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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 64. Der Königsbann.
wesen und Polizei, lassen sich als die drei Hauptarten des Verwaltungs-
bannes der Heerbann, der Gerichtsbann und der Polizeibann unter-
scheiden. Sie werden unten bei Darstellung der Unterthanenpflichten
zur Erörterung gelangen 27.

Den Verordnungsbann handhabt der König, um allgemein
verbindliche Gebote und Verbote zu erlassen 28, deren Übertretung die
Verwirkung der Bannbusse nach sich zieht. Die Stellung des Ver-
ordnungsbannes zum Volksrechte ist eine zweifache. Bei Bannstrafe
werden Handlungen und Unterlassungen verboten, die nach Volksrecht
erlaubt oder doch straflos sind. So verfällt der Bannbusse, wer
Unfreie in das Ausland verkauft 29, ferner in Sachsen und in Italien,
wer aussergerichtlich pfändet 30, in Sachsen, wer es versäumt, seine
Kinder vor Ablauf eines Jahres taufen zu lassen 31. Während nach
Volksrecht die Teilnahme am Verbrechen und der Versuch als solcher
im allgemeinen straflos sind, bietet der Königsbann eine Handhabe,
um den Teilnehmer und die Versuchshandlung zu treffen. Andrerseits
wird aber der Verordnungsbann auch verwendet, um dieselben recht-
lichen Thatbestände unter Strafe zu stellen, die bereits das Volksrecht
verpönt. So hat Karl der Grosse den Frauenraub, die Brandstiftung
und die Heimsuchung als besonders gefährliche Friedensbrüche unter
die Bannbusse gestellt, auch soweit sie bereits nach Volksrecht strafbar
waren. So bedrohte Karl der Kahle u. a. Raub, Hausbruch und ver-
messentlichen Todschlag mit der Bannstrafe 32. In solchen Fällen trat
der bannus in Konkurrenz mit dem fredus, der nach Volksrecht an
die öffentliche Gewalt zu zahlen war. Da aber bannus und fredus
von der Obrigkeit nicht wegen desselben Thatbestandes erhoben werden
konnten, so schloss der bannus den fredus aus 33. Den fredus durch

27 Siehe unten § 87 ff.
28 Vgl. oben I 277 ff. 380 f. Sohm a. O. S. 103 ff.
29 Cap. Mant. c. 7, I 190. Cap. Harist. c. 19, I 51.
30 Cap. de part. Sax. c. 25, I 70. Pipp. Cap. Pap. c. 14, I 200.
31 Cap. de part. Sax. c. 19, I 69.
32 Conv. Carisiac. v. J. 857, Cap. miss. c. 3, Pertz, LL I 455.
33 Einen Beleg bietet die Vergleichung von Lex Rib. 64 mit Lex Angl. et
Werin. 57. Nach jener verwirkten bei der Heimsuchung die tres priores 90 Schil-
linge (von welchen 60 an den Verletzten, 30 als fredus zu zahlen waren), die
übrigen Teilnehmer dagegen 15 Solidi (davon 10 als Busse, 5 als fredus). Die Lex
Angl. et Werin. ist der Lex Rib. nachgebildet, trägt aber der Thatsache Rechnung,
dass die Heimsuchung unter die Bannfälle aufgenommen worden war. Sie lässt
jeden der drei priores 60 Solidi an den Verletzten und 60 Solidi als Königsbann,
jeden der übrigen Teilnehmer 10 Solidi an den Verletzten und 60 Solidi in ban-
num regis bezahlen. Die Bussen, welche dem Verletzten zu teil werden, stimmen
im ribuarischen und im anglowarnischen Volksrechte überein. Die Friedens-

§ 64. Der Königsbann.
wesen und Polizei, lassen sich als die drei Hauptarten des Verwaltungs-
bannes der Heerbann, der Gerichtsbann und der Polizeibann unter-
scheiden. Sie werden unten bei Darstellung der Unterthanenpflichten
zur Erörterung gelangen 27.

Den Verordnungsbann handhabt der König, um allgemein
verbindliche Gebote und Verbote zu erlassen 28, deren Übertretung die
Verwirkung der Bannbuſse nach sich zieht. Die Stellung des Ver-
ordnungsbannes zum Volksrechte ist eine zweifache. Bei Bannstrafe
werden Handlungen und Unterlassungen verboten, die nach Volksrecht
erlaubt oder doch straflos sind. So verfällt der Bannbuſse, wer
Unfreie in das Ausland verkauft 29, ferner in Sachsen und in Italien,
wer auſsergerichtlich pfändet 30, in Sachsen, wer es versäumt, seine
Kinder vor Ablauf eines Jahres taufen zu lassen 31. Während nach
Volksrecht die Teilnahme am Verbrechen und der Versuch als solcher
im allgemeinen straflos sind, bietet der Königsbann eine Handhabe,
um den Teilnehmer und die Versuchshandlung zu treffen. Andrerseits
wird aber der Verordnungsbann auch verwendet, um dieselben recht-
lichen Thatbestände unter Strafe zu stellen, die bereits das Volksrecht
verpönt. So hat Karl der Groſse den Frauenraub, die Brandstiftung
und die Heimsuchung als besonders gefährliche Friedensbrüche unter
die Bannbuſse gestellt, auch soweit sie bereits nach Volksrecht strafbar
waren. So bedrohte Karl der Kahle u. a. Raub, Hausbruch und ver-
messentlichen Todschlag mit der Bannstrafe 32. In solchen Fällen trat
der bannus in Konkurrenz mit dem fredus, der nach Volksrecht an
die öffentliche Gewalt zu zahlen war. Da aber bannus und fredus
von der Obrigkeit nicht wegen desselben Thatbestandes erhoben werden
konnten, so schloſs der bannus den fredus aus 33. Den fredus durch

