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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 128. Mitthäterschaft und Teilnahme.

Den weitesten Raum gab der Bestrafung des Anstifters das lango-
bardische Recht. Trotzdem blieb sie auch hier auf einige wenige
Fälle beschränkt. Rothari kannte eine strafbare Anstiftung nur bei
Todschlag 14. Liutprand normierte dann besondere Anstiftungsbussen
bei Meineid, Brandstiftung und Frauenraub 15. Sie betrugen 100, 50,
40 Solidi, je nachdem die den Thäter treffenden Bussen sich auf 900,
300 oder weniger als 300 Solidi beliefen, waren also bedeutend niedri-
ger als diese angesetzt. Dagegen bestimmte eine andere Novelle des-
selben Königs, dass, wer in eigener Sache, also zu eigenem Vorteil,
einen andern zu falschem Zeugnis oder zur Bekräftigung einer falschen
Urkunde verleitet, gleiche Busse wie der Thäter, nämlich das eigene
Wergeld, zahlen solle 16.

Das salfränkische Recht kennt nur vereinzelte Anstiftungsdelikte.
Die Lex Salica straft mit der Busse der Lebensgefährdung denjenigen,
der einen andern gegen Lohn dingt, um einen Todschlag auszuführen,
und ebenso den Gedungenen, der den Lohn angenommen, aber die
That nicht ausgeführt hat 17. Gelangte der Todschlag zur Ausführung,
so büsst der Todschläger das Wergeld, während der Anstifter nach
älterem Rechte nur jene Anstiftungsbusse, nach jüngerem, wie es
scheint, das halbe Wergeld 18 zu zahlen hat. Die Lex Salica emendata
erwähnt auch ein Gedinge auf Leichenberaubung und legt für diese dem
Anstifter die Zahlung des vollen Wergeldes auf 19. Wer bei einem Ge-
nossen einen Dritten verleumderischer Weise eines Verbrechens be-

14 Roth. 202. Vgl. Roth. 166. Die Anstiftung wird im Edikt als consilium
bezeichnet.
15 Liu. 72. Die ältere langobardische Jurisprudenz beschränkte die Straf-
satzung Liutprands auf die dort angegebenen drei Fälle und lehnte es ab, sie auf
andere Fälle der Anstiftung auszudehnen. Die Expositio zu Liu. 71 (72) bemerkt,
wer in anderer Sache als consiliator schuldig sei, könne iuxta Romanorum legem
wegen dolus belangt werden. Im zwölften Jahrhundert trat noch Ariprand als Ver-
treter der engeren Auslegung von Liu. 72 auf, während Albertus die analoge An-
wendung auf andere Fälle von Anstiftung verfocht. Lombarda-Commentare I 4.
Vgl. Siegel, Lombarda-Commentare S. 6 f.
16 Liu. 63.
17 Lex Sal. 28, 1. 2: si in furtum elocatus (accepto pretio) hominem occidere
voluerit (et non fecerit) ... Das Gedinge stellt sich auf Seite des elocator als An-
stiftungs-, auf Seite des elocatus als Versuchsdelikt dar. Der Wille der Tötung
hat sich in dem Versprechen der Tötung und in der Annahme des Lohns mani-
festiert. Auch Ausführungshandlungen können hinzugekommen sein, nur dass die
Tötung unterblieb.
18 Lex Sal. Herold 31, 1 (Hessels 28, 1, Cod. 10).
19 Lex Sal. emend. 57, 6 (Hessels 55). Vorausgesetzt wird, dass die Misse-
that zur Ausführung kam.
§ 128. Mitthäterschaft und Teilnahme.

Den weitesten Raum gab der Bestrafung des Anstifters das lango-
bardische Recht. Trotzdem blieb sie auch hier auf einige wenige
Fälle beschränkt. Rothari kannte eine strafbare Anstiftung nur bei
Todschlag 14. Liutprand normierte dann besondere Anstiftungsbuſsen
bei Meineid, Brandstiftung und Frauenraub 15. Sie betrugen 100, 50,
40 Solidi, je nachdem die den Thäter treffenden Buſsen sich auf 900,
300 oder weniger als 300 Solidi beliefen, waren also bedeutend niedri-
ger als diese angesetzt. Dagegen bestimmte eine andere Novelle des-
selben Königs, daſs, wer in eigener Sache, also zu eigenem Vorteil,
einen andern zu falschem Zeugnis oder zur Bekräftigung einer falschen
Urkunde verleitet, gleiche Buſse wie der Thäter, nämlich das eigene
Wergeld, zahlen solle 16.

