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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 128. Mitthäterschaft und Teilnahme.
teiligt, so sollte nach einer in die Lex Ribuaria aufgenommenen könig-
lichen Satzung jeder von ihnen die volle Diebstahlsbusse, bei Heerden-
diebstahl 600 Solidi büssen. Waren es mehrere Knechte, so hatte jeder
von ihnen 36 Solidi verwirkt. Die Busse von 600 Solidi dürfte aus
dem Preise für erschwerte Lösung der Acht, die von 36 Solidi aus der
Summe hervorgegangen sein, um die der Herr das verwirkte Leben des
Knechtes erkaufte 9.

Von der Mitthäterschaft wird die Teilnahme, sowohl die intellektuelle
als die physische, grundsätzlich unterschieden.

Die Anstiftung erscheint in den Quellen als consilium, später als
Rat, Ausdrücke, die aber auch andere Fälle intellektueller Teilnahme
in sich schliessen. Für bestimmte Arten der Anstiftung wird exponere,
elocare gebraucht. Eine Titelrubrik der Lex Frisionum nennt den
Anstifter forresni 10. In Schweden heisst der Anstifter eines Todschlags,
derjenige, der einen anderen zu Tode riet, rathsbani. Bei den Angel-
sachsen steht er als raedbana dem Thäter, daedbana (altsächsisch hand-
bano), gegenüber 11.

Auf die ursprüngliche Straflosigkeit der Anstiftung weisen Quellen-
aussprüche zurück, welche ausnahmsweise eine Haftung des Anstifters
aussprechen. Nach dem friesischen Volksrechte haftet der Anstifter
eines Todschlags nur subsidiär und zwar nur für ein Drittel des Wer-
geldes, in welchem nach friesischem Rechte das Friedensgeld bekannt-
lich nicht einbegriffen ist. Die subsidiäre Haftung tritt ein, wenn der
Todschläger flüchtig geworden ist. Andernfalls müssen sich die Magen
wegen des ganzen Wergeldes an den Todschläger und dessen Sippe
halten und ist der Anstifter nur der Fehde ausgesetzt, während ein
gerichtlicher Anspruch gegen ihn nicht geltend gemacht werden kann.
Dieselben Grundsätze galten in analoger Anwendung für die Verleitung
zum Diebstahl 12. Dass dem fränkischen Volksrechte eine Busse für
Anstiftung zum Meineide fehlte, lässt eine Verlegenheitsvorschrift Lud-
wigs I. erschliessen, wonach der Anstifter vor den König gebracht
werden soll, damit dieser mit seinen Getreuen berate, wie mit ihm
zu verfahren sei 13.


9 Leben und Vermögen verwirkt jeder der Magen, die dazu mitwirken, dass
ein Kind entführt werde, nach Lex Sal. 71.
10 Lex Fris. 2. Dazu v. Richthofen, LL III 658, Anm. 21, der statt
forresni des Heroldschen Textes for-esni liest und das Wort als elocator, Ver-
löhner, deutet.
11 Aethelred VIII 23. Leges Henrici primi 85, 3.
12 Vgl. oben I 162. Lex Fris. 2, 11.
13 Cap. miss. Worm. v. J. 829, c. 6, II 15: sub fideiussione ad palatium
nostrum venire compellatur, ut ibi cum fidelibus nostris consideremus, quid de
tali homine faciendum sit.

§ 128. Mitthäterschaft und Teilnahme.
teiligt, so sollte nach einer in die Lex Ribuaria aufgenommenen könig-
lichen Satzung jeder von ihnen die volle Diebstahlsbuſse, bei Heerden-
diebstahl 600 Solidi büſsen. Waren es mehrere Knechte, so hatte jeder
von ihnen 36 Solidi verwirkt. Die Buſse von 600 Solidi dürfte aus
dem Preise für erschwerte Lösung der Acht, die von 36 Solidi aus der
Summe hervorgegangen sein, um die der Herr das verwirkte Leben des
Knechtes erkaufte 9.

Von der Mitthäterschaft wird die Teilnahme, sowohl die intellektuelle
als die physische, grundsätzlich unterschieden.

Die Anstiftung erscheint in den Quellen als consilium, später als
Rat, Ausdrücke, die aber auch andere Fälle intellektueller Teilnahme
in sich schlieſsen. Für bestimmte Arten der Anstiftung wird exponere,
elocare gebraucht. Eine Titelrubrik der Lex Frisionum nennt den
Anstifter forresni 10. In Schweden heiſst der Anstifter eines Todschlags,
derjenige, der einen anderen zu Tode riet, raþsbani. Bei den Angel-
sachsen steht er als rǽdbana dem Thäter, dǽdbana (altsächsisch hand-
bano), gegenüber 11.

