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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 64. Der Königsbann.
Kirchen, Witwen, Waisen und "homines minus potentes" allgemein
unter dem Sonderfrieden des Königs 22 und ist auf jeden an ihnen
begangenen Friedensbruch die königliche Bannbusse gesetzt. Unab-
hängig von dem Königsfrieden, welcher einer Person und damit auch
ihrem Vermögen durch den Königsbann gewirkt ist, kann durch
ihn einzelnen Vermögensobjekten, insbesondere Grundstücken, ein
höherer Friede zu teil werden. In rein dinglicher Anwendung findet
sich der Königsbann auch bei der Fronung unbeweglichen Gutes 23,
bei dem Rechtsstreit um Liegenschaften 24 und in nachfränkischer Zeit
bei der Übereignung von Grundstücken im Wege gerichtlicher Auf-
lassung. Unter den Gesichtspunkt des dinglichen Friedensbannes fällt
ferner der Wildbann, die Einforstung von Wäldern und Gewässern, die
sie in Bannwälder und Bannwässer verwandelt, in welchen zu jagen
oder zu fischen dritten bei Bannbusse verboten ist 25. Ebenso gehört
in gewissem Sinne der höhere Friede hierher, durch den in karolingi-
scher Zeit die kirchliche Immunität gegen Verletzungen geschützt
wird 26.

Der Verwaltungsbann ist der Durchführung der Rechtsord-
nung, sowie der Aufrechthaltung und Förderung des Gemeinwohls
gewidmet; insbesondere hat er die Verbindlichkeit der Unterthanen
zur Erfüllung öffentlicher Pflichten im Einzelfalle festzustellen, aufzu-
erlegen und die Pflichterfüllung zu erzwingen, das Versäumnis zu be-
strafen. Dabei fällt ins Gewicht, dass die öffentliche Pflicht durch den
Bann im Einzelfalle nicht erst geschaffen wird, sondern bereits durch
allgemeinen Rechtssatz gegeben ist. So bestand z. B. nach Volksrecht
die allgemeine Heerpflicht, während das Banngebot des Königs be-
stimmte, ob und wann der einzelne Unterthan sie zu erfüllen habe.
Nach den drei Hauptgebieten der Verwaltung: Heerwesen, Gerichts-

und auf den Versuch, der Kirche einen Schutzhörigen zu entziehen, in Lex Rib.
58, 2. 13 eine Busse von 60 Solidi gesetzt ist: quia inlicitum ducimus, quod eccle-
siis concessimus, iterum ab ecclesiis revocare.
22 Cap. v. J. 801--813 c. 2, I 171: ut ecclesiae, viduae, pupilli per ban-
num
regis pacem habeant. Eine Folge dieses Friedens ist die in Lex Alam.
I 2, B. Cod. 19--37 enthaltene Bestimmung: et si aliqua persona res malo ordine
de ecclesia subtraxerit ... 60 solidos pro fredo. Damit erledigen sich die Zweifel
W. Sickels a. O. S. 23. Der höhere Friede der Kirche schliesst auch das Kirchen-
gut in sich.
23 Siehe unten § 112.
24 Form. Aug. Coll. B. nr. 40, Zeumer, Formulae S. 362. Cartul. Langob.
form. 20, LL IV 601 (vgl. die Schlussworte von form. 21).
25 Über den fränkischen Wildbann siehe W. Sickel a. O. S. 41 ff.
26 Siehe unten § 94.

§ 64. Der Königsbann.
Kirchen, Witwen, Waisen und „homines minus potentes“ allgemein
unter dem Sonderfrieden des Königs 22 und ist auf jeden an ihnen
begangenen Friedensbruch die königliche Bannbuſse gesetzt. Unab-
hängig von dem Königsfrieden, welcher einer Person und damit auch
ihrem Vermögen durch den Königsbann gewirkt ist, kann durch
ihn einzelnen Vermögensobjekten, insbesondere Grundstücken, ein
höherer Friede zu teil werden. In rein dinglicher Anwendung findet
sich der Königsbann auch bei der Fronung unbeweglichen Gutes 23,
bei dem Rechtsstreit um Liegenschaften 24 und in nachfränkischer Zeit
bei der Übereignung von Grundstücken im Wege gerichtlicher Auf-
lassung. Unter den Gesichtspunkt des dinglichen Friedensbannes fällt
ferner der Wildbann, die Einforstung von Wäldern und Gewässern, die
sie in Bannwälder und Bannwässer verwandelt, in welchen zu jagen
oder zu fischen dritten bei Bannbuſse verboten ist 25. Ebenso gehört
in gewissem Sinne der höhere Friede hierher, durch den in karolingi-
scher Zeit die kirchliche Immunität gegen Verletzungen geschützt
wird 26.

