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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 68. Königshort und Königsgut.
deren Bedeutung und Entwicklung weiter unten zur zusammenhän-
genden Darstellung gelangen soll 43.

An all dem Lande, welches keinen Herrn hatte, besass der König
das Aneignungsrecht. Die wüstliegenden Strecken und die ausgedehnten
Wälder, die nicht Sondereigentum waren und nicht nachweislich zu
einer gemeinen Mark gehörten, standen daher zur Verfügung des
Königs 44. Solches Land konnte zu königlichen Domänen gezogen oder
in solche umgewandelt oder an Unterthanen zur Rodung überlassen
werden, die davon ein servitium regale bezahlten, wenn es ihnen nicht
etwa zinsfrei verliehen worden war 45. An königlichen Waldungen und
Weideländereien erhielten die Anwohner häufig entgeltliche Nutzungs-
rechte, indem ihnen gegen Entrichtung eines Zehnten 46 gestattet wurde,
ihr Vieh auf die Weide, ihre Schweine zur Mast in den Wald zu
treiben.

Waldungen, welche im Eigentum des Königs standen, und solche,
an denen er sich das Aneignungsrecht beilegte, konnten mittelst des
Königsbannes eingeforstet, zu Forsten (forestae, forestes) erklärt wer-
den 47, indem der König sich die Nutzung, insbesondere die Jagd, aus-
schliesslich vorbehielt und jeden Eingriff in sein Recht bei Strafe des
Königsbannes untersagte. Auch Gewässer wurden hinsichtlich der
Fischerei und sonstiger Wassernutzungen eingeforstet und dadurch zu
Bannwässern umgewandelt 48. Den Frieden, welchen der Forstbann
wirkte, konnte der König auch solchen Waldungen zu teil werden
lassen, die sich im Privateigentum befanden.

Das Berg- und Salzregal, wie es in Deutschland seit dem elften

43 Unten § 94.
44 In den ostrheinischen Gegenden wurden die vollen Konsequenzen aus dem
Rechte des Königs an herrenlosem Lande wohl erst in karolingischer Zeit gezogen,
als die Verwaltung eine straffere zu werden begann.
45 Siehe oben I 205.
46 Ein solcher Zehnt sind die pascuaria und decimae porcorum in der prae-
ceptio Chlothars II. c. 11, Cap. I 19. Im Edikt Chlothars II. begegnet c. 23, Cap. I 23
für einen Schweinezehnt der Ausdruck cellariensis. Vgl. cellarius in Pertz,
Dipl. M. Nr. 86 v. J. 716. Unter cellarium, species cellariensis fasste man in spät-
römischer Zeit die auf Speise und Trank bezüglichen Naturallieferungen zusammen.
Marquardt, Röm. Staatsverwaltung II2 232. Die in der praeceptio Chlothars
genannten agraria sind wohl als ein Rottlandzehnt zu erklären.
47 Waitz, VG II 2, S. 316. IV 128.
48 Man sprach von foresta piscationis et venationis, von foresta piscium in
aqua. Du Cange (Henschel) III 352. Das Wort Forst stammt wahrscheinlich von
dem lateinischem foris, foras. Diez, WB I s. v. foresta. A. A. Grimm, WB IV 1,
sp. 3, der es von foraha, Föhre ableitet.

§ 68. Königshort und Königsgut.
deren Bedeutung und Entwicklung weiter unten zur zusammenhän-
genden Darstellung gelangen soll 43.

An all dem Lande, welches keinen Herrn hatte, besaſs der König
das Aneignungsrecht. Die wüstliegenden Strecken und die ausgedehnten
Wälder, die nicht Sondereigentum waren und nicht nachweislich zu
einer gemeinen Mark gehörten, standen daher zur Verfügung des
Königs 44. Solches Land konnte zu königlichen Domänen gezogen oder
in solche umgewandelt oder an Unterthanen zur Rodung überlassen
werden, die davon ein servitium regale bezahlten, wenn es ihnen nicht
etwa zinsfrei verliehen worden war 45. An königlichen Waldungen und
Weideländereien erhielten die Anwohner häufig entgeltliche Nutzungs-
rechte, indem ihnen gegen Entrichtung eines Zehnten 46 gestattet wurde,
ihr Vieh auf die Weide, ihre Schweine zur Mast in den Wald zu
treiben.

Waldungen, welche im Eigentum des Königs standen, und solche,
an denen er sich das Aneignungsrecht beilegte, konnten mittelst des
Königsbannes eingeforstet, zu Forsten (forestae, forestes) erklärt wer-
den 47, indem der König sich die Nutzung, insbesondere die Jagd, aus-
schlieſslich vorbehielt und jeden Eingriff in sein Recht bei Strafe des
Königsbannes untersagte. Auch Gewässer wurden hinsichtlich der
Fischerei und sonstiger Wassernutzungen eingeforstet und dadurch zu
Bannwässern umgewandelt 48. Den Frieden, welchen der Forstbann
wirkte, konnte der König auch solchen Waldungen zu teil werden
lassen, die sich im Privateigentum befanden.

