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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 128. Mitthäterschaft und Teilnahme.
schuldigt und dadurch dessen Tod herbeiführt, verwirkt nach jüngeren
Texten der Lex Salica das halbe Wergeld, wogegen der Todschläger
die ganze Leudis büssen muss. Der Fall ist so zu denken, dass infolge
der Verleumdung der Angestiftete zu grundloser und daher rechts-
widriger Fehde schreitet und der Verleumdete seiner Rache zum
Opfer fällt 20.

Ähnlich wie in den deutschen hat sich in den skandinavischen
Rechten die Strafbarkeit der Anstiftung erst allmählich und zwar zu-
nächst nur in Bezug auf bestimmte Verbrechen entwickelt. Laut den
Rechtsbüchern der Landschaft Schonen, die aus dem Anfang des drei-
zehnten Jahrhunderts stammen, haftete man wegen Anstiftung nur in
drei bestimmten Fällen, nämlich wenn sie einen Todschlag, eine rechts-
widrige Bindung, oder eine Heimsuchung veranlasste 21. Nach alt-
schwedischem Rechte hatte der Anstifter eines Todschlags zwar eine
Busse an die Sippe der toten Hand, aber kein Friedensgeld an die
öffentliche Gewalt zu entrichten 22.

Für die Missethat des Knechtes oder des Liten, die der Herr ihm be-
fohlen oder auch nur wissentlich geduldet hatte, haftete er als Thäter 23.
Ebenso trug, wer einen fremden Knecht veranlasst hatte, ein Ver-
brechen zu begehen, für dieses die Verantwortung. So verwirkte
nach der Lex Salica, wer einen Knecht seinem Herrn entfremdete,
für das, was der Knecht etwa mitnahm, eine Diebstahlsbusse 24. So
büsste nach westgotischem und bairischem Rechte der Freie den Dieb-
stahl, zu dem er einen fremden Knecht angestiftet hatte, während der
Herr nicht nur von persönlicher Haftung freiblieb, sondern nicht ein-
mal den schuldigen Knecht auszuliefern brauchte 25. Desgleichen
haftete als Thäter, wer ein fremdes Tier hetzte, so dass es Menschen
oder Vieh beschädigte 26.

Wie die Anstiftung war auch die Beihilfe im älteren Rechte
straflos. Erst die fortschreitende Rechtsentwicklung schuf einzelne
typische Fälle strafbarer Beihilfe. Typisch gestaltete sie auch die
verschiedenen Grade der Beihilfe, insbesondere den Unterschied hand-
thätiger Teilnahme und blosser Gefolgschaft.


20 Lex Sal. 41, 11 (Cod. 5. 6. Herold 16. Emend. 14). Die Anstiftung wird
hier ähnlich bestraft wie die falsche Anklage vor dem König in Lex Sal. 18, 1. 2.
21 Skanelagen 108. 109. Sunesen 63.
22 Wilda, Strafr. S. 610. v. Amira, Obligationenrecht I 711.
23 Lex Fris. 1, 14. Lex Sax. 18. 50.
24 Lex Sal. 10, 2.
25 Lex Baiuw. IX 6. Lex Wisig. VII 2, 6.
26 Roth. 322. Stobbe, Deutsches Privatrecht III 403, Anm. 5.

§ 128. Mitthäterschaft und Teilnahme.
schuldigt und dadurch dessen Tod herbeiführt, verwirkt nach jüngeren
Texten der Lex Salica das halbe Wergeld, wogegen der Todschläger
die ganze Leudis büſsen muſs. Der Fall ist so zu denken, daſs infolge
der Verleumdung der Angestiftete zu grundloser und daher rechts-
widriger Fehde schreitet und der Verleumdete seiner Rache zum
Opfer fällt 20.

Ähnlich wie in den deutschen hat sich in den skandinavischen
Rechten die Strafbarkeit der Anstiftung erst allmählich und zwar zu-
nächst nur in Bezug auf bestimmte Verbrechen entwickelt. Laut den
Rechtsbüchern der Landschaft Schonen, die aus dem Anfang des drei-
zehnten Jahrhunderts stammen, haftete man wegen Anstiftung nur in
drei bestimmten Fällen, nämlich wenn sie einen Todschlag, eine rechts-
widrige Bindung, oder eine Heimsuchung veranlaſste 21. Nach alt-
schwedischem Rechte hatte der Anstifter eines Todschlags zwar eine
Buſse an die Sippe der toten Hand, aber kein Friedensgeld an die
öffentliche Gewalt zu entrichten 22.

