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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 66. Königsschutz.
sich nicht nur kein Beispiel, dass ein Bischof sich kommendiert hätte,
um für sich und sein Bistum den Sonderschutz des Königs zu er-
langen, sondern der Episkopat bekämpfte auch die Kommendation
von Klerikern schlechtweg als dem kirchlichen Interesse zuwiderlaufend.
Auch die Aufnahme von Klöstern in den besonderen Königsschutz
sahen die fränkischen Bischöfe mit scheelen Augen an, weil sie die
Unterordnung der Klöster unter die bischöfliche Gewalt erschwerte.
Fränkische Konzilien des siebenten Jahrhunderts verboten den Ein-
tritt eines Klerikers in ein Schutzverhältnis, sofern nicht sein Bischof
einwillige. Äbten und Mönchen, Priestern und anderen Klerikern26
wurde insbesondere untersagt, sich eigenmächtig zum König oder zu
einem Mächtigen zu begeben, um sich in dessen Schutz aufnehmen
zu lassen27. Chlothar II. sanktionierte dieses kirchliche Verbot in
seinem Edikte von 614, aber nur mit dem Zusatz, dass der Kleriker,
der mit des Königs Brief zum Bischof zurückkehre, für entschuldigt
gelten solle28.

Andererseits suchte die Kirche die Eingehung von Schutzverhält-
nissen entbehrlich zu machen und die Vorteile des besonderen Königs-
schutzes auf anderem Wege zu erlangen. Ihr Ziel war die volle
rechtliche Gleichstellung des Kirchengutes mit dem Königsgute. Wenn
sie es auch nicht erreichte, weil ihre Bemühungen an dem Wider-
stande der Laienaristokratie scheiterten29, so ist es ihr doch gelungen,
eine Reihe von erheblichen Konzessionen einzuheimsen.


26 Sie dürfen nach kanonischer Satzung das Bistum nicht ohne Reisepass des
Bischofs verlassen. Löning, Kirchenrecht II 327.
27 Concil. Paris. v. J. 614 c. 5 bei Friedrich, Drei unedierte Concilien der
Merowingerzeit S. 9: ut si quis clericus, quolibet honore monitus contemto episcopo
suo ad principem vel ad potentiores homines vel ubi et ubi ambularit vel sibi pa-
tronum elegerit, non recipiatur praeter ut veniam debeat promereri. Konzil von
Chalons (644--650), Mansi X 1189, c. 15: ut abbates et monachi aut agentes
monasteriorum patrocinio saeculari penitus non utantur, nec ad principis praesen-
tiam sine episcopi sui permissu ambulare audeant. Synode von Bordeaux (660 bis
673) c. 2 bei Maassen, Zwei Synoden unter König Childerich II. (1867): similiter
presbyteri, diaconi aut quicumque ex clero seculare mundeburdum nisi cum con-
venientia episcopi ... ausus fuerit ordine temerario habere ... (canonica feriantur
sententia). Vgl. die Synode des Aspasius von Elusa (Eauze in der Gascogne) v. J.
551, c. 4: .. si quis spreto suo pontifice ad laici patrocinia fortasse confugerit, cum
fuerit a suo episcopo repetitus et laicus eum defensare voluerit, .. eos excommuni-
cationis poena percellat. Friedrich a. O. S. 70.
28 Chloth. Edict. c. 3, Cap. I 21.
29 In dem Cap. miss. v. J. 829, c. 1, II 9, setzte die Kirche eine provisorische
Gleichstellung bis zur Entscheidung des nächsten Reichstages durch. Vgl. die
petitio der Bischöfe in der relatio episcoporum von 829, c. 34, Cap. II 39. Allein

§ 66. Königsschutz.
sich nicht nur kein Beispiel, daſs ein Bischof sich kommendiert hätte,
um für sich und sein Bistum den Sonderschutz des Königs zu er-
langen, sondern der Episkopat bekämpfte auch die Kommendation
von Klerikern schlechtweg als dem kirchlichen Interesse zuwiderlaufend.
Auch die Aufnahme von Klöstern in den besonderen Königsschutz
sahen die fränkischen Bischöfe mit scheelen Augen an, weil sie die
Unterordnung der Klöster unter die bischöfliche Gewalt erschwerte.
Fränkische Konzilien des siebenten Jahrhunderts verboten den Ein-
tritt eines Klerikers in ein Schutzverhältnis, sofern nicht sein Bischof
einwillige. Äbten und Mönchen, Priestern und anderen Klerikern26
wurde insbesondere untersagt, sich eigenmächtig zum König oder zu
einem Mächtigen zu begeben, um sich in dessen Schutz aufnehmen
zu lassen27. Chlothar II. sanktionierte dieses kirchliche Verbot in
seinem Edikte von 614, aber nur mit dem Zusatz, daſs der Kleriker,
der mit des Königs Brief zum Bischof zurückkehre, für entschuldigt
gelten solle28.

Andererseits suchte die Kirche die Eingehung von Schutzverhält-
nissen entbehrlich zu machen und die Vorteile des besonderen Königs-
schutzes auf anderem Wege zu erlangen. Ihr Ziel war die volle
rechtliche Gleichstellung des Kirchengutes mit dem Königsgute. Wenn
sie es auch nicht erreichte, weil ihre Bemühungen an dem Wider-
stande der Laienaristokratie scheiterten29, so ist es ihr doch gelungen,
eine Reihe von erheblichen Konzessionen einzuheimsen.


