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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 68. Königshort und Königsgut.
besonderes; denn der König war befugt, jeden Rechtsstreit vor das
Königsgericht zu ziehen, mochte er daran beteiligt sein oder nicht.

Das Urteil konnte sowohl im Königsgerichte als auch in jedem
anderen Gerichte gegen den Fiskus ausfallen. Siegte der Prozess-
gegner des Königs, so trat eine Besonderheit ein. Der König erklärte
sich nicht für sachfällig, wie eine andere unterliegende Prozesspartei,
sondern erliess einen Restitutionsbefehl zu Gunsten des Siegers, sofern
nicht etwa schon der Vertreter des Fiskus zur eventuellen Restitution
ermächtigt war 40. Dagegen war eine gerichtliche Zwangsvollstreckung
in das fiskalische Besitztum ebensowenig denkbar, als die Verhängung
der Friedlosigkeit gegen den König. Wie der König sich nicht selbst
friedlos legen konnte, so gab es auch keine Execution in das Königs-
gut; denn die Zwangsvollstreckung in Liegenschaften erfolgte als
missio in bannum regis, hätte also das aberkannte Gut dem König
aufs neue zugeführt.

Im neunten Jahrhundert begegnet uns der Rechtssatz, dass fiska-
lische Grundstücke nur durch schriftliches praeceptum des Königs
restituiert und übereignet werden können 41. Die Königsurkunde galt
für ein unerlässliches Erfordernis der vollen Entäusserung. Übergabe
des Besitzes oder rechtsförmliche Auflassung hätten nicht genügt.

Zu den genannten Vorrechten des Königsgutes kommt hinzu der
erhöhte strafrechtliche Schutz, den es vermöge seines Sonderfriedens
genoss 42, und die verfassungsgeschichtlich hochwichtige Immunität,

40 In dem Cap. legibus add. 818/9, c. 20, I 285 untersagt Ludwig I., dass
kirchliches Eigentum, welches sich in der Gewere Karls des Grossen befunden
habe, von den kirchlichen Beamten sine nostra iussione an den Kläger heraus-
gegeben werde. Dagegen gestattet er in Cap. per se scrib. 818/9, c. 6, I 288 die
Restitution flüchtiger Knechte trotz der vestitura domni Karoli.
41 Urkunde Karls des Kahlen von 871 bei Bernard, Chartes de Cluny I 20,
Nr. 16. Hevrardus hatte durch Infidelität sein Gut an den Fiskus verwirkt. Im
Gnadenwege gab es ihm Karl der Kahle zurück. Hevrard tradierte es dann seinem
Neffen Adalard. Allein ab eodem Adalardo Oddo comes easdem res ad nostrum
fiscum recepit, quia Hevrardus .., cui ipsas res reddi(di)mus, praeceptum nostrae
magnificentiae non exinde obtinuerit. Urkunde Karls des Kahlen von 877 bei
Quantin, Cartulaire de l'Yonne I 101, Nr. 52: et quia praefato coenobio non aliter
legitime, postquam in fiscum nostrum deciderat, reddi poterat, nisi per praeceptum
nostrae auctoritatis. Vgl. noch Bernard, a. O. I 87, Nr. 78 v. J. 902: quod fieri
legaliter potest per praeceptum nostrae auctoritatis. Schon nach Cap. legg. add.
818/9, c. 11, I 283 muss der Übergang der Güter, die im Wege der Zwangsvoll-
streckung gefront werden, auf den siegreichen Kläger per praeceptum regis ge-
schehen.
42 Oben S. 44.

§ 68. Königshort und Königsgut.
besonderes; denn der König war befugt, jeden Rechtsstreit vor das
Königsgericht zu ziehen, mochte er daran beteiligt sein oder nicht.

Das Urteil konnte sowohl im Königsgerichte als auch in jedem
anderen Gerichte gegen den Fiskus ausfallen. Siegte der Prozeſs-
gegner des Königs, so trat eine Besonderheit ein. Der König erklärte
sich nicht für sachfällig, wie eine andere unterliegende Prozeſspartei,
sondern erlieſs einen Restitutionsbefehl zu Gunsten des Siegers, sofern
nicht etwa schon der Vertreter des Fiskus zur eventuellen Restitution
ermächtigt war 40. Dagegen war eine gerichtliche Zwangsvollstreckung
in das fiskalische Besitztum ebensowenig denkbar, als die Verhängung
der Friedlosigkeit gegen den König. Wie der König sich nicht selbst
friedlos legen konnte, so gab es auch keine Execution in das Königs-
gut; denn die Zwangsvollstreckung in Liegenschaften erfolgte als
missio in bannum regis, hätte also das aberkannte Gut dem König
aufs neue zugeführt.

Im neunten Jahrhundert begegnet uns der Rechtssatz, daſs fiska-
lische Grundstücke nur durch schriftliches praeceptum des Königs
restituiert und übereignet werden können 41. Die Königsurkunde galt
für ein unerläſsliches Erfordernis der vollen Entäuſserung. Übergabe
des Besitzes oder rechtsförmliche Auflassung hätten nicht genügt.