Für die Missethat des Knechtes oder des Liten, die der Herr ihm be-
fohlen oder auch nur wissentlich geduldet hatte, haftete er als Thäter 23.
Ebenso trug, wer einen fremden Knecht veranlaſst hatte, ein Ver-
brechen zu begehen, für dieses die Verantwortung. So verwirkte
nach der Lex Salica, wer einen Knecht seinem Herrn entfremdete,
für das, was der Knecht etwa mitnahm, eine Diebstahlsbuſse 24. So
büſste nach westgotischem und bairischem Rechte der Freie den Dieb-
stahl, zu dem er einen fremden Knecht angestiftet hatte, während der
Herr nicht nur von persönlicher Haftung freiblieb, sondern nicht ein-
mal den schuldigen Knecht auszuliefern brauchte 25. Desgleichen
haftete als Thäter, wer ein fremdes Tier hetzte, so daſs es Menschen
oder Vieh beschädigte 26.

Wie die Anstiftung war auch die Beihilfe im älteren Rechte
straflos. Erst die fortschreitende Rechtsentwicklung schuf einzelne
typische Fälle strafbarer Beihilfe. Typisch gestaltete sie auch die
verschiedenen Grade der Beihilfe, insbesondere den Unterschied hand-
thätiger Teilnahme und bloſser Gefolgschaft.


20 Lex Sal. 41, 11 (Cod. 5. 6. Herold 16. Emend. 14). Die Anstiftung wird
hier ähnlich bestraft wie die falsche Anklage vor dem König in Lex Sal. 18, 1. 2.
21 Skånelagen 108. 109. Sunesen 63.
22 Wilda, Strafr. S. 610. v. Amira, Obligationenrecht I 711.
23 Lex Fris. 1, 14. Lex Sax. 18. 50.
24 Lex Sal. 10, 2.
25 Lex Baiuw. IX 6. Lex Wisig. VII 2, 6.
26 Roth. 322. Stobbe, Deutsches Privatrecht III 403, Anm. 5.
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[569/0587] § 128. Mitthäterschaft und Teilnahme. schuldigt und dadurch dessen Tod herbeiführt, verwirkt nach jüngeren Texten der Lex Salica das halbe Wergeld, wogegen der Todschläger die ganze Leudis büſsen muſs. Der Fall ist so zu denken, daſs infolge der Verleumdung der Angestiftete zu grundloser und daher rechts- widriger Fehde schreitet und der Verleumdete seiner Rache zum Opfer fällt 20. Ähnlich wie in den deutschen hat sich in den skandinavischen Rechten die Strafbarkeit der Anstiftung erst allmählich und zwar zu- nächst nur in Bezug auf bestimmte Verbrechen entwickelt. Laut den Rechtsbüchern der Landschaft Schonen, die aus dem Anfang des drei- zehnten Jahrhunderts stammen, haftete man wegen Anstiftung nur in drei bestimmten Fällen, nämlich wenn sie einen Todschlag, eine rechts- widrige Bindung, oder eine Heimsuchung veranlaſste 21. Nach alt- schwedischem Rechte hatte der Anstifter eines Todschlags zwar eine Buſse an die Sippe der toten Hand, aber kein Friedensgeld an die öffentliche Gewalt zu entrichten 22. Für die Missethat des Knechtes oder des Liten, die der Herr ihm be- fohlen oder auch nur wissentlich geduldet hatte, haftete er als Thäter 23. Ebenso trug, wer einen fremden Knecht veranlaſst hatte, ein Ver- brechen zu begehen, für dieses die Verantwortung. So verwirkte nach der Lex Salica, wer einen Knecht seinem Herrn entfremdete, für das, was der Knecht etwa mitnahm, eine Diebstahlsbuſse 24. So büſste nach westgotischem und bairischem Rechte der Freie den Dieb- stahl, zu dem er einen fremden Knecht angestiftet hatte, während der Herr nicht nur von persönlicher Haftung freiblieb, sondern nicht ein- mal den schuldigen Knecht auszuliefern brauchte 25. Desgleichen haftete als Thäter, wer ein fremdes Tier hetzte, so daſs es Menschen oder Vieh beschädigte 26. Wie die Anstiftung war auch die Beihilfe im älteren Rechte straflos. Erst die fortschreitende Rechtsentwicklung schuf einzelne typische Fälle strafbarer Beihilfe. Typisch gestaltete sie auch die verschiedenen Grade der Beihilfe, insbesondere den Unterschied hand- thätiger Teilnahme und bloſser Gefolgschaft. 20 Lex Sal. 41, 11 (Cod. 5. 6. Herold 16. Emend. 14). Die Anstiftung wird hier ähnlich bestraft wie die falsche Anklage vor dem König in Lex Sal. 18, 1. 2. 21 Skånelagen 108. 109. Sunesen 63. 22 Wilda, Strafr. S. 610. v. Amira, Obligationenrecht I 711. 23 Lex Fris. 1, 14. Lex Sax. 18. 50. 24 Lex Sal. 10, 2. 25 Lex Baiuw. IX 6. Lex Wisig. VII 2, 6. 26 Roth. 322. Stobbe, Deutsches Privatrecht III 403, Anm. 5.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/587>, abgerufen am 18.05.2024.