlet. Bey der Abend- mahlzeit gingen allerhand kurzweilige Unterredungen vor/ da Frl. Urſul ſich rechtſchaffen leiden muſte; dann Frl. Sophia/ umb ein Gelaͤchter zu machen/ ſagte zu ihr: Herzliebe Schweſter/ ihr meynet nun aller Gefahr entrunnen ſeyn/ weil ihr mit eurem Liebſten ver- maͤhlet ſeyd/ aber die euch von den Eltern angedraͤuete Straffen werden euch den Kitzel rechtſchaffen vertreiben/ maſſen euer H. Vater euch friſche Ruhten gebunden/ und die unbarmherzige Mutter euch in die finſtere Kammer ſperren wil/ daß euch in vier Wochen kein Tagesliecht beſcheinen ſol; den Brodkorb wird ſie euch ſo hoch haͤngen/ daß ihr taͤg- lich nur einmahl eſſen/ und die ganze Zeit uͤber das klare Waſſer trinken/ auch kein weiß leinen Geraͤhte anlegen ſollet. Was gebet ihr mir nun/ daß ich meinen Bruder bitte/ euch in der Finſterniß Geſelſchafft zu leiſten? Ich kenne ohn das euer furchtſames Herz/ und daß ihr vor grauen in der Einſamkeit wuͤrdet muͤſſen des Todes ſeyn. Frl. Urſul hatte ei- nen breiten Ruͤcken/ achtete des Geſpoͤttes und entſtandenen Gelaͤchters nicht groß/ ſon- dern gab mit hoͤflicher Antwort ſo viel zu verſtehen/ daß ſie ihr Gluͤk und Heil zu verſchlaf- fen nicht waͤhre geſinnet geweſen; dann/ ſagte ſie/ meine Fr. Mutter haͤtte mein ſechzig- ſtes Jahr abgewartet/ ehe ſie mir von heyrahten das allergeringſte geſaget. Muß ich nun die Schuld tragen? antwortete ihre Mutter/ die etwas einfaͤltig wahr; haſtu dich doch kein mahl nicht verlauten laſſen/ daß du zu heyrahten willens waͤhreſt; Welches noch vor das kurzweiligſte auffgenommen ward/ und der Stathalter es alſo beantwortete: So hat mein Sohn wol getahn/ daß wie er der Mutter verſeumniß/ und der Tochter Bloͤdigkeit verſpuͤret/ er durch ſeine gutwillige Anbietung nicht allein den Mutterplatz vertreten/ ſon- dern auch der Tochter Anſuchen zuvor kommen iſt; gleich wie aber H. Kornelius und ſein Gemahl ſich heut als Vorbitter meines Sohns haben gebrauchen laſſen; alſo wil ich hin- wiederumb mich ihrer Frl. Tochter annehmen/ und die ſcharffen Ruhten und ſtokfinſtere Kammter von ihr abzuwenden/ geflieſſen ſeyn. Nach abgehobenen Speiſen erklang das Seitenſpiel in drey unterſchiedlichen Ver- teilungen/ und fehlete nichts bey dieſer Luſt/ als Herkules Gegenwart/ umb deſſen Abwe- ſenheit Frl. Helena ſehr traurig wahr/ weil ſie ſahe/ daß ihre Geſpielen den Zweg ihres Wunſches erreichet/ ſie aber ohn allen Troſt in ihrem verborgenen Feur ſich ſelbſt verzeh- ren muſte. Hingegen wahr Frl. Sophia ſo voller Luſt/ daß ſie meynete/ alles Ungluͤk waͤhre nun uͤberwunden/ und haͤtte niemand mehr Urſach traurig zu ſeyn; doch wahr Helenen Unmuht ihr unverborgen/ welchen zu vertreiben ſie ſchon alle gedanken anwendete; ſetzete ſich vor dißmahl zu ihr nieder/ und fragete nach der Urſach ihrer ſchwermuͤhtigen Trau- rigkeit/ ob derſelben nicht raht zu ſchaffen waͤhre. Dieſe/ nachdem ſie einen tieffen Seuffzer aus dem verborgenſtẽ ihres Herzen her vorgeſucht/ gab zur Antwort: Ach herz- liebe Schweſter/ die Urſach meiner Traurigkeit iſt wichtiger/ als daß ihr durch andere Mittel ohn durch den Tod ſolte koͤnnen abgeholffen werden; Bitte deßwegen/ dieſer Nach- frage euch zubegeben/ und meine Bekuͤmmernis ungeſtoͤret zulaſſen. Ey daß waͤhre Wun- der/ ſagte Sophia/ daß mein Vermoͤgen ſo ſchlecht/ undener Ubel ſo unheilbar ſeyn ſolte; laſſet mich/ bitte ich/ euer Anliegen wiſſen/ vielleicht habe ich noch ein Kunſtſtuͤkchen in meinem

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/149>, abgerufen am 30.12.2024.