Das salfränkische Recht kennt nur vereinzelte Anstiftungsdelikte.
Die Lex Salica straft mit der Buſse der Lebensgefährdung denjenigen,
der einen andern gegen Lohn dingt, um einen Todschlag auszuführen,
und ebenso den Gedungenen, der den Lohn angenommen, aber die
That nicht ausgeführt hat 17. Gelangte der Todschlag zur Ausführung,
so büſst der Todschläger das Wergeld, während der Anstifter nach
älterem Rechte nur jene Anstiftungsbuſse, nach jüngerem, wie es
scheint, das halbe Wergeld 18 zu zahlen hat. Die Lex Salica emendata
erwähnt auch ein Gedinge auf Leichenberaubung und legt für diese dem
Anstifter die Zahlung des vollen Wergeldes auf 19. Wer bei einem Ge-
nossen einen Dritten verleumderischer Weise eines Verbrechens be-

14 Roth. 202. Vgl. Roth. 166. Die Anstiftung wird im Edikt als consilium
bezeichnet.
15 Liu. 72. Die ältere langobardische Jurisprudenz beschränkte die Straf-
satzung Liutprands auf die dort angegebenen drei Fälle und lehnte es ab, sie auf
andere Fälle der Anstiftung auszudehnen. Die Expositio zu Liu. 71 (72) bemerkt,
wer in anderer Sache als consiliator schuldig sei, könne iuxta Romanorum legem
wegen dolus belangt werden. Im zwölften Jahrhundert trat noch Ariprand als Ver-
treter der engeren Auslegung von Liu. 72 auf, während Albertus die analoge An-
wendung auf andere Fälle von Anstiftung verfocht. Lombarda-Commentare I 4.
Vgl. Siegel, Lombarda-Commentare S. 6 f.
16 Liu. 63.
17 Lex Sal. 28, 1. 2: si in furtum elocatus (accepto pretio) hominem occidere
voluerit (et non fecerit) … Das Gedinge stellt sich auf Seite des elocator als An-
stiftungs-, auf Seite des elocatus als Versuchsdelikt dar. Der Wille der Tötung
hat sich in dem Versprechen der Tötung und in der Annahme des Lohns mani-
festiert. Auch Ausführungshandlungen können hinzugekommen sein, nur daſs die
Tötung unterblieb.
18 Lex Sal. Herold 31, 1 (Hessels 28, 1, Cod. 10).
19 Lex Sal. emend. 57, 6 (Hessels 55). Vorausgesetzt wird, daſs die Misse-
that zur Ausführung kam.
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[568/0586] § 128. Mitthäterschaft und Teilnahme. Den weitesten Raum gab der Bestrafung des Anstifters das lango- bardische Recht. Trotzdem blieb sie auch hier auf einige wenige Fälle beschränkt. Rothari kannte eine strafbare Anstiftung nur bei Todschlag 14. Liutprand normierte dann besondere Anstiftungsbuſsen bei Meineid, Brandstiftung und Frauenraub 15. Sie betrugen 100, 50, 40 Solidi, je nachdem die den Thäter treffenden Buſsen sich auf 900, 300 oder weniger als 300 Solidi beliefen, waren also bedeutend niedri- ger als diese angesetzt. Dagegen bestimmte eine andere Novelle des- selben Königs, daſs, wer in eigener Sache, also zu eigenem Vorteil, einen andern zu falschem Zeugnis oder zur Bekräftigung einer falschen Urkunde verleitet, gleiche Buſse wie der Thäter, nämlich das eigene Wergeld, zahlen solle 16. Das salfränkische Recht kennt nur vereinzelte Anstiftungsdelikte. Die Lex Salica straft mit der Buſse der Lebensgefährdung denjenigen, der einen andern gegen Lohn dingt, um einen Todschlag auszuführen, und ebenso den Gedungenen, der den Lohn angenommen, aber die That nicht ausgeführt hat 17. Gelangte der Todschlag zur Ausführung, so büſst der Todschläger das Wergeld, während der Anstifter nach älterem Rechte nur jene Anstiftungsbuſse, nach jüngerem, wie es scheint, das halbe Wergeld 18 zu zahlen hat. Die Lex Salica emendata erwähnt auch ein Gedinge auf Leichenberaubung und legt für diese dem Anstifter die Zahlung des vollen Wergeldes auf 19. Wer bei einem Ge- nossen einen Dritten verleumderischer Weise eines Verbrechens be- 14 Roth. 202. Vgl. Roth. 166. Die Anstiftung wird im Edikt als consilium bezeichnet. 15 Liu. 72. Die ältere langobardische Jurisprudenz beschränkte die Straf- satzung Liutprands auf die dort angegebenen drei Fälle und lehnte es ab, sie auf andere Fälle der Anstiftung auszudehnen. Die Expositio zu Liu. 71 (72) bemerkt, wer in anderer Sache als consiliator schuldig sei, könne iuxta Romanorum legem wegen dolus belangt werden. Im zwölften Jahrhundert trat noch Ariprand als Ver- treter der engeren Auslegung von Liu. 72 auf, während Albertus die analoge An- wendung auf andere Fälle von Anstiftung verfocht. Lombarda-Commentare I 4. Vgl. Siegel, Lombarda-Commentare S. 6 f. 16 Liu. 63. 17 Lex Sal. 28, 1. 2: si in furtum elocatus (accepto pretio) hominem occidere voluerit (et non fecerit) … Das Gedinge stellt sich auf Seite des elocator als An- stiftungs-, auf Seite des elocatus als Versuchsdelikt dar. Der Wille der Tötung hat sich in dem Versprechen der Tötung und in der Annahme des Lohns mani- festiert. Auch Ausführungshandlungen können hinzugekommen sein, nur daſs die Tötung unterblieb. 18 Lex Sal. Herold 31, 1 (Hessels 28, 1, Cod. 10). 19 Lex Sal. emend. 57, 6 (Hessels 55). Vorausgesetzt wird, daſs die Misse- that zur Ausführung kam.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/586>, abgerufen am 22.11.2024.