Zu den genannten Vorrechten des Königsgutes kommt hinzu der
erhöhte strafrechtliche Schutz, den es vermöge seines Sonderfriedens
genoſs 42, und die verfassungsgeschichtlich hochwichtige Immunität,

40 In dem Cap. legibus add. 818/9, c. 20, I 285 untersagt Ludwig I., daſs
kirchliches Eigentum, welches sich in der Gewere Karls des Groſsen befunden
habe, von den kirchlichen Beamten sine nostra iussione an den Kläger heraus-
gegeben werde. Dagegen gestattet er in Cap. per se scrib. 818/9, c. 6, I 288 die
Restitution flüchtiger Knechte trotz der vestitura domni Karoli.
41 Urkunde Karls des Kahlen von 871 bei Bernard, Chartes de Cluny I 20,
Nr. 16. Hevrardus hatte durch Infidelität sein Gut an den Fiskus verwirkt. Im
Gnadenwege gab es ihm Karl der Kahle zurück. Hevrard tradierte es dann seinem
Neffen Adalard. Allein ab eodem Adalardo Oddo comes easdem res ad nostrum
fiscum recepit, quia Hevrardus .., cui ipsas res reddi(di)mus, praeceptum nostrae
magnificentiae non exinde obtinuerit. Urkunde Karls des Kahlen von 877 bei
Quantin, Cartulaire de l’Yonne I 101, Nr. 52: et quia praefato coenobio non aliter
legitime, postquam in fiscum nostrum deciderat, reddi poterat, nisi per praeceptum
nostrae auctoritatis. Vgl. noch Bernard, a. O. I 87, Nr. 78 v. J. 902: quod fieri
legaliter potest per praeceptum nostrae auctoritatis. Schon nach Cap. legg. add.
818/9, c. 11, I 283 muſs der Übergang der Güter, die im Wege der Zwangsvoll-
streckung gefront werden, auf den siegreichen Kläger per praeceptum regis ge-
schehen.
42 Oben S. 44.
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[74/0092] § 68. Königshort und Königsgut. besonderes; denn der König war befugt, jeden Rechtsstreit vor das Königsgericht zu ziehen, mochte er daran beteiligt sein oder nicht. Das Urteil konnte sowohl im Königsgerichte als auch in jedem anderen Gerichte gegen den Fiskus ausfallen. Siegte der Prozeſs- gegner des Königs, so trat eine Besonderheit ein. Der König erklärte sich nicht für sachfällig, wie eine andere unterliegende Prozeſspartei, sondern erlieſs einen Restitutionsbefehl zu Gunsten des Siegers, sofern nicht etwa schon der Vertreter des Fiskus zur eventuellen Restitution ermächtigt war 40. Dagegen war eine gerichtliche Zwangsvollstreckung in das fiskalische Besitztum ebensowenig denkbar, als die Verhängung der Friedlosigkeit gegen den König. Wie der König sich nicht selbst friedlos legen konnte, so gab es auch keine Execution in das Königs- gut; denn die Zwangsvollstreckung in Liegenschaften erfolgte als missio in bannum regis, hätte also das aberkannte Gut dem König aufs neue zugeführt. Im neunten Jahrhundert begegnet uns der Rechtssatz, daſs fiska- lische Grundstücke nur durch schriftliches praeceptum des Königs restituiert und übereignet werden können 41. Die Königsurkunde galt für ein unerläſsliches Erfordernis der vollen Entäuſserung. Übergabe des Besitzes oder rechtsförmliche Auflassung hätten nicht genügt. Zu den genannten Vorrechten des Königsgutes kommt hinzu der erhöhte strafrechtliche Schutz, den es vermöge seines Sonderfriedens genoſs 42, und die verfassungsgeschichtlich hochwichtige Immunität, 40 In dem Cap. legibus add. 818/9, c. 20, I 285 untersagt Ludwig I., daſs kirchliches Eigentum, welches sich in der Gewere Karls des Groſsen befunden habe, von den kirchlichen Beamten sine nostra iussione an den Kläger heraus- gegeben werde. Dagegen gestattet er in Cap. per se scrib. 818/9, c. 6, I 288 die Restitution flüchtiger Knechte trotz der vestitura domni Karoli. 41 Urkunde Karls des Kahlen von 871 bei Bernard, Chartes de Cluny I 20, Nr. 16. Hevrardus hatte durch Infidelität sein Gut an den Fiskus verwirkt. Im Gnadenwege gab es ihm Karl der Kahle zurück. Hevrard tradierte es dann seinem Neffen Adalard. Allein ab eodem Adalardo Oddo comes easdem res ad nostrum fiscum recepit, quia Hevrardus .., cui ipsas res reddi(di)mus, praeceptum nostrae magnificentiae non exinde obtinuerit. Urkunde Karls des Kahlen von 877 bei Quantin, Cartulaire de l’Yonne I 101, Nr. 52: et quia praefato coenobio non aliter legitime, postquam in fiscum nostrum deciderat, reddi poterat, nisi per praeceptum nostrae auctoritatis. Vgl. noch Bernard, a. O. I 87, Nr. 78 v. J. 902: quod fieri legaliter potest per praeceptum nostrae auctoritatis. Schon nach Cap. legg. add. 818/9, c. 11, I 283 muſs der Übergang der Güter, die im Wege der Zwangsvoll- streckung gefront werden, auf den siegreichen Kläger per praeceptum regis ge- schehen. 42 Oben S. 44.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/92>, abgerufen am 23.11.2024.