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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 118. Spurfolge und Anefang.
jeder Nachmann seinen Vormann geladen hatte 60. Die Lex Ribuaria
verlangt zum ersten Termin nur die Stellung des unmittelbaren Vor-
manns 61. War aber ein Knecht Gegenstand des Anefangs, so hatte
der Besitzer sämtliche Gewährsmänner binnen einer einzigen Frist
beizubringen 62.

Bleibt der vorgeladene Gewährsmann aus, so kann sich der Be-
sitzer von dem Verdachte des Diebstahls reinigen, indem er nach
salischem Rechte mit je drei Zeugen, nach ribuarischem selbsiebent
beweist, erstens, dass er den Vormann gehörig manniert, zweitens, dass
er die Sache von ihm erworben habe 63. Diese ist dann an den
Kläger herauszugeben. Die Lex Ribuaria gewährt dem Beklagten,
nachdem er jenen Eid geschworen, neue Frist, damit er vor Zeugen
von dem Vormanne den Kaufpreis oder doch einen Teil davon 64 em-
pfange. Den Empfang hat er dem Kläger nachzuweisen, der dann
gegen den Vormann mit der Diebstahlsklage vorgehen mag.

Ist der Gewähre vor Gericht erschienen, um Gewährschaft zu
leisten, so wird ihm die streitige Fahrhabe übergeben 65, zugeschoben,
zu Handen geleitet; er empfängt, wie jüngere Quellen sagen, den
Schub, d. h. die als gestohlen bezichtigte Sache. Bei mehrfachem
Gewährszug wandert sie von Hand zu Hand den Weg zurück, 'den
sie früher durch Rechtsgeschäft vorwärts gegangen ist' 66. Die Rück-

60 Lex Sal. 47. Vgl. oben I 297 und Hermann S. 61, Anm. 1. Das gilt
noch in dem Wiener Weichbildbuch Art. 75. 76, wonach der Besitzer nur für den
ersten Gewähren Frist erhält, während die anderen gewere, die man darnach peutet,
die müzzen alle da ze stet sein.
61 Lex Rib. 33. Die Frist wird durch den Wohnort des ersten Auctors,
nicht wie nach der Lex Sal. durch den Wohnort des Besitzers bestimmt.
62 Lex Rib. 58, 8; 72, 1. Von dem Knechte kann ja der Besitzer sofort die
sämtlichen Vormänner erfahren. Vgl. Lex Sal. 39.
63 Lex Sal. 47, 2. Lex Rib. 33, 2.
64 Lex Rib. 33, 2: ut de cinu werduinia sua recipiat; 72, 3: cenu werdunia;
vgl. 72, 6. 7. Abstammung und Grundbedeutung des Wortes sind dunkel. Grimm
bei Merkel, Lex Sal. p. LXXXVII f. Kern bei Hessels, Lex Sal. Sp. 456. Her-
mann
S. 110 f. -- Siegel, Gerichtsverfahren, S. 254 f., sieht darin den Ersatz
des gegenwärtigen Wertes der Sache. Allein aus Lex Rib. 72, 3. 5 geht hervor,
dass eine cine werdunia auch wegen eines toten Sklaven gezahlt wurde. Worin
sollte der gegenwärtige Wert des Leichnams bestanden haben? War ein Tier nach
dem Anefang gestorben, so wurde vom Gewähren nur ein solidus für die Haut des
Tiers, war es siech oder versehrt, so wurde nur der Schätzungswert, nicht wie
sonst der Kaufpreis bezahlt. Siehe Sohm, Prozess S. 109, Anm. 30.
65 Lex Rib. 33, 3; 72, 6. Siehe oben Anm. 25. Formeln zu Roth. 232 und
zu Otto I, c. 7. v. Amira, Nordgerm. Obligationenrecht I 559.
66 Sohm, Prozess S. 113.

§ 118. Spurfolge und Anefang.
jeder Nachmann seinen Vormann geladen hatte 60. Die Lex Ribuaria
verlangt zum ersten Termin nur die Stellung des unmittelbaren Vor-
manns 61. War aber ein Knecht Gegenstand des Anefangs, so hatte
der Besitzer sämtliche Gewährsmänner binnen einer einzigen Frist
beizubringen 62.

Bleibt der vorgeladene Gewährsmann aus, so kann sich der Be-
sitzer von dem Verdachte des Diebstahls reinigen, indem er nach
salischem Rechte mit je drei Zeugen, nach ribuarischem selbsiebent
beweist, erstens, daſs er den Vormann gehörig manniert, zweitens, daſs
er die Sache von ihm erworben habe 63. Diese ist dann an den
Kläger herauszugeben. Die Lex Ribuaria gewährt dem Beklagten,
nachdem er jenen Eid geschworen, neue Frist, damit er vor Zeugen
von dem Vormanne den Kaufpreis oder doch einen Teil davon 64 em-
pfange. Den Empfang hat er dem Kläger nachzuweisen, der dann
gegen den Vormann mit der Diebstahlsklage vorgehen mag.