Das Berg- und Salzregal, wie es in Deutschland seit dem elften

43 Unten § 94.
44 In den ostrheinischen Gegenden wurden die vollen Konsequenzen aus dem
Rechte des Königs an herrenlosem Lande wohl erst in karolingischer Zeit gezogen,
als die Verwaltung eine straffere zu werden begann.
45 Siehe oben I 205.
46 Ein solcher Zehnt sind die pascuaria und decimae porcorum in der prae-
ceptio Chlothars II. c. 11, Cap. I 19. Im Edikt Chlothars II. begegnet c. 23, Cap. I 23
für einen Schweinezehnt der Ausdruck cellariensis. Vgl. cellarius in Pertz,
Dipl. M. Nr. 86 v. J. 716. Unter cellarium, species cellariensis faſste man in spät-
römischer Zeit die auf Speise und Trank bezüglichen Naturallieferungen zusammen.
Marquardt, Röm. Staatsverwaltung II2 232. Die in der praeceptio Chlothars
genannten agraria sind wohl als ein Rottlandzehnt zu erklären.
47 Waitz, VG II 2, S. 316. IV 128.
48 Man sprach von foresta piscationis et venationis, von foresta piscium in
aqua. Du Cange (Henschel) III 352. Das Wort Forst stammt wahrscheinlich von
dem lateinischem foris, foras. Diez, WB I s. v. foresta. A. A. Grimm, WB IV 1,
sp. 3, der es von foraha, Föhre ableitet.
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[75/0093] § 68. Königshort und Königsgut. deren Bedeutung und Entwicklung weiter unten zur zusammenhän- genden Darstellung gelangen soll 43. An all dem Lande, welches keinen Herrn hatte, besaſs der König das Aneignungsrecht. Die wüstliegenden Strecken und die ausgedehnten Wälder, die nicht Sondereigentum waren und nicht nachweislich zu einer gemeinen Mark gehörten, standen daher zur Verfügung des Königs 44. Solches Land konnte zu königlichen Domänen gezogen oder in solche umgewandelt oder an Unterthanen zur Rodung überlassen werden, die davon ein servitium regale bezahlten, wenn es ihnen nicht etwa zinsfrei verliehen worden war 45. An königlichen Waldungen und Weideländereien erhielten die Anwohner häufig entgeltliche Nutzungs- rechte, indem ihnen gegen Entrichtung eines Zehnten 46 gestattet wurde, ihr Vieh auf die Weide, ihre Schweine zur Mast in den Wald zu treiben. Waldungen, welche im Eigentum des Königs standen, und solche, an denen er sich das Aneignungsrecht beilegte, konnten mittelst des Königsbannes eingeforstet, zu Forsten (forestae, forestes) erklärt wer- den 47, indem der König sich die Nutzung, insbesondere die Jagd, aus- schlieſslich vorbehielt und jeden Eingriff in sein Recht bei Strafe des Königsbannes untersagte. Auch Gewässer wurden hinsichtlich der Fischerei und sonstiger Wassernutzungen eingeforstet und dadurch zu Bannwässern umgewandelt 48. Den Frieden, welchen der Forstbann wirkte, konnte der König auch solchen Waldungen zu teil werden lassen, die sich im Privateigentum befanden. Das Berg- und Salzregal, wie es in Deutschland seit dem elften 43 Unten § 94. 44 In den ostrheinischen Gegenden wurden die vollen Konsequenzen aus dem Rechte des Königs an herrenlosem Lande wohl erst in karolingischer Zeit gezogen, als die Verwaltung eine straffere zu werden begann. 45 Siehe oben I 205. 46 Ein solcher Zehnt sind die pascuaria und decimae porcorum in der prae- ceptio Chlothars II. c. 11, Cap. I 19. Im Edikt Chlothars II. begegnet c. 23, Cap. I 23 für einen Schweinezehnt der Ausdruck cellariensis. Vgl. cellarius in Pertz, Dipl. M. Nr. 86 v. J. 716. Unter cellarium, species cellariensis faſste man in spät- römischer Zeit die auf Speise und Trank bezüglichen Naturallieferungen zusammen. Marquardt, Röm. Staatsverwaltung II2 232. Die in der praeceptio Chlothars genannten agraria sind wohl als ein Rottlandzehnt zu erklären. 47 Waitz, VG II 2, S. 316. IV 128. 48 Man sprach von foresta piscationis et venationis, von foresta piscium in aqua. Du Cange (Henschel) III 352. Das Wort Forst stammt wahrscheinlich von dem lateinischem foris, foras. Diez, WB I s. v. foresta. A. A. Grimm, WB IV 1, sp. 3, der es von foraha, Föhre ableitet.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/93>, abgerufen am 28.04.2024.