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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 66. Königsschutz.

Über die Aufnahme in den Königsschutz kann der Schützling
sich eine Königsurkunde geben lassen, carta de mundeburde21, carta
mundburalis22. Entsprechend den Wirkungen des königlichen Mun-
diums enthält das Formular des Schutzbriefs drei Klauseln, nämlich
1. die Schutzklausel, worin der König erklärt, dass er den Schutz-
suchenden in seinen Schutz aufgenommen habe, 2. die Friedensbann-
klausel, welche jede Verletzung des Schützlings verbietet, und 3. die
Reklamationsklausel, die dem Schützling das Recht gewährt, seine
Streitsachen an den Königshof zu dingen.

Eine bedeutsame Rolle spielt die Verleihung von Mundbriefen
an Klöster23. Von Hause aus hatten den besonderen Königsschutz
die Klöster, die sich im Eigentum des Königs (in dominio regis) be-
fanden24, das heisst jene, die aus Krongut gestiftet oder dem König,
um der Kirche die rechtliche Stellung des Königsgutes zu verschaffen,
übereignet worden waren25. Der ihnen gebührende Königsschutz
wurde mitunter durch Mundbriefe besonders bestätigt. Nichtkönig-
liche Klöster konnten den besonderen Königsschutz durch königliche
Verleihung erlangen. Sofern sie von der Kommendation abhing,
musste der Abt des Klosters sie vornehmen und musste die Kommen-
dation bei Thronfall, und wenn der Abt wechselte, wiederholt werden.

Da das Schutzverhältnis eine persönliche Abhängigkeit des Schütz-
lings vom Schutzherrn herbeiführte, drohte der Eintritt von Kirchen
und von Klerikern in Schutzverhältnisse zu Laien dem festen Gefüge
der fränkischen Kirchenverfassung gefährlich zu werden. Darum findet

21 Marculf I 24, Zeumer S. 58. Marc. Add. 2, Zeumer S. 111, Form. Flavin.
Nr. 69, Zeumer S. 484. Form. imper. Nr. 48, Zeumer S. 323. Vgl. Carta Senon.
Nr. 28, Zeumer S. 197. Form. imper. Nr. 32. 41. 55, Zeumer S. 311. 318. 326.
22 Form. Bitur. Nr. 14, Zeumer S. 174.
23 Der älteste königliche Schutzbrief der karolingischen Zeit ist Pippin für
Anisola v. J. 752, Mühlbacher Nr. 64. Drei merowingische Schutzbriefe für
Anisola, Pertz, Dipl. M. 4. 9. 50, sind mindestens verunechtet. Havet, Questions
Merovingiennes IV erklärt sie für falsch.
24 Karl der Kahle für das Marienkloster in der Pfalz zu Compiegne v. J.
877, Bouquet VIII 661, Nr. 272: et quia praefatas res omnes ex fiscis nostris
fuisse constat, volumus ... ut sub ea lege qua res fisci nostri iugiter maneant
atque sub eo mundeburde et defensione tueantur ac defendantur et sub ea tuitione
imperiali consistant, qua coenobia Prumia scilicet, quod atavus noster construxit, et
monasterium sanctimonialium Lauduno ... constructum consistere noscuntur. Vgl.
Bouquet VIII 555, Nr. 150 v. J. 859 für Beaulieu: sic in nostra protectione sub im-
munitatis titulo suscipimus, sicut ea monasteria, quae sive praedecessores nostri de
suo aedificaverint sive a bonis nostris aedificata sibi conservanda susceperint.
25 Karolingische Eigenklöster waren z. B. Prüm und Epternach, tradierte
Klöster z. B. Aniane, Hersfeld, Onolzbach. Vgl. Th. Sickel, Beiträge III 35. 98.
§ 66. Königsschutz.

Über die Aufnahme in den Königsschutz kann der Schützling
sich eine Königsurkunde geben lassen, carta de mundeburde21, carta
mundburalis22. Entsprechend den Wirkungen des königlichen Mun-
diums enthält das Formular des Schutzbriefs drei Klauseln, nämlich
1. die Schutzklausel, worin der König erklärt, daſs er den Schutz-
suchenden in seinen Schutz aufgenommen habe, 2. die Friedensbann-
klausel, welche jede Verletzung des Schützlings verbietet, und 3. die
Reklamationsklausel, die dem Schützling das Recht gewährt, seine
Streitsachen an den Königshof zu dingen.

Eine bedeutsame Rolle spielt die Verleihung von Mundbriefen
an Klöster23. Von Hause aus hatten den besonderen Königsschutz
die Klöster, die sich im Eigentum des Königs (in dominio regis) be-
fanden24, das heiſst jene, die aus Krongut gestiftet oder dem König,
um der Kirche die rechtliche Stellung des Königsgutes zu verschaffen,
übereignet worden waren25. Der ihnen gebührende Königsschutz
wurde mitunter durch Mundbriefe besonders bestätigt. Nichtkönig-
liche Klöster konnten den besonderen Königsschutz durch königliche
Verleihung erlangen. Sofern sie von der Kommendation abhing,
muſste der Abt des Klosters sie vornehmen und muſste die Kommen-
dation bei Thronfall, und wenn der Abt wechselte, wiederholt werden.