Auf die ursprüngliche Straflosigkeit der Anstiftung weisen Quellen-
aussprüche zurück, welche ausnahmsweise eine Haftung des Anstifters
aussprechen. Nach dem friesischen Volksrechte haftet der Anstifter
eines Todschlags nur subsidiär und zwar nur für ein Drittel des Wer-
geldes, in welchem nach friesischem Rechte das Friedensgeld bekannt-
lich nicht einbegriffen ist. Die subsidiäre Haftung tritt ein, wenn der
Todschläger flüchtig geworden ist. Andernfalls müssen sich die Magen
wegen des ganzen Wergeldes an den Todschläger und dessen Sippe
halten und ist der Anstifter nur der Fehde ausgesetzt, während ein
gerichtlicher Anspruch gegen ihn nicht geltend gemacht werden kann.
Dieselben Grundsätze galten in analoger Anwendung für die Verleitung
zum Diebstahl 12. Dass dem fränkischen Volksrechte eine Buſse für
Anstiftung zum Meineide fehlte, läſst eine Verlegenheitsvorschrift Lud-
wigs I. erschlieſsen, wonach der Anstifter vor den König gebracht
werden soll, damit dieser mit seinen Getreuen berate, wie mit ihm
zu verfahren sei 13.


9 Leben und Vermögen verwirkt jeder der Magen, die dazu mitwirken, daſs
ein Kind entführt werde, nach Lex Sal. 71.
10 Lex Fris. 2. Dazu v. Richthofen, LL III 658, Anm. 21, der statt
forresni des Heroldschen Textes for-esni liest und das Wort als elocator, Ver-
löhner, deutet.
11 Aethelred VIII 23. Leges Henrici primi 85, 3.
12 Vgl. oben I 162. Lex Fris. 2, 11.
13 Cap. miss. Worm. v. J. 829, c. 6, II 15: sub fideiussione ad palatium
nostrum venire compellatur, ut ibi cum fidelibus nostris consideremus, quid de
tali homine faciendum sit.
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[567/0585] § 128. Mitthäterschaft und Teilnahme. teiligt, so sollte nach einer in die Lex Ribuaria aufgenommenen könig- lichen Satzung jeder von ihnen die volle Diebstahlsbuſse, bei Heerden- diebstahl 600 Solidi büſsen. Waren es mehrere Knechte, so hatte jeder von ihnen 36 Solidi verwirkt. Die Buſse von 600 Solidi dürfte aus dem Preise für erschwerte Lösung der Acht, die von 36 Solidi aus der Summe hervorgegangen sein, um die der Herr das verwirkte Leben des Knechtes erkaufte 9. Von der Mitthäterschaft wird die Teilnahme, sowohl die intellektuelle als die physische, grundsätzlich unterschieden. Die Anstiftung erscheint in den Quellen als consilium, später als Rat, Ausdrücke, die aber auch andere Fälle intellektueller Teilnahme in sich schlieſsen. Für bestimmte Arten der Anstiftung wird exponere, elocare gebraucht. Eine Titelrubrik der Lex Frisionum nennt den Anstifter forresni 10. In Schweden heiſst der Anstifter eines Todschlags, derjenige, der einen anderen zu Tode riet, raþsbani. Bei den Angel- sachsen steht er als rǽdbana dem Thäter, dǽdbana (altsächsisch hand- bano), gegenüber 11. Auf die ursprüngliche Straflosigkeit der Anstiftung weisen Quellen- aussprüche zurück, welche ausnahmsweise eine Haftung des Anstifters aussprechen. Nach dem friesischen Volksrechte haftet der Anstifter eines Todschlags nur subsidiär und zwar nur für ein Drittel des Wer- geldes, in welchem nach friesischem Rechte das Friedensgeld bekannt- lich nicht einbegriffen ist. Die subsidiäre Haftung tritt ein, wenn der Todschläger flüchtig geworden ist. Andernfalls müssen sich die Magen wegen des ganzen Wergeldes an den Todschläger und dessen Sippe halten und ist der Anstifter nur der Fehde ausgesetzt, während ein gerichtlicher Anspruch gegen ihn nicht geltend gemacht werden kann. Dieselben Grundsätze galten in analoger Anwendung für die Verleitung zum Diebstahl 12. Dass dem fränkischen Volksrechte eine Buſse für Anstiftung zum Meineide fehlte, läſst eine Verlegenheitsvorschrift Lud- wigs I. erschlieſsen, wonach der Anstifter vor den König gebracht werden soll, damit dieser mit seinen Getreuen berate, wie mit ihm zu verfahren sei 13. 9 Leben und Vermögen verwirkt jeder der Magen, die dazu mitwirken, daſs ein Kind entführt werde, nach Lex Sal. 71. 10 Lex Fris. 2. Dazu v. Richthofen, LL III 658, Anm. 21, der statt forresni des Heroldschen Textes for-esni liest und das Wort als elocator, Ver- löhner, deutet. 11 Aethelred VIII 23. Leges Henrici primi 85, 3. 12 Vgl. oben I 162. Lex Fris. 2, 11. 13 Cap. miss. Worm. v. J. 829, c. 6, II 15: sub fideiussione ad palatium nostrum venire compellatur, ut ibi cum fidelibus nostris consideremus, quid de tali homine faciendum sit.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/585>, abgerufen am 17.05.2024.