27 Siehe unten § 87 ff.
28 Vgl. oben I 277 ff. 380 f. Sohm a. O. S. 103 ff.
29 Cap. Mant. c. 7, I 190. Cap. Harist. c. 19, I 51.
30 Cap. de part. Sax. c. 25, I 70. Pipp. Cap. Pap. c. 14, I 200.
31 Cap. de part. Sax. c. 19, I 69.
32 Conv. Carisiac. v. J. 857, Cap. miss. c. 3, Pertz, LL I 455.
33 Einen Beleg bietet die Vergleichung von Lex Rib. 64 mit Lex Angl. et
Werin. 57. Nach jener verwirkten bei der Heimsuchung die tres priores 90 Schil-
linge (von welchen 60 an den Verletzten, 30 als fredus zu zahlen waren), die
übrigen Teilnehmer dagegen 15 Solidi (davon 10 als Buſse, 5 als fredus). Die Lex
Angl. et Werin. ist der Lex Rib. nachgebildet, trägt aber der Thatsache Rechnung,
daſs die Heimsuchung unter die Bannfälle aufgenommen worden war. Sie läſst
jeden der drei priores 60 Solidi an den Verletzten und 60 Solidi als Königsbann,
jeden der übrigen Teilnehmer 10 Solidi an den Verletzten und 60 Solidi in ban-
num regis bezahlen. Die Buſsen, welche dem Verletzten zu teil werden, stimmen
im ribuarischen und im anglowarnischen Volksrechte überein. Die Friedens-
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[39/0057] § 64. Der Königsbann. wesen und Polizei, lassen sich als die drei Hauptarten des Verwaltungs- bannes der Heerbann, der Gerichtsbann und der Polizeibann unter- scheiden. Sie werden unten bei Darstellung der Unterthanenpflichten zur Erörterung gelangen 27. Den Verordnungsbann handhabt der König, um allgemein verbindliche Gebote und Verbote zu erlassen 28, deren Übertretung die Verwirkung der Bannbuſse nach sich zieht. Die Stellung des Ver- ordnungsbannes zum Volksrechte ist eine zweifache. Bei Bannstrafe werden Handlungen und Unterlassungen verboten, die nach Volksrecht erlaubt oder doch straflos sind. So verfällt der Bannbuſse, wer Unfreie in das Ausland verkauft 29, ferner in Sachsen und in Italien, wer auſsergerichtlich pfändet 30, in Sachsen, wer es versäumt, seine Kinder vor Ablauf eines Jahres taufen zu lassen 31. Während nach Volksrecht die Teilnahme am Verbrechen und der Versuch als solcher im allgemeinen straflos sind, bietet der Königsbann eine Handhabe, um den Teilnehmer und die Versuchshandlung zu treffen. Andrerseits wird aber der Verordnungsbann auch verwendet, um dieselben recht- lichen Thatbestände unter Strafe zu stellen, die bereits das Volksrecht verpönt. So hat Karl der Groſse den Frauenraub, die Brandstiftung und die Heimsuchung als besonders gefährliche Friedensbrüche unter die Bannbuſse gestellt, auch soweit sie bereits nach Volksrecht strafbar waren. So bedrohte Karl der Kahle u. a. Raub, Hausbruch und ver- messentlichen Todschlag mit der Bannstrafe 32. In solchen Fällen trat der bannus in Konkurrenz mit dem fredus, der nach Volksrecht an die öffentliche Gewalt zu zahlen war. Da aber bannus und fredus von der Obrigkeit nicht wegen desselben Thatbestandes erhoben werden konnten, so schloſs der bannus den fredus aus 33. Den fredus durch 27 Siehe unten § 87 ff. 28 Vgl. oben I 277 ff. 380 f. Sohm a. O. S. 103 ff. 29 Cap. Mant. c. 7, I 190. Cap. Harist. c. 19, I 51. 30 Cap. de part. Sax. c. 25, I 70. Pipp. Cap. Pap. c. 14, I 200. 31 Cap. de part. Sax. c. 19, I 69. 32 Conv. Carisiac. v. J. 857, Cap. miss. c. 3, Pertz, LL I 455. 33 Einen Beleg bietet die Vergleichung von Lex Rib. 64 mit Lex Angl. et Werin. 57. Nach jener verwirkten bei der Heimsuchung die tres priores 90 Schil- linge (von welchen 60 an den Verletzten, 30 als fredus zu zahlen waren), die übrigen Teilnehmer dagegen 15 Solidi (davon 10 als Buſse, 5 als fredus). Die Lex Angl. et Werin. ist der Lex Rib. nachgebildet, trägt aber der Thatsache Rechnung, daſs die Heimsuchung unter die Bannfälle aufgenommen worden war. Sie läſst jeden der drei priores 60 Solidi an den Verletzten und 60 Solidi als Königsbann, jeden der übrigen Teilnehmer 10 Solidi an den Verletzten und 60 Solidi in ban- num regis bezahlen. Die Buſsen, welche dem Verletzten zu teil werden, stimmen im ribuarischen und im anglowarnischen Volksrechte überein. Die Friedens-

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/57>, abgerufen am 28.04.2024.