Da das Schutzverhältnis eine persönliche Abhängigkeit des Schütz-
lings vom Schutzherrn herbeiführte, drohte der Eintritt von Kirchen
und von Klerikern in Schutzverhältnisse zu Laien dem festen Gefüge
der fränkischen Kirchenverfassung gefährlich zu werden. Darum findet

21 Marculf I 24, Zeumer S. 58. Marc. Add. 2, Zeumer S. 111, Form. Flavin.
Nr. 69, Zeumer S. 484. Form. imper. Nr. 48, Zeumer S. 323. Vgl. Carta Senon.
Nr. 28, Zeumer S. 197. Form. imper. Nr. 32. 41. 55, Zeumer S. 311. 318. 326.
22 Form. Bitur. Nr. 14, Zeumer S. 174.
23 Der älteste königliche Schutzbrief der karolingischen Zeit ist Pippin für
Anisola v. J. 752, Mühlbacher Nr. 64. Drei merowingische Schutzbriefe für
Anisola, Pertz, Dipl. M. 4. 9. 50, sind mindestens verunechtet. Havet, Questions
Mérovingiennes IV erklärt sie für falsch.
24 Karl der Kahle für das Marienkloster in der Pfalz zu Compiègne v. J.
877, Bouquet VIII 661, Nr. 272: et quia praefatas res omnes ex fiscis nostris
fuisse constat, volumus … ut sub ea lege qua res fisci nostri iugiter maneant
atque sub eo mundeburde et defensione tueantur ac defendantur et sub ea tuitione
imperiali consistant, qua coenobia Prumia scilicet, quod atavus noster construxit, et
monasterium sanctimonialium Lauduno … constructum consistere noscuntur. Vgl.
Bouquet VIII 555, Nr. 150 v. J. 859 für Beaulieu: sic in nostra protectione sub im-
munitatis titulo suscipimus, sicut ea monasteria, quae sive praedecessores nostri de
suo aedificaverint sive a bonis nostris aedificata sibi conservanda susceperint.
25 Karolingische Eigenklöster waren z. B. Prüm und Epternach, tradierte
Klöster z. B. Aniane, Hersfeld, Onolzbach. Vgl. Th. Sickel, Beiträge III 35. 98.
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[52/0070] § 66. Königsschutz. Über die Aufnahme in den Königsschutz kann der Schützling sich eine Königsurkunde geben lassen, carta de mundeburde 21, carta mundburalis 22. Entsprechend den Wirkungen des königlichen Mun- diums enthält das Formular des Schutzbriefs drei Klauseln, nämlich 1. die Schutzklausel, worin der König erklärt, daſs er den Schutz- suchenden in seinen Schutz aufgenommen habe, 2. die Friedensbann- klausel, welche jede Verletzung des Schützlings verbietet, und 3. die Reklamationsklausel, die dem Schützling das Recht gewährt, seine Streitsachen an den Königshof zu dingen. Eine bedeutsame Rolle spielt die Verleihung von Mundbriefen an Klöster 23. Von Hause aus hatten den besonderen Königsschutz die Klöster, die sich im Eigentum des Königs (in dominio regis) be- fanden 24, das heiſst jene, die aus Krongut gestiftet oder dem König, um der Kirche die rechtliche Stellung des Königsgutes zu verschaffen, übereignet worden waren 25. Der ihnen gebührende Königsschutz wurde mitunter durch Mundbriefe besonders bestätigt. Nichtkönig- liche Klöster konnten den besonderen Königsschutz durch königliche Verleihung erlangen. Sofern sie von der Kommendation abhing, muſste der Abt des Klosters sie vornehmen und muſste die Kommen- dation bei Thronfall, und wenn der Abt wechselte, wiederholt werden. Da das Schutzverhältnis eine persönliche Abhängigkeit des Schütz- lings vom Schutzherrn herbeiführte, drohte der Eintritt von Kirchen und von Klerikern in Schutzverhältnisse zu Laien dem festen Gefüge der fränkischen Kirchenverfassung gefährlich zu werden. Darum findet 21 Marculf I 24, Zeumer S. 58. Marc. Add. 2, Zeumer S. 111, Form. Flavin. Nr. 69, Zeumer S. 484. Form. imper. Nr. 48, Zeumer S. 323. Vgl. Carta Senon. Nr. 28, Zeumer S. 197. Form. imper. Nr. 32. 41. 55, Zeumer S. 311. 318. 326. 22 Form. Bitur. Nr. 14, Zeumer S. 174. 23 Der älteste königliche Schutzbrief der karolingischen Zeit ist Pippin für Anisola v. J. 752, Mühlbacher Nr. 64. Drei merowingische Schutzbriefe für Anisola, Pertz, Dipl. M. 4. 9. 50, sind mindestens verunechtet. Havet, Questions Mérovingiennes IV erklärt sie für falsch. 24 Karl der Kahle für das Marienkloster in der Pfalz zu Compiègne v. J. 877, Bouquet VIII 661, Nr. 272: et quia praefatas res omnes ex fiscis nostris fuisse constat, volumus … ut sub ea lege qua res fisci nostri iugiter maneant atque sub eo mundeburde et defensione tueantur ac defendantur et sub ea tuitione imperiali consistant, qua coenobia Prumia scilicet, quod atavus noster construxit, et monasterium sanctimonialium Lauduno … constructum consistere noscuntur. Vgl. Bouquet VIII 555, Nr. 150 v. J. 859 für Beaulieu: sic in nostra protectione sub im- munitatis titulo suscipimus, sicut ea monasteria, quae sive praedecessores nostri de suo aedificaverint sive a bonis nostris aedificata sibi conservanda susceperint. 25 Karolingische Eigenklöster waren z. B. Prüm und Epternach, tradierte Klöster z. B. Aniane, Hersfeld, Onolzbach. Vgl. Th. Sickel, Beiträge III 35. 98.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/70>, abgerufen am 28.04.2024.