Der Verwaltungsbann ist der Durchführung der Rechtsord-
nung, sowie der Aufrechthaltung und Förderung des Gemeinwohls
gewidmet; insbesondere hat er die Verbindlichkeit der Unterthanen
zur Erfüllung öffentlicher Pflichten im Einzelfalle festzustellen, aufzu-
erlegen und die Pflichterfüllung zu erzwingen, das Versäumnis zu be-
strafen. Dabei fällt ins Gewicht, daſs die öffentliche Pflicht durch den
Bann im Einzelfalle nicht erst geschaffen wird, sondern bereits durch
allgemeinen Rechtssatz gegeben ist. So bestand z. B. nach Volksrecht
die allgemeine Heerpflicht, während das Banngebot des Königs be-
stimmte, ob und wann der einzelne Unterthan sie zu erfüllen habe.
Nach den drei Hauptgebieten der Verwaltung: Heerwesen, Gerichts-

und auf den Versuch, der Kirche einen Schutzhörigen zu entziehen, in Lex Rib.
58, 2. 13 eine Buſse von 60 Solidi gesetzt ist: quia inlicitum ducimus, quod eccle-
siis concessimus, iterum ab ecclesiis revocare.
22 Cap. v. J. 801—813 c. 2, I 171: ut ecclesiae, viduae, pupilli per ban-
num
regis pacem habeant. Eine Folge dieses Friedens ist die in Lex Alam.
I 2, B. Cod. 19—37 enthaltene Bestimmung: et si aliqua persona res malo ordine
de ecclesia subtraxerit … 60 solidos pro fredo. Damit erledigen sich die Zweifel
W. Sickels a. O. S. 23. Der höhere Friede der Kirche schlieſst auch das Kirchen-
gut in sich.
23 Siehe unten § 112.
24 Form. Aug. Coll. B. nr. 40, Zeumer, Formulae S. 362. Cartul. Langob.
form. 20, LL IV 601 (vgl. die Schluſsworte von form. 21).
25 Über den fränkischen Wildbann siehe W. Sickel a. O. S. 41 ff.
26 Siehe unten § 94.
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[38/0056] § 64. Der Königsbann. Kirchen, Witwen, Waisen und „homines minus potentes“ allgemein unter dem Sonderfrieden des Königs 22 und ist auf jeden an ihnen begangenen Friedensbruch die königliche Bannbuſse gesetzt. Unab- hängig von dem Königsfrieden, welcher einer Person und damit auch ihrem Vermögen durch den Königsbann gewirkt ist, kann durch ihn einzelnen Vermögensobjekten, insbesondere Grundstücken, ein höherer Friede zu teil werden. In rein dinglicher Anwendung findet sich der Königsbann auch bei der Fronung unbeweglichen Gutes 23, bei dem Rechtsstreit um Liegenschaften 24 und in nachfränkischer Zeit bei der Übereignung von Grundstücken im Wege gerichtlicher Auf- lassung. Unter den Gesichtspunkt des dinglichen Friedensbannes fällt ferner der Wildbann, die Einforstung von Wäldern und Gewässern, die sie in Bannwälder und Bannwässer verwandelt, in welchen zu jagen oder zu fischen dritten bei Bannbuſse verboten ist 25. Ebenso gehört in gewissem Sinne der höhere Friede hierher, durch den in karolingi- scher Zeit die kirchliche Immunität gegen Verletzungen geschützt wird 26. Der Verwaltungsbann ist der Durchführung der Rechtsord- nung, sowie der Aufrechthaltung und Förderung des Gemeinwohls gewidmet; insbesondere hat er die Verbindlichkeit der Unterthanen zur Erfüllung öffentlicher Pflichten im Einzelfalle festzustellen, aufzu- erlegen und die Pflichterfüllung zu erzwingen, das Versäumnis zu be- strafen. Dabei fällt ins Gewicht, daſs die öffentliche Pflicht durch den Bann im Einzelfalle nicht erst geschaffen wird, sondern bereits durch allgemeinen Rechtssatz gegeben ist. So bestand z. B. nach Volksrecht die allgemeine Heerpflicht, während das Banngebot des Königs be- stimmte, ob und wann der einzelne Unterthan sie zu erfüllen habe. Nach den drei Hauptgebieten der Verwaltung: Heerwesen, Gerichts- 21 22 Cap. v. J. 801—813 c. 2, I 171: ut ecclesiae, viduae, pupilli per ban- num regis pacem habeant. Eine Folge dieses Friedens ist die in Lex Alam. I 2, B. Cod. 19—37 enthaltene Bestimmung: et si aliqua persona res malo ordine de ecclesia subtraxerit … 60 solidos pro fredo. Damit erledigen sich die Zweifel W. Sickels a. O. S. 23. Der höhere Friede der Kirche schlieſst auch das Kirchen- gut in sich. 23 Siehe unten § 112. 24 Form. Aug. Coll. B. nr. 40, Zeumer, Formulae S. 362. Cartul. Langob. form. 20, LL IV 601 (vgl. die Schluſsworte von form. 21). 25 Über den fränkischen Wildbann siehe W. Sickel a. O. S. 41 ff. 26 Siehe unten § 94. 21 und auf den Versuch, der Kirche einen Schutzhörigen zu entziehen, in Lex Rib. 58, 2. 13 eine Buſse von 60 Solidi gesetzt ist: quia inlicitum ducimus, quod eccle- siis concessimus, iterum ab ecclesiis revocare.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/56>, abgerufen am 24.11.2024.