Ist der Gewähre vor Gericht erschienen, um Gewährschaft zu
leisten, so wird ihm die streitige Fahrhabe übergeben 65, zugeschoben,
zu Handen geleitet; er empfängt, wie jüngere Quellen sagen, den
Schub, d. h. die als gestohlen bezichtigte Sache. Bei mehrfachem
Gewährszug wandert sie von Hand zu Hand den Weg zurück, ‘den
sie früher durch Rechtsgeschäft vorwärts gegangen ist’ 66. Die Rück-

60 Lex Sal. 47. Vgl. oben I 297 und Hermann S. 61, Anm. 1. Das gilt
noch in dem Wiener Weichbildbuch Art. 75. 76, wonach der Besitzer nur für den
ersten Gewähren Frist erhält, während die anderen gewere, die man darnach peutet,
die müzzen alle da ze stet sein.
61 Lex Rib. 33. Die Frist wird durch den Wohnort des ersten Auctors,
nicht wie nach der Lex Sal. durch den Wohnort des Besitzers bestimmt.
62 Lex Rib. 58, 8; 72, 1. Von dem Knechte kann ja der Besitzer sofort die
sämtlichen Vormänner erfahren. Vgl. Lex Sal. 39.
63 Lex Sal. 47, 2. Lex Rib. 33, 2.
64 Lex Rib. 33, 2: ut de cinu werduinia sua recipiat; 72, 3: cenu werdunia;
vgl. 72, 6. 7. Abstammung und Grundbedeutung des Wortes sind dunkel. Grimm
bei Merkel, Lex Sal. p. LXXXVII f. Kern bei Hessels, Lex Sal. Sp. 456. Her-
mann
S. 110 f. — Siegel, Gerichtsverfahren, S. 254 f., sieht darin den Ersatz
des gegenwärtigen Wertes der Sache. Allein aus Lex Rib. 72, 3. 5 geht hervor,
daſs eine cine werdunia auch wegen eines toten Sklaven gezahlt wurde. Worin
sollte der gegenwärtige Wert des Leichnams bestanden haben? War ein Tier nach
dem Anefang gestorben, so wurde vom Gewähren nur ein solidus für die Haut des
Tiers, war es siech oder versehrt, so wurde nur der Schätzungswert, nicht wie
sonst der Kaufpreis bezahlt. Siehe Sohm, Prozeſs S. 109, Anm. 30.
65 Lex Rib. 33, 3; 72, 6. Siehe oben Anm. 25. Formeln zu Roth. 232 und
zu Otto I, c. 7. v. Amira, Nordgerm. Obligationenrecht I 559.
66 Sohm, Prozeſs S. 113.
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[504/0522] § 118. Spurfolge und Anefang. jeder Nachmann seinen Vormann geladen hatte 60. Die Lex Ribuaria verlangt zum ersten Termin nur die Stellung des unmittelbaren Vor- manns 61. War aber ein Knecht Gegenstand des Anefangs, so hatte der Besitzer sämtliche Gewährsmänner binnen einer einzigen Frist beizubringen 62. Bleibt der vorgeladene Gewährsmann aus, so kann sich der Be- sitzer von dem Verdachte des Diebstahls reinigen, indem er nach salischem Rechte mit je drei Zeugen, nach ribuarischem selbsiebent beweist, erstens, daſs er den Vormann gehörig manniert, zweitens, daſs er die Sache von ihm erworben habe 63. Diese ist dann an den Kläger herauszugeben. Die Lex Ribuaria gewährt dem Beklagten, nachdem er jenen Eid geschworen, neue Frist, damit er vor Zeugen von dem Vormanne den Kaufpreis oder doch einen Teil davon 64 em- pfange. Den Empfang hat er dem Kläger nachzuweisen, der dann gegen den Vormann mit der Diebstahlsklage vorgehen mag. Ist der Gewähre vor Gericht erschienen, um Gewährschaft zu leisten, so wird ihm die streitige Fahrhabe übergeben 65, zugeschoben, zu Handen geleitet; er empfängt, wie jüngere Quellen sagen, den Schub, d. h. die als gestohlen bezichtigte Sache. Bei mehrfachem Gewährszug wandert sie von Hand zu Hand den Weg zurück, ‘den sie früher durch Rechtsgeschäft vorwärts gegangen ist’ 66. Die Rück- 60 Lex Sal. 47. Vgl. oben I 297 und Hermann S. 61, Anm. 1. Das gilt noch in dem Wiener Weichbildbuch Art. 75. 76, wonach der Besitzer nur für den ersten Gewähren Frist erhält, während die anderen gewere, die man darnach peutet, die müzzen alle da ze stet sein. 61 Lex Rib. 33. Die Frist wird durch den Wohnort des ersten Auctors, nicht wie nach der Lex Sal. durch den Wohnort des Besitzers bestimmt. 62 Lex Rib. 58, 8; 72, 1. Von dem Knechte kann ja der Besitzer sofort die sämtlichen Vormänner erfahren. Vgl. Lex Sal. 39. 63 Lex Sal. 47, 2. Lex Rib. 33, 2. 64 Lex Rib. 33, 2: ut de cinu werduinia sua recipiat; 72, 3: cenu werdunia; vgl. 72, 6. 7. Abstammung und Grundbedeutung des Wortes sind dunkel. Grimm bei Merkel, Lex Sal. p. LXXXVII f. Kern bei Hessels, Lex Sal. Sp. 456. Her- mann S. 110 f. — Siegel, Gerichtsverfahren, S. 254 f., sieht darin den Ersatz des gegenwärtigen Wertes der Sache. Allein aus Lex Rib. 72, 3. 5 geht hervor, daſs eine cine werdunia auch wegen eines toten Sklaven gezahlt wurde. Worin sollte der gegenwärtige Wert des Leichnams bestanden haben? War ein Tier nach dem Anefang gestorben, so wurde vom Gewähren nur ein solidus für die Haut des Tiers, war es siech oder versehrt, so wurde nur der Schätzungswert, nicht wie sonst der Kaufpreis bezahlt. Siehe Sohm, Prozeſs S. 109, Anm. 30. 65 Lex Rib. 33, 3; 72, 6. Siehe oben Anm. 25. Formeln zu Roth. 232 und zu Otto I, c. 7. v. Amira, Nordgerm. Obligationenrecht I 559. 66 Sohm, Prozeſs S. 113.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/522>, abgerufen am 22.11.2024.