26 Sie dürfen nach kanonischer Satzung das Bistum nicht ohne Reisepaſs des
Bischofs verlassen. Löning, Kirchenrecht II 327.
27 Concil. Paris. v. J. 614 c. 5 bei Friedrich, Drei unedierte Concilien der
Merowingerzeit S. 9: ut si quis clericus, quolibet honore monitus contemto episcopo
suo ad principem vel ad potentiores homines vel ubi et ubi ambularit vel sibi pa-
tronum elegerit, non recipiatur praeter ut veniam debeat promereri. Konzil von
Chalons (644—650), Mansi X 1189, c. 15: ut abbates et monachi aut agentes
monasteriorum patrocinio saeculari penitus non utantur, nec ad principis praesen-
tiam sine episcopi sui permissu ambulare audeant. Synode von Bordeaux (660 bis
673) c. 2 bei Maaſsen, Zwei Synoden unter König Childerich II. (1867): similiter
presbyteri, diaconi aut quicumque ex clero seculare mundeburdum nisi cum con-
venientia episcopi … ausus fuerit ordine temerario habere … (canonica feriantur
sententia). Vgl. die Synode des Aspasius von Elusa (Eauze in der Gascogne) v. J.
551, c. 4: .. si quis spreto suo pontifice ad laici patrocinia fortasse confugerit, cum
fuerit a suo episcopo repetitus et laicus eum defensare voluerit, .. eos excommuni-
cationis poena percellat. Friedrich a. O. S. 70.
28 Chloth. Edict. c. 3, Cap. I 21.
29 In dem Cap. miss. v. J. 829, c. 1, II 9, setzte die Kirche eine provisorische
Gleichstellung bis zur Entscheidung des nächsten Reichstages durch. Vgl. die
petitio der Bischöfe in der relatio episcoporum von 829, c. 34, Cap. II 39. Allein
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[53/0071] § 66. Königsschutz. sich nicht nur kein Beispiel, daſs ein Bischof sich kommendiert hätte, um für sich und sein Bistum den Sonderschutz des Königs zu er- langen, sondern der Episkopat bekämpfte auch die Kommendation von Klerikern schlechtweg als dem kirchlichen Interesse zuwiderlaufend. Auch die Aufnahme von Klöstern in den besonderen Königsschutz sahen die fränkischen Bischöfe mit scheelen Augen an, weil sie die Unterordnung der Klöster unter die bischöfliche Gewalt erschwerte. Fränkische Konzilien des siebenten Jahrhunderts verboten den Ein- tritt eines Klerikers in ein Schutzverhältnis, sofern nicht sein Bischof einwillige. Äbten und Mönchen, Priestern und anderen Klerikern 26 wurde insbesondere untersagt, sich eigenmächtig zum König oder zu einem Mächtigen zu begeben, um sich in dessen Schutz aufnehmen zu lassen 27. Chlothar II. sanktionierte dieses kirchliche Verbot in seinem Edikte von 614, aber nur mit dem Zusatz, daſs der Kleriker, der mit des Königs Brief zum Bischof zurückkehre, für entschuldigt gelten solle 28. Andererseits suchte die Kirche die Eingehung von Schutzverhält- nissen entbehrlich zu machen und die Vorteile des besonderen Königs- schutzes auf anderem Wege zu erlangen. Ihr Ziel war die volle rechtliche Gleichstellung des Kirchengutes mit dem Königsgute. Wenn sie es auch nicht erreichte, weil ihre Bemühungen an dem Wider- stande der Laienaristokratie scheiterten 29, so ist es ihr doch gelungen, eine Reihe von erheblichen Konzessionen einzuheimsen. 26 Sie dürfen nach kanonischer Satzung das Bistum nicht ohne Reisepaſs des Bischofs verlassen. Löning, Kirchenrecht II 327. 27 Concil. Paris. v. J. 614 c. 5 bei Friedrich, Drei unedierte Concilien der Merowingerzeit S. 9: ut si quis clericus, quolibet honore monitus contemto episcopo suo ad principem vel ad potentiores homines vel ubi et ubi ambularit vel sibi pa- tronum elegerit, non recipiatur praeter ut veniam debeat promereri. Konzil von Chalons (644—650), Mansi X 1189, c. 15: ut abbates et monachi aut agentes monasteriorum patrocinio saeculari penitus non utantur, nec ad principis praesen- tiam sine episcopi sui permissu ambulare audeant. Synode von Bordeaux (660 bis 673) c. 2 bei Maaſsen, Zwei Synoden unter König Childerich II. (1867): similiter presbyteri, diaconi aut quicumque ex clero seculare mundeburdum nisi cum con- venientia episcopi … ausus fuerit ordine temerario habere … (canonica feriantur sententia). Vgl. die Synode des Aspasius von Elusa (Eauze in der Gascogne) v. J. 551, c. 4: .. si quis spreto suo pontifice ad laici patrocinia fortasse confugerit, cum fuerit a suo episcopo repetitus et laicus eum defensare voluerit, .. eos excommuni- cationis poena percellat. Friedrich a. O. S. 70. 28 Chloth. Edict. c. 3, Cap. I 21. 29 In dem Cap. miss. v. J. 829, c. 1, II 9, setzte die Kirche eine provisorische Gleichstellung bis zur Entscheidung des nächsten Reichstages durch. Vgl. die petitio der Bischöfe in der relatio episcoporum von 829, c. 34, Cap. II 39. Allein

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/71>, abgerufen am 